WERDER MAGAZIN Nr. 349

WERDER MAGAZIN 349 53 SCHACH Wie kam der Kontakt zu Werder Bremen zustande? Der Kontakt zu Werder ist vor zwei Jahren über Jonny (Werder- Trainer Jonathan Carlstedt, Anm. d. Red.) entstanden. Mit ihm hatte ich schon früher trainiert. Anfang 2020 stand mein Wech- sel dann fest. Werder Bremen ist ein attraktiver Verein. Es gibt eine Bundesliga-Mannschaft und starke Vereinsspieler – und viele nette Menschen. Du hast seit Mai dein Abitur und absolvierst jetzt ein Schach- jahr. Warum? Ich wollte möglichst viele Turniere spielen, weil mir das Spaß macht und es das beste Training für mich ist. Ich habe von Juli bis November 13 Turniere und etwa 100 Wettkampfpartien ge- spielt. Zwischendurch trainiere ich sechs bis sieben Stunden am Tag. Und ich gebe auch selbst Training, zum einen um mich zu finanzieren und zum anderen weil es mir Spaß macht. Mein lang- fristiges Ziel ist, über 2.400 Elo (Wertungszahl, Anm. d. Red.) zu kommen. Mein kurzfristiges Ziel ist, WGM-Normen (Normen für den Frauen-Großmeister-Titel, Anm. d. Red.) zu erspielen. Wie würdest du deinen Spielstil beschreiben? Ich bin auf jeden Fall eine angriffslustige Spielerin. Irgendjemand hat mal zu mir gesagt: ‚Wenn ich deine Partien anschaue, dann denke ich immer, da spielt ein richtig aggressiver Kerl‘ (lacht) . Wie entspannst du dich vor und nach anstrengenden Turnier- partien? Ich gehe gerne spazieren und schaue mir die Städte an, in denen die Turniere stattfinden. Die Frauen-Europameisterschaft fand zum Beispiel in Iași in Rumänien statt. Das war sehr beeindru- ckend. Hast du schon einen Plan für die Zeit nach dem Schachjahr? Ich möchte Germanistik und Geschichte studieren und Histori- kerin werden. Ich interessiere mich sehr für die Antike und das Römische Reich. Könntest du dir auch ein Leben als Schach-Profi vorstellen? Schach ist meine Leidenschaft. Wenn damit nicht eine gewisse finanzielle Unsicherheit verbunden wäre, würde ich es sofort ma- chen. Das entscheide ich nach dem Studium. Ich werde Schach in jedem Fall als Leistungssport weiter betreiben. Wirst du als Leistungssportlerin finanziell unterstützt? Ja, ich nehme am Förderprogramm ‚Power Girls‘ des Deutschen Schachbund teil, über das sechs junge Nationalspielerinnen ge- fördert werden. Und Werder Bremen unterstützt mich auch. Die Junioren-Europameisterschaft wurde in diesem Jahr als Hy- brid-Turnier ausgetragen. Du hast mit den anderen deutschen Teilnehmenden vom thüringischen Apolda aus online gespielt. Wird dieses Turnierformat bei Welt- und Europameisterschaf- ten nach der Pandemie zur Normalität? Ich denke, es bietet die Möglichkeit, mehr internationale Turnie- re auszurichten. Aber für die Welt- und Europameisterschaften wird sich das nicht durchsetzen. Solche Turniere sind gesell- schaftliche und kulturelle Ereignisse. Es ist einfach schöner, sei- nen Gegnern gegenüber zu sitzen. Und man kann auch interna- tionale Kontakte knüpfen. In der kommenden Saison wirst du Werders Bundesliga-Team verstärken. Ist es spannend, in einer Mannschaft mit Laurent Fressinet, Luke McShane, Alexander Areshchenko und anderen zu spielen? Oder ist es einfach nur eins von acht Brettern, das du besetzt? Ich bin sehr stolz drauf, in solch einer Mannschaft zum Einsatz zu kommen. Die Schach-Bundesliga ist bekanntlich die stärkste Liga der Welt. Ich hoffe natürlich, den einen oder anderen star- ken Gegner ärgern zu können. Warum gibt es immer noch getrennte Trainingsgruppen und Wettkämpfe für Frauen und Männer? Es spielen immer noch viel weniger Frauen als Männer Schach. Woran das liegt, weiß ich nicht. Allein unter Männern zu spielen, schreckt viele Frauen sicherlich ab. Deshalb macht es Sinn, Trai- ningsgruppen und Turniere für Frauen anzubieten. Mich hat es allerdings nie gestört, nur unter Männern zu spielen. Du betreibst eine eigene Homepage mit Live-Stream und Blog. Warum? Mir macht es einfach Spaß, den Blog zu schreiben und von den Turnieren und vom Drumherum zu berichten. Oder kniff- lige Stellungen aus meinen Partien zu kommentieren. Im Live- stream habe ich manchmal bis zu 1.000 Klicks und bekomme viel positives Feedback. Ich sehe das als Öffentlichkeitsarbeit und möchte damit auch ein bisschen Vorbild sein. Interview: Jens Kardoeus

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