WERDER MAGAZIN Nr. 364

INTERVIEW s habe länger darüber nachgedacht, letztlich war ich aber nicht vollständig überzeugt. Neben dir stehen mit Britta Carlson in Köln, Ailien Poese bei Union Berlin und Liese Brancao beim HSV in dieser Saison in der Google Pixel Frauen-Bundesliga drei weitere Cheftrainerinnen in der Verantwortung… Das sind tatsächlich so viele wie noch nie. Aber man erkennt daran, dass es auch da noch immer etwas Besonderes ist, wenn eine Trainerin an der Seitenlinie steht. Wie ordnest du den deutschen Frauenfußball derzeit im internationalen Vergleich ein? Wir sind in der Weltrangliste zuletzt von Rang drei auf fünf zurückgefallen. Und man muss sagen: Die Tabelle lügt nicht. Auch die Ergebnisse bei den letzten großen Turnieren haben eine klare Sprache gesprochen. Wir können einiges noch durch eine gute Mentalität wettmachen, aber fußballerisch fehlt uns derzeit etwas nach ganz oben. Der internationale Frauenfußball ist enger zusammengerückt. England und Spanien, auch Schweden und Frankreich sind uns dabei in einigen Bereichen voraus. Was muss sich ändern? Es gibt nicht eine entscheidende Stellschraube. Aus meiner Sicht sind hier der DFB, die Vereine und die Gesellschaft gefragt. Wir müssen es den jungen Spielerinnen ermöglichen, sich unter annähernd gleichen Bedingungen zu entwickeln wie die Jungs. Dafür müssen wir die Strukturen weiterentwickeln und die Talentförderung dringend auf ein höheres Niveau bringen. Denn im weiblichen Bereich ist die Nachwuchsausbildung der Vereine noch sehr dem Zufall überlassen. Alle können es machen, wie sie wollen. Im männlichen Bereich sind die Rahmenbedingungen der Ausbildung an die Lizenzierung gekoppelt. WERDER MAGAZIN 364 25 Der SV Werder stand in den vergangenen Jahren dafür, selbst Spielerinnen bis in die Bundesliga zu entwickeln. Werdet ihr dieser Philosophie auch bei der immer weiter steigenden Konkurrenz in der ersten Liga treubleiben können? Ich bin davon überzeugt, dass wir auch zukünftig Spielerinnen selbst ausbilden und weiterentwickeln können. Parallel dazu müssen wir uns weiter professionalisieren, wenn wir den Anschluss nicht verlieren wollen. Dass wir in diesem Sommer weitere neue Stellen geschaffen haben, zum Beispiel für einen zweiten hauptamtlichen Co-Trainer und eine zweite Physiotherapeutin, war kein Luxus, sondern dringend notwendig. Nicht nur du hast zu dieser Saison dein Debüt im Fußball-Oberhaus gefeiert – Gleiches gilt auch für Horst Steffen bei den Männern. Hattet ihr schon Gelegenheit, euch über diese Parallelität auszutauschen? Wir haben uns bereits getroffen, bevor wir hier unsere Arbeit aufgenommen haben. Horst ist eine sehr angenehme Persönlichkeit. Man kann sich mit ihm auf Augenhöhe austauschen. Er interessiert sich sehr dafür, was wir im weiblichen Bereich machen. Vieles an unserer Arbeit ist ähnlich, es ist und bleibt Fußball, Menschenführung spielt eine wichtige Rolle. Mich interessierte zum Beispiel, ob er seinen Kapitän wählen lässt oder bestimmt und wie sich aus seiner Sicht ein Mannschaftsrat findet. Du bist vielen als ZDF-Expertin bekannt. Wie kam es zu diesem TV-Engagement? Das ZDF war damals auf der Suche nach etwas mehr Weiblichkeit im Fußball. Man hatte erkannt, dass die ersten Frauen bei verschiedenen Sendern gut angekommen waren. Mein damaliger Berater, der auch das ZDF beriet, hat den Kontakt hergestellt. Ich wurde bei der EM 2022 erstmals eingeladen, und daraus hat sich dann ein längeres Engagement entwickelt. Starkes Team: Co-Trainer Björn Bremermann, Co-Trainerin Michaela Specht, Cheftrainerin Fritzy Kromp und Torwart-Trainer Hendrik Lemke (v. li.). Zum Trainerteam der WERDERFRAUEN gehört außerdem Athletiktrainer Hannes Mühl. s

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