Ärztekammer
Nordrhein
Jahresbericht 2012
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Rechtsabteilung
tritt der Firma IQIS AG ist im Verlaufe der Prüfung
der Ärztekammer in entscheidenden Textpassagen
geändert und überarbeitet worden. Die Ärztekam-
mer geht nunmehr von dem Angebot einer Zweitbe-
gutachtung nach Aktenlage aus, die berufsrechtlich
grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.
Preisausschreiben
Das Bundesverfassungsgericht hat am 1. Juni
2011
eine richtungsweisende Entscheidung zur
Werbung mit Preisausschreiben getroffen
(
AZ.: 1
BvR 233/10 und 1BvR 235/10)
.
Ein Zahnarzt, der eine
große moderne Praxis mit dem Schwerpunkt Im-
plantologie führte, hatte anlässlich einer Gesund-
heitsmesse mit einer Verlosung für seine zahnärztli-
chen Dienstleistungen geworben. Ausgelobt waren
Gutscheine für ein Bleaching, eine professionelle
Zahnreinigung, ein Patientenratgeber und Zahn-
bürsten. Die Berufsgerichte hatten den Zahnarzt
deswegen zu einer Geldbuße verurteilt. Dies wurde
vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswid-
rig erklärt.
Die Methode, eine Verlosung zu nutzen, um Auf-
merksamkeit und Interesse zu wecken, und hier-
durch neue Patienten für eine Zahnarztpraxis zu
gewinnen, sei als solche mithin noch nicht berufs-
widrig, denn Gemeinwohlbelange, die durch ein
solches Vorgehen verletzt werden könnten, seien
nicht ersichtlich, urteilten die Verfassungsrich-
ter. Allerdings komme es darauf an, welche Preise
verlost würden. So sei eine professionelle Zahnrei-
nigung zulässig, da es sich um eine nützliche und
die Zahngesundheit fördernde Leistung handle,
deren Erbringung für den Patienten mit keinen
nennenswerten gesundheitlichen Risiken verbun-
den werden dürfte. Hinsichtlich der Verlosung ei-
ner Bleaching-Behandlung stellten die Richter da-
rauf ab, ob es sich um ein externes oder internes
Bleaching handelt und ob diese Behandlung mehr
als nur einen geringfügigen Eingriff in die körperli-
che Integrität darstelle. Seien mit einer kostenlosen
Behandlung zugleich gesundheitliche Risiken ver-
bunden, so sei die Werbemethode einer Verlosung
durchaus geeignet, das Schutzgut der Gesundheit
der Bevölkerung zu beeinträchtigen.
Diese Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts ist nachvollziehbar und sowohl von Zahnärz-
ten als auch von Ärzten zu beachten. Insbesondere
im Bereich der schönheitschirurgischen Leistungen
wird dieses Urteil Bedeutung erlangen. So dürfen
operative und sonstige Eingriffe im Bereich der kos-
metischen Chirurgie nicht als Preis ausgeschrieben
und von Patienten kostenlos in Anspruch genom-
men werden.
Kostenlose Venenchecks
Da im Berichtsjahr festzustellen war, dass Ärz-
tinnen und Ärzte im Internet immer häufiger mit
kostenlosen Beratungen und anderen kostenlosen
ärztlichen Leistungen werben, ist ein Urteil des
Landgerichts Stade vom 16. Juni 2011
(
AZ.: 8 O
23/11)
ebenfalls von großer Bedeutung für die Kam-
merangehörigen.
Ein Krankenhaus in Norddeutschland warb un-
ter der Überschrift „kostenlose Sprechstunde“ in
einer örtlichen Zeitung mit einer kostenlosen Ve-
nenkurzuntersuchung. Diese sollte an jedem ersten
Samstag im Monat durch die Chefärztin durch-
geführt werden. Das Landgericht Stade hatte die
Auffassung vertreten, dass es sich bei dieser Aktion
um einen Verstoß gegen das Zuwendungsverbot des
§ 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG)
handelt, was von der
Berufungsinstanz, dem Oberlandesgericht Celle,
(
Hinweisbeschluss vom 03.11.2011 (AZ.: 13 U 167/11))
bestätigt wurde. Die Berufung wurde daraufhin
zurückgenommen.
Die Richter beim OLG Celle werteten die Aktion
als unzulässige Werbung für medizinische Leistun-
gen des Krankenhauses. Die Kostenlosigkeit des be-
worbenen Venenkurzchecks stellt nach Auffassung
der Richter einen Teil einer ärztlichen Leistung dar,
der in der Regel nur gegen Geld zu erhalten ist. Das
Gericht hielt auch den Ausnahmetatbestand des
§ 7
HWG
(
Erteilung von Auskünften und Ratschlägen)
nicht für überzeugend, da die Kostenlosigkeit der
Venenchecks bereits sachlogisch nicht aus der Er-
teilung von Auskünften und Ratschlägen bestehen
könne, sondern eine individuelle Befunderhebung
beim Patienten beinhalte.
Auch die Chefärztin musste neben der Klinik für
die wettbewerbswidrige Werbung haften, da sie
die unzulässige Werbung durch andere nicht dul-
den durfte. Ein solches Dulden liege schon dann
vor, wenn einem Arzt die Unterbindung tatsächlich
und rechtlich möglich und zumutbar sei. Der Ein-
wand der Chefärztin, ihr sei es nicht möglich ge-
wesen auf die Werbung entsprechend einzuwirken,
wurde von dem Senat des OLG Celle zurückgewie-
sen. Die Ärztin habe nicht vorgetragen, dies über-
haupt versucht zu haben.