WERDER MAGAZIN Nr. 337

WERDER MAGAZIN 337 21 Christian Groß im Regionalliga-Duell der U23 mit der zweiten Mannschaft des Hamburger SV: Gegen seinen Ex- Club führte Werders neuer Kapitän sein Team am dritten Spieltag zu einem starken 4:0-Erfolg. Irgendwann gab es dann Angebote von größeren Vereinen. Ich hät- te nach Enschede, München, Gelsenkirchen oder zu Werder gehen können, am Ende habe ich mich aber für die U17 des VfL Osnabrück entschieden – und damit für die B-Junioren-Bundesliga. Doch nur ein Jahr später hat mich mein Weg noch weiter in den Norden geführt, ins Fußballinternat des Hamburger SV. Nach einer Saison bei der U19 und einem halben Jahr in der zweiten Mannschaft wurde es ernst. Ich habe meinen ersten Profivertrag unterschrieben – mit allem, was dazugehört. Mein Trainer war damals Martin Jol, wenn auch nur für vier Wochen. Es war eine kurze Zeit, aber eine, an die ich mich bis heute bestens erinnere. Er hat immer zu mir gesagt, dass jeder Spieler eine Fähigkeit braucht, die für den Trainer wichtig ist, eine ‚Waffe‘. Ich aber würde ihm von allem etwas bringen, jedoch nichts Zielfüh- rendes haben. Ich habe nicht zehn Tore geschossen, nicht zehn ent- scheidende Pässe gespielt. Alles war ordentlich, nichts herausragend. Und das habe ich mir eingeprägt. Jeder braucht eine spezielle ‚Waffe‘ – ich habe nur noch etwas Zeit gebraucht, um meine ‚Waffe‘ zu finden. Damals war der HSV ein großer Verein. Ich habe regelmäßig mit den Profis trainiert, mit Spielern wie Ruud van Nistelrooy und Zé Roberto. Ich konnte viel lernen – besonders über eine professionelle Einstellung. Bestes Beispiel: David Jarolim. Wenn alle um 9.00 Uhr planmäßig zum Training erschienen sind, hatte er schon eine Stun- de im Kraftraum hinter sich. Kurz gesagt: Von nichts kommt nichts. Und genau das möchte ich als Kapitän von Werders U23 jetzt auch den jungen Talenten mitgeben. Nach Jol kam Bruno Labbadia. Ich habe weiter mit den Profis trai- niert, aber in der Regionalliga gespielt – bis auf ein Wochenende. Beim Bundesliga-Spiel gegen Freiburg durfte ich auf der Bank sitzen. Ein gutes Gefühl, so nah dran zu sein. Doch dann kam Armin Veh. Und wie das im Fußball manchmal so ist, war das nicht gut für mich. Er kam zu mir und sagte: ‚Ich habe keine Verwendung für dich.‘ Ich habe auf einmal keine Rolle mehr gespielt. Also ging es zurück zu den Amateuren. Aber nur vorrübergehend, denn im Jahr darauf wechselte ich nach Potsdam zu Babelsberg 03. Quasi ein Schritt zu- rück, um mit guten Leistungen wieder nach oben zu kommen. So der Plan. Nicht geplant war, dass im zweiten Spiel mein Kreuzband riss. Ein herber Rückschlag, mit dem man lernen muss umzugehen. Wieder eine Erfahrung, die ich als Kapitän den jüngeren Spielern mitgeben möchte. Gegenwind wird es immer geben, davon geht die Welt aber nicht unter. Entscheidend ist, sich dem entgegenzustellen. Ich habe mich zurückgekämpft, pünktlich zu meiner zweiten Sai- son bei Babelsberg, in der ich aber zum ersten Mal dauerhaft mit meinem größten Gegner klarkommen musste. Mit dem Verlieren. Am Ende der Saison sind wir sogar abgestiegen. Ich ging zu den Sportfreunden Lotte. Nach einem Jahr Regionalliga hatte ich dann erneut die Chance, in der 3. Liga zu spielen – bei Osnabrück. Es waren schöne vier Jahre mit tollen Erlebnissen. In den letzten ein- einhalb Jahren war ich sogar Kapitän. Das war ich auch schon in der Jugend, aber im Herrenbereich ist das noch einmal eine andere Nummer. Man hat mit vielen unterschiedlichen Mitspielern zu tun. Unterschiedlich im Charakter, in der Herkunft und eben auch im Alter. Und man muss es schaffen, mit jedem richtig umzugehen. Ich glaube dafür braucht man Erfahrung – Erfahrung, die ich in meiner Karriere sammeln durfte. Irgendwann kam wieder die Zeit für eine wichtige Entscheidung: In Osnabrück verlängern oder einen anderen Weg gehen? Pokern oder mit dem zufrieden sein, was man hat? Ich für meinen Teil halte lie- ber das fest, was ich habe, als bis zum Schluss auf andere Angebo- te zu warten. Ich glaube, das macht mich auch auf dem Platz aus. Trainer wissen, was sie an mir haben. Ich bin verlässlich. Ich kann einer Mannschaft Halt geben und versuche, durch meinen Spielstil Sicherheit auszustrahlen. Das ist meine spezielle ‚Waffe‘, die Jol vor vielen Jahren noch vermisst hat. Und genau diese ‚Waffe‘ möchte ich auch bei Werders U23 einsetzen. Ich bin nicht nach Bremen gekommen, um meine Karriere ausklin- gen zu lassen. Werder ist ein großer Verein, mit guten Bedingungen und tollen Leuten. Ich bin mir sicher, dass wir mit der U23 eini- ges erreichen können. Das Potenzial ist genau wie mein Anspruch. Maximal. Ich will Erster werden. Ich will aufsteigen. Und vor allem will ich nicht verlieren…“ Aufgezeichnet von Peter Hettler Foto: nordphoto

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