Gutachtliche Entscheidungen

Urologie Harnleiter-Arterien-Fistel − ein fachübergreifender Notfall und/oder zu vermeiden, ohne zusätzliche Schädigun- gen zu verursachen. Dies kann durch Maßnahmen am betroffenen Harnleiter, durch Maßnahmen an der betroffenen Arterie oder durch eine kombinierte Vor- gehensweise erreicht werden. Bei Eingriffen am Harn- leiter sollte die zugehörige Niere unbedingt geschont werden. Zielführend sind dabei: eine Fistelung der be- troffenen, zumeist gestauten Niere und − nach erfolg- reicher Versorgung der Arterienläsion − eine Resektion und Rekonstruktion des betroffenen Harnleiterseg- ments nach den gegebenen Erfordernissen durch eine Harnleiter-Reanastomose oder eine Harnblasen-Lap- penplastik. Bei Eingriffen an der Arterie, insbesondere der Arte- ria iliaca communis, muss eine primäre oder sekun- däre Durchblutungsstörung des zugehörigen Beins vermieden werden. Ob bei Eingriffen an der Arterie eine offene oder eine endovaskuläre Vorgehenswei- se vorteilhafter ist, ließ sich bei einer retrospektiven Analyse nicht klären. In zahlreichen (etwa 30) Ver- öffentlichungen der vergangenen Jahre wurde jedoch die interventionelle Einlage eines intraarteriellen Ge- fäßstents als die aussichtsreichste Methode der Wahl beschrieben und empfohlen. Allerdings besteht hierbei ein erhöhtes Infektionsrisiko. Nach Angaben der Lite- ratur betrug die Sterblichkeit von Patienten mit einer Harnleiterarterienfistel ohne Intervention 58 Prozent, bei alleiniger oder kombinierter urologischer oder gefäßchirurgischer Behandlung sechs bis elf Prozent und bei endovesikaler Stent-Einlage nach kurzfristiger Beobachtungszeit nahezu null Prozent. Gutachterliche Beurteilung Angesichts der arteriellen Blutung aus der rechten Harnleitermündung und dem sich hieraus ergebenden Verdacht auf eine Harnleiter-Arterien-Fistel ist den behandelnden Urologen im vorliegenden Falle vorzu- werfen, dass sie es versäumten, bei der Diagnostik und bei der Therapie die klinikeigene Gefäßchirurgie von vorne herein konsiliarisch und kooperativ zu beteili- gen (mangelnde Organisation). Dies erfolgte erst nach frustraner Bildgebung (CT, Angio-CT, DSA), allerdings ohne die indizierte Provokationsarteriographie (man- gelnde Befunderhebung) und zudem nach rechtssei- tiger Nephrektomie (wobei es auch an der Indikation für den Eingriff fehlte). Bei der notfallmäßigen Harn- leiternachresektion ließ sich die Gefäßfistel darstellen. Nachdem der gefäßchirurgische Fistelverschluss etwa fünf Wochen später − möglicherweise durch eine In- fektion − insuffizient wurde, blieb die notfallmäßige Revisionsoperation wegen des zwischenzeitlichen Blutverlustes letztlich erfolglos. Der komplikations- reiche Verlauf hätte sich wohl abwenden lassen, wenn die uretero-arterielle Fistel frühzeitig festgestellt und mittels Stent-Einlage sachgerechter behandelt worden wäre. Professor Dr. med. Volkmar Lent und Professor Dr. med. Josef Hannappel sind Stellvertretende Geschäftsführende Kommissions- mitglieder und Vorsitzender Richter am Landessozial- gericht a.D. Rötger von Alpen ist Stellvertretender Vorsitzender der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein. LITERATUR [1] Luther B, v Lilian-Waldau V, Mamopoulos A, 2014. Die uretero-arterielle Fistel − Ursachen, Diagnostik und Thera- pieergebnisse. Aktuell Urol 45: 204-208 [2] Luther B, Lent V, 2015. Harnleiter-Arterien-Fistel: Ein ‚ge- fäßchirurgischer Notfall. CHAZ 16: 209-214 Gutachtliche Entscheidungen | 115

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