32
|
Jahresbericht 2012
Ärztekammer
Nordrhein
Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik
Physiotherapeuten wollen Direktzugang
Die Zukunft der Patientenversorgung kann nur
aus interdisziplinärer Sicht diskutiert werden“,
sagte Rita Schütte, die Vorsitzende des Landesver-
bandes NRW der Physiotherapeuten/Krankengym-
nasten. Sie erläuterte den Vorschlag für einen gere-
gelten Direktzugang des Patienten zum Physiothe-
rapeuten. Danach ist ein standardisierter Prozess
die Grundlage des physiotherapeutischen Vorge-
hens: Nach einem Screening folgen Befundauf-
nahme und Therapie. Schütte stellte klar, dass das
Screening keineswegs eine Diagnose darstellt: „Die
bleibt beim Arzt.“ Vielmehr werde mithilfe von ge-
zielten Fragen und Tests festgestellt, ob „bestimmte
Zeichen und/oder Symptome vorhanden sind, die in
den Kompetenzbereich des einzelnen Physiothera-
peuten fallen“. Ergebe sich beim Screening kein An-
zeichen einer unmittelbaren Gefährdung, solle die
physiotherapeutische Befunderhebung und Thera-
pie durchgeführt werden. Stellt der Physiotherapeut
jedoch bei einem Patienten beim Screening oder im
Behandlungsverlauf Warnsignale für eine ernst-
hafte Pathologie fest – zum Beispiel Fieber, Übel-
keit, Schwindel, Durchfall oder Schmerzen –, sind
in dem Konzept eine ergänzende somatische Unter-
suchung und eine ärztliche Diagnose vorgesehen.
Ergeben sich beim Screening, bei der Befund-
erhebung oder im Behandlungsverlauf Anzeichen
einer Schädigung oder die Identifikation von psy-
chosozialen Risikofaktoren, erfolgt jeweils sofort
eine Überweisung an den Arzt. Das heißt, es ist eine
enge Kooperation gefordert“, sagte Schütte. Die
Ausbildungs- und Prüfungsverordnung der Physio-
therapeuten soll nach dem Willen ihres Verbandes
um das „CurriculumDirektzugang Physiotherapie“
ergänzt werden, das eine 40-stündige Schulung im
Screening-Verfahren vorsieht. Dann sind nach Auf-
fassung der Physiotherapeuten die Anforderungen
des Bundesverwaltungsgerichts erfüllt, das im Au-
gust 2009 entschieden hatte: Physiotherapeuten
können Patienten im Direktzugang behandeln,
sobald diese Ausbildungslücke geschlossen ist. Das
Screening kommt nach Schüttes Worten im benach-
barten Ausland bereits erfolgreich zumEinsatz, ein-
zelne Krankenkassen erproben nach ihren Worten
auch in Deutschland diesen Weg bereits in Modell-
vorhaben. Den Nutzen eines Direktzuganges sieht
Schütte in einer Entlastung der Hausärztinnen und
Hausärzte, einer Verkürzung der Wartezeiten und
damit einer größeren Patientenzufriedenheit sowie
in einer höheren Wirtschaftlichkeit.
Prozesse im Netzwerk vernünftig gestalten
Die Diskussion über Kooperation begrüßen wir
sehr“, sagte der Vorsitzende des Pflegerates Nord-
rhein-Westfalen, Ludger Risse. Auch in der Pflege
wachsen nach seinen Worten die Schwierigkeiten
bei der Neubesetzung von Stellen. Angesichts die-
ser Situation sei zu fragen, wie die Qualität der Ge-
sundheitsversorgung in Zukunft gesichert werden
kann. „Das können wir nicht mit den Strukturen
von gestern, mit dem Festhalten an Prinzipien,
mit dem alleinigen Ruf nach besseren Arbeits- und
Vergütungsbedingungen oder mit dem Kampf um
Machtstrukturen“, sagte Risse. Die Pflege habe sich
deutlich weiterentwickelt – „doch auch wenn es
manchmal so kommuniziert wird: es ist überhaupt
nicht unser Thema, die Attraktivität der Pflegebe-
rufe durch die Übernahme von ärztlichen Tätigkei-
ten aufzuwerten.“
links:
Ludger Risse, Vorsitzender
des Pflegerats Nordrhein-
Westfalen: Gleichklang von
Aufgaben, Kompetenzen
und Verantwortung.
rechts:
Rita Schütte, Vorsitzende
des Landesverbandes NRW
der Physiotherapeuten/
Krankengymnasten:
Direktzugang erhöht
Patientenzufriedenheit.