Ausschussmitglieder oder auf Dritte erfolgen
39
. Dies kann –
auch unter Haftungsgesichtspunkten – dann sinnvoll sein, wenn
bestimmte Ausschussmitglieder oder Dritte u¨ber Spezialkennt-
nisse und besondere Erfahrung verfu¨gen, die bei dem delegieren-
den Ausschussmitglied nicht in dem Umfang vorhanden sind.
So betont etwa das OLG Rostock, dass fehlende Sachkunde der
Ausschussmitglieder nicht vor einer Haftung schu¨tzt und ver-
weist darauf, dass ggf. sachkundige Hilfe herangezogen werden
mu¨sse
40
.
§ 69 Satz 2 InsO, der gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO
auch im vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss Anwendung findet,
sieht ausdru¨cklich vor, dass die Kassenpru¨fung auf außenstehen-
de Dritte delegiert werden kann. Dies bietet sich insbesondere in
Großverfahren mit einer Vielzahl von Zahlungsbewegungen an,
die sinnvollerweise durch eine Wirtschaftspru¨fungsgesellschaft
kontrolliert werden sollten.
b) Arbeitsteilung innerhalb des Gla¨ubigerausschusses
Innerhalb des Gla¨ubigerausschusses ist eine Arbeitsteilung
durch Delegation von Aufgaben an einzelne Ausschussmitglie-
der nicht nur mo¨glich
41
, sondern in Anbetracht der ha¨ufig um-
fangreichen Kontrollaufgaben auch praktisch angezeigt. Trotz
Zula¨ssigkeit der internen Aufgabendelegation bleiben die
Pflichten gesetzlich jedem einzelnen Mitglied auferlegt, sodass
sich zur Vermeidung einer Haftung jedes Mitglied u¨ber die Ta¨-
tigkeit der anderen Mitglieder informieren und durch Kontrol-
len sicherstellen muss, dass diese ihre Aufgaben gewissenhaft
ausfu¨hren
42
. Das OLG Celle fu¨hrt zum Haftungsmaßstab bei
interner Aufgabenverteilung aus, dass sich der Gla¨ubigeraus-
schuss von der Richtigkeit der delegierten Pru¨fung u¨berzeugen
muss; die Bestellung eines Mitglieds fu¨r eine bestimmte Auf-
gabe entbindet die u¨brigen nicht von der Pflicht, sich um die
Durchfu¨hrung und das Ergebnis der Pru¨fung zu ku¨mmern
43
.
Die Verletzung dieser Kontrollpflicht kann ebenso zur Haftung
fu¨hren wie die Verletzung der U¨ berwachungspflicht selbst
44
.
Eine arglistige Ta¨uschung z. B. u¨ber die Erfu¨llung von U¨ ber-
wachungspflichten durch Gla¨ubigerausschussmitglieder gegen-
u¨ber einem einzelnen Gla¨ubigerausschussmitglied kann aller-
dings das Verschulden des einzelnen Gla¨ubigerausschussmit-
glieds entfallen lassen
45
.
c) Zula¨ssigkeit der Delegation auf Nicht-Gla¨ubiger
Ob und wie Gla¨ubigerausschussaufgaben u¨ber eine Delegation
innerhalb des Gla¨ubigerausschusses und u¨ber den Anwen-
dungsbereich des auf die Kassenpru¨fung beschra¨nkten § 69
Satz 2 InsO hinaus auf Dritte delegiert werden du¨rfen, ist weit-
gehend ungekla¨rt und wird in der Praxis nicht einheitlich ge-
handhabt. § 67 Abs. 3 InsO erlaubt fu¨r den Gla¨ubigerausschuss
im ero¨ffneten Verfahren ausdru¨cklich, dass Mitglieder auch
Personen sein ko¨nnen, die nicht selbst Gla¨ubiger sind. Folglich
ist eine Delegation der Interessenvertretung der Gla¨ubiger auf
Dritte im ero¨ffneten Verfahren ohne Weiteres mo¨glich. Der die
Einsetzung des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses normierende
§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO verweist jedoch nur auf Abs. 2
des § 67 InsO, nicht auf dessen Abs. 3. Ferner besagt § 21
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO, dass Mitglieder des vorla¨ufigen
Gla¨ubigerausschusses Personen sein ko¨nnen, die erst mit Ero¨ff-
nung des Insolvenzverfahrens Gla¨ubiger werden. Im Umkehr-
schluss bedeutet dies, dass Nicht-Gla¨ubiger nach dem Willen
des Gesetzgebers nicht Mitglieder des vorla¨ufigen Gla¨ubiger-
ausschuss werden sollen. Warum jedoch Nicht-Gla¨ubiger die
Interessen der Gla¨ubigergesamtheit im vorla¨ufigen Gla¨ubiger-
ausschuss nicht wahrnehmen sollen, ist nicht nachzuvollziehen.
