Ärztekammer
Nordrhein
Jahresbericht 2012
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In Memoriam
zelne Ärztin und der einzelne Arzt Rationie-
rungsentscheidungen in der Praxis oder am
Krankenbett treffen muss. Dies zerstört das
Vertrauen zwischen Arzt und Patient, denn
die Patienten erwarten zu Recht, dass die
Ärztinnen und Ärzte medizinische Versor-
gungsnotwendigkeiten vor ökonomisches
Denken setzen. Wir dürfen die Kolleginnen
und Kollegen mit dieser Problematik nicht
alleine lassen und müssen deshalb auf ei-
ner offenen Auseinandersetzung bestehen.
(1999)
Im ärztlichen Alltag lässt sich die Ratio-
nierung nicht mehr verbergen. Da stehen die
Ärztin und der Arzt ganz allein in ihrer Er-
klärungsnot; andere Verantwortliche sind
dann weit und breit nicht mehr zu finden.
So kann das nicht bleiben. (2005)
Gerechte Verteilung von
medizinischen Leistungen
Ich weiß, dass ich mit meinen Ausführun-
gen zur Priorisierung ein Tabu gebrochen
habe – und zwar das Tabu, das unbegrenzte
Leistungsversprechen der Politik nicht in
Frage zu stellen. Aber wenn wir nicht mehr
die ausreichenden Mittel für die Versorgung
der Patienten bekommen, wenn also der jet-
zige Mangel von der Politik zementiert wird,
dann müssen wir einfach offen und ehrlich
reden und zu gerechten Verteilungsmecha-
nismen kommen. (2009)
Bürokratisierung und Schematisierung
Es muss wieder um Patientenbehandlung,
um Krankenbetreuung gehen und nicht um
Krankheitsverwaltung. (2003)
Noch mehr Dokumentation und noch
mehr Schematisierung der Medizin halten
wir einfach nicht mehr aus. (2003)
Das Ärztliche in der Medizin, das also,
was über das Wissenschaftliche hinausgeht,
was bedingt ist durch Erfahrungen, Zuwen-
dung und gegenseitiges Vertrauen, droht im
Standardisierungwahn mancher Programm-
ideologen unterzugehen. Das dürfen wir
nicht zulassen. (2002)
Ökonomisierung
Bedingt durch die Mär von der Kosten-
explosion gibt es die politische Vorgabe der
völligen Durchökonomisierung des Gesund-
heitswesens. Die christlich-abendländische
Tradition verpflichtet uns Ärztinnen und
Ärzte zu Mildtätigkeit, Zuwendung und
Barmherzigkeit, gerade auch dann, wenn
die Menschen in einer schwierigen Ein-
kommenssituation sind. Das darf uns nicht
durch pure Ökonomisierung zerschlagen
werden. (2002)
Sterbehilfe und ärztlich assistierter Suizid
Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und
auch auf einen würdigen Tod – nicht aber
das Recht, getötet zu werden. Ein einklag-
bares Recht auf Euthanasie hört sich zwar
nach der ultimativen Verwirklichung des
Rechts auf Selbstbestimmung an, doch ist
von da aus der Weg nicht mehr weit in eine
Gesellschaft, die den Menschen den Tod
nahe legt, wenn sie mit dem Leben nicht
mehr zurechtkommen. Es darf kein gesell-
schaftliches Klima entstehen, das Sterbehil-
fe zum Mittel der Wahl macht. (2002)
Es muss für jeden klar sein, dass Ärzte
keinen Suizid unterstützen dürfen, denn Tö-
ten gehört nicht in das Handwerkszeug von
Ärztinnen und Ärzten. (2011)
Professor Dr. med.
Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe
*
24.10.1940
in Thorn (Weichsel)
7.11.2011
in Köln
Präsident der Ärztekammer Nordrhein
von 1993 bis 2011
Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages
von 1999 bis 2011
Berufspolitischer und beruflicher Werdegang
Früh bereits hat Jörg-Dietrich Hoppe sich in der innerärztlichen Politik und der Ge-
sundheitspolitik engagiert. Er war Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-
Westfalen/Rheinland Pfalz (1976 bis 1991) und Bundesvorsitzender des Marburger
Bundes (1979 bis 1989), dessen Ehrenvorsitzender er seither war.
Ab Ende der 1980er Jahre konzentrierte Hoppe sich auf die Arbeit in der Ärzte-
kammer und festigte hier seinen Nimbus als Integrationsfigur der Ärzteschaft.
Seit 1975 war er Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, von Juni 1993 bis zu
seinem Tod deren Präsident.
Ein möglichst geschlossenes Auftreten der gesamten Berufsgruppe hielt Hoppe
schon allein deshalb für erforderlich, weil sonst die politischen Einflussmöglich-
keiten schwinden. Bei Interessengegensätzen zwischen Klinikärzten und nieder-
gelassenen Ärzten sowie zwischen Hausärzten und Fachärzten war er als Anwalt
eines fairen Interessenausgleichs bereits breit akzeptiert, als er im Juni 1999 beim
102.
Deutschen Ärztetag in Cottbus erstmals für das Amt des Präsidenten der
Bundesärztekammer kandidierte – und trotz starker Konkurrenz auf Anhieb
74
Prozent der Delegiertenstimmen erhielt. Zweimal wurde Hoppe dann mit noch
deutlicheren Mehrheiten in seiner Stellung als Spitzenvertreter der Ärzteschaft
bestätigt. Im Jahr 2011 kandidierte er nicht erneut.
Hoppe räumte in seiner 12-jährigen Amtszeit – neben den gesundheitspolitischen
Themen – ethischen und medizinisch-juristischen Grundsatzfragen des Arztberufes
einen hohen Rang ein. Trotz seines Strebens nach Ausgleich und Harmonie scheute
er sich nicht, in Zeiten der heftigen Auseinandersetzungen über den Kurs der
Gesundheitspolitik auf beharrliche und gelegentlich provokante Art das Recht des
einzelnen Patienten auf eine gute gesundheitliche Versorgung einzufordern.
Er prangerte Budgetierung und heimliche Rationierung an und stellte sich in
Berlin an die Spitze von Großdemonstrationen des von ihm geförderten „Bündnis
Gesundheit 2000“, eines breiten Zusammenschlusses aller Gesundheitsberufe.
Jörg-Dietrich Hoppe wurde am 24. Oktober 1940 in Thorn/Weichsel als Sohn eines
Studiendirektors geboren. Als Kind musste er mit den Eltern aus der Heimat fliehen
und besuchte nach der Volksschule das St. Michael-Gymnasium in Münstereifel,
später das humanistische Gymnasium in Köln-Mülheim. Anschließend studierte er
Medizin an der Universität zu Köln. 1968 erhielt Hoppe seine ärztliche Approbation;
1975
wurde er Facharzt für Pathologie sowie Arzt für Allgemeinmedizin. Er war
dann als Oberarzt am Pathologischen Institut der Städtischen Krankenanstalten
Solingen tätig.
Von 1982 bis 2006 leitete Hoppe als Chefarzt das Institut für Pathologie der
Krankenhaus Düren gGmbH, danach arbeitete er dort als niedergelassener Patholo-
ge im Institut und in der Praxisgemeinschaft für Pathologie. Als Lehrbeauftragter
unterrichtete er seit 1987 am Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln,
seit 1994 war er Honorarprofessor an der Medizinischen Fakultät.
Im Jahr 2002 verlieh ihm die rumänische Universität für Medizin und Pharmazeutik
Victor Babes“ in Timisoara einen Doktortitel ehrenhalber.