WERDER MAGAZIN Nr. 337

WERDER LEISTUNGSZENTRUM WERDER MAGAZIN 337 23 Foto: M. Rospek Ist die Zeit in der U17 daher die wichtigste in der Entwicklung junger Spieler? Insgesamt hat das Alter von 14 bis 17 Jahren eine sehr, sehr hohe Wichtigkeit. Durch das Längenwachstum und die Pubertät passiert unglaublich viel. Da muss man sehen, dass man die Jungs nicht überfordert, aber sie den- noch fördert. Während sie sich später in der U19 deutlich mehr am Herrenfußball orien- tieren, sind sie in der U17 auf nahezu allen Ebenen noch in einem sehr sensiblen Alter. Viele Spieler sind weit weg von zu Hause, vor allem die, die im Internat im Weser-Stadion wohnen. Ist der Trainer da manchmal auch Elternersatz? Nein, die Ablösung vom Elternhaus nimmt gerade in diesem Alter zu, bei Internats- spielern beginnt sie im Einzelfall sogar noch ein wenig früher. Es ist aber so, dass man bei den Eltern häufig eine große Un- sicherheit feststellt, weil sie von ihrem Kind nicht mehr alles erfahren. Es ist eine Lebensphase, in der die Kids erwachsen wer- den wollen und die Eltern von ihrer im Kern noch sehr jugendlichen Welt ausschließen. Und das ist, übrigens nicht nur bei Nach- wuchsfußballern, gut und wichtig. Ich biete mich den Jungs natürlich als Gesprächspart- ner an, weiß aber, dass jeder seinen eigenen Weg gehen und seine eigenen Erfahrungen sammeln muss. Du bist immer wieder zu Vereinen zurückgekehrt, bei denen du mal gespielt hast, beispielsweise in Rostock oder Luzern, jetzt bei Werder. Wie kommt das? Neben Luzern und Rostock war ich als Trainer ja auch bei Jahn Regensburg. Zu manchen Vereinen aus meiner Zeit als Fußball-Profi habe ich immer gute Verbindungen gehalten. Und mit Werder bin ich emotional noch etwas stärker verwachsen, weil ich hier Bunde- liga-Profi geworden bin und wir eine tolle Mannschaft hatten. Au- ßerdem kenne ich noch viele handelnde Personen aus meiner Zeit als Spieler hier. Gab es in deiner Spielerlaufbahn bei Werder einen besonders prägen- den Moment? Dieses eine Erlebnis gab es nicht, aber es waren sehr viele positive Momente, in denen ich gespürt habe, dass Werder der Verein ist, in dem ich mich sehr wohl fühle. Versuchst du diesen ‚Wohlfühl-Faktor‘ auch deinen Jungs zu vermit- teln? Auf jeden Fall. Bei allem theoretischen Wissen über Fußball muss in der Zusammenarbeit mit Menschen immer auch das Gefühl stim- men. Werder betreibt in der Jugendarbeit einen großen, zielgerichte- ten Aufwand. Wir bieten den Jungs ein familiäres Umfeld. Natürlich funktioniert das nicht immer, einige haben auch Heimweh. Und am Ende müssen die Jungs ihr Leben leben. Wir können ihnen dabei nur helfen. Du hast deine Fußballlehrer-Lizenz in der Schweiz erworben. Gibt es in der Ausbildung Unterschiede zu Deutschland? Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, dass ich meine Ausbildung in der Schweiz als erstklassig empfunden und unglaub- lich davon profitiert habe. Denn es gab eine sehr starke Praxisori- entierung. Bereits in der Ausbildung haben wir ständig mit Mann- schaften gearbeitet. In der Praxis entwickelst du dich am nachhal- tigsten weiter – unabhängig von der Altersklasse. Für mich ist es genauso spannend, die Arbeit des Trainerteams mit dem Bundesliga- Kader zu verfolgen, wie ein U-13-Spiel zu sehen. Ich weiß, dass ich immer dazu lerne. Verlangst du das auch von deinen Spielern? In Deutschland trainieren außer ihnen etwa 2.000 hochqualifizierte Jugendliche mit dem gleichen Ziel: Profi zu werden. Daher erwarte ich von meinen Jungs, dass sie über den Tellerrand hinausblicken und sich vielleicht auch bei anderen Sportarten und Sportlern etwas abschauen. In meiner Trainerausbildung haben wir mit Trainern aus unterschiedlichsten Sportarten gesprochen und deren Ansätze ken- nengelernt. Das setzt kreative Prozesse in Gang und bringt einen nach vorne. Gibt es eine spezielle Sportart, aus der du viel lernst? Interessant ist der Mix. Wenn man sich mit einem Eishockey- oder einem Basketball-Trainer unterhält, dann ist das spannend, weil man Gemeinsamkeiten erkennt, aber auch Inspiration für seine Arbeit erhält. Ich habe beispielweise viel aus dem Gespräch mit einem Eis- kunstlauftrainer mitgenommen: eine völlig andere Sportart, bei der sehr viel Psychologie im Spiel ist. Wie wichtig ist Kreativität? Kreativität wird im Fußball immer wichtiger. Im Spitzenfußball be- herrschen die Teams die Basics und die Grundorganisation auf dem Feld. Somit wird es schwieriger, das eigentliche Ziel des Spiels zu erreichen: Tore zu erzielen. Hinzu kommt, dass es aufgrund des technologischen Fortschritts immer weniger Geheimnisse gibt. Da- her wird es immer entscheidender, dass Spieler auf dem Platz mehr als nur einen Matchplan haben. Kreativität bedeutet, dass ich den Weg ändern kann. Kreativität benötigt Freiheit, aber auch Struktur. Ich kann kreativ sein, darf aber zugleich nicht wild und ungeordnet sein. Mir ist sehr viel daran gelegen, meinen Spielern die Möglich- keiten zu geben, ihr eigenes Spektrum an Kreativität zu erweitern. Es gibt demnach bei jedem Spieler einen anderen Weg, da jeder Kreati- vität anders interpretiert? Nur der individuelle Lernweg in Verbindung mit dem Team wird ei- nen Spieler dahin bringen, wo wir ihn am Ende haben wollen: in die Bundesliga. Interview: Marcel Kuhnt

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