Gerade sachkundigen Dritten wird eine neutrale Interessenver-
tretung ha¨ufig leichter fallen als unmittelbar betroffenen Gla¨u-
bigern. Auch Gewerkschafter, die nicht selbst Arbeitnehmer
und damit Gla¨ubiger des schuldnerischen Unternehmens sind,
ko¨nnen nicht Mitglieder des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses
werden, was im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG verfassungs-
rechtlichen Bedenken begegnet. Schließlich kann der Umstand,
dass die Mitglieder des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses vom
Gericht bestellt werden und nicht wie die Mitglieder des Gla¨u-
bigerausschusses im ero¨ffneten Verfahren in der Gla¨ubigerver-
sammlung gewa¨hlt werden, nicht ausschlaggebend sein. Zum
einen ko¨nnen Insolvenzgerichte nach § 67 Abs. 1 InsO vor der
ersten Gla¨ubigerversammlung einen Gla¨ubigerausschuss einset-
zen, auf den § 67 Abs. 3 InsO Anwendung findet, sodass auch
Nicht-Gla¨ubiger vom Insolvenzgericht zu Ausschussmitgliedern
bestellt werden ko¨nnen. Zweitens ist die Gla¨ubigereigenschaft
leicht manipulativ herzustellen. So kann z. B. ein Gla¨ubiger
einen Teil seiner Forderung (gleichgu¨ltig wie gering dieser Be-
trag auch ist) auf einen Dritten u¨bertragen, der sodann als
Gla¨ubiger zum Mitglied des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses
bestellt werden ko¨nnte.
Um der unsachgema¨ßen Beschra¨nkung auf Gla¨ubiger bei vor-
la¨ufigen Gla¨ubigerausschu¨ssen zu begegnen, empfehlen sich
großzu¨gige Vertretungsregelungen in Gescha¨ftsordnungen fu¨r
vorla¨ufige Gla¨ubigerausschu¨sse. So lassen bereits viele Insolvenz-
gerichte zu, dass sich zu Mitgliedern des vorla¨ufigen Gla¨ubiger-
ausschusses bestellte natu¨rliche oder juristische Personen, die
Gla¨ubiger des Schuldnerunternehmens sind, von bestimmten
Personen umfassend vertreten lassen.
Zwar fu¨hrt die Delegation von Ausschussaufgaben im Wege
einer Vertretung durch Dritte nicht zu einer vollsta¨ndigen Be-
freiung von Haftungsrisiken fu¨r den Gla¨ubiger, der sich zum
Ausschussmitglied hat bestellen lassen. Das Gla¨ubigeraus-
schussmitglied haftet fu¨r das Verschulden seines Vertreters nach
§ 278 BGB
46
. Die Einschaltung eines fachkundigen Vertreters
reduziert jedoch die Wahrscheinlichkeit der Erfu¨llung von Haf-
tungstatbesta¨nden. Zudem ko¨nnte das vertretene Ausschuss-
mitglied bei seinem Vertreter im Fall der Fa¨lle Regress neh-
men.
4. Selbstauflo¨sung des Ausschusses
Eine schnelle Selbstauflo¨sung des Ausschusses, etwa unmittelbar
nach einstimmiger Wahl einer bestimmten Person zum vorla¨ufi-
gen Verwalter oder Sachwalter, kann nicht zur Vermeidung von
Haftungsrisiken aus § 71 i. V. mit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a In-
sO eingesetzt werden, da eine Selbstauflo¨sung des vorla¨ufigen
Gla¨ubigerausschusses gesetzlich nicht vorgesehen ist. Gesetzlich
vorgesehen ist nach § 70 i. V. mit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a
39
Uhlenbruck
, a.a.O. (Fn. 19), § 69 Rdn. 2;
Delhaes
, a.a.O. (Fn. 33), § 69
Rdn. 7.
40 OLG Rostock, ZInsO 2004 S. 814 (816).
41
Ku¨bler
, in: Ku¨bler/Pru¨tting/Bork, InsO, 51. Erg.-Lfg., Stand 11/2012, § 69
Rdn. 25 bis 33;
Uhlenbruck
, a.a.O. (Fn. 19), § 68 Rdn. 16.
42 BGH-Beschluss vom 20. 12. 1977 – X ZB 2/77, BGHZ 71 S. 153; OLG Rostock,
ZInsO 2004 S. 814 (815);
Delhaes
, a.a.O. (Fn. 33), § 69 Rdn. 6;
Wroblewski
,
AuR 2012 S. 188 (193).
43 OLG Celle, Beschluss vom 17. 9. 2008 – 4 W 53/08, ZIP 2009 S. 933 (934);
a¨hnlich bereits OLG Rostock, ZInsO 2004 S. 814 (815).
44
Pape/Schmidt
, ZInsO 2004 S. 955 (957); bejahend OLG Celle vom 17. 9.
2008, a.a.O. (Fn. 43).
45
Uhlenbruck
, a.a.O. (Fn. 19), § 71 Rdn. 9;
Ku¨bler
, a.a.O. (Fn. 41), § 71
Rdn. 14.
46 RGZ 152 S. 125 (128);
Ku¨bler
, a.a.O. (Fn. 41), § 71 Rdn. 15;
Ganter
, a.a.O.
(Fn. 35), S. 121 (134);
Cranshaw
, ZInsO 2012 S. 1151 (1154).
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Wirtschaftsrecht
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