Gutachtliche Entscheidungen

114 | Gutachtliche Entscheidungen Urologie Harnleiter-Arterien-Fistel − ein fachübergreifender Notfall Am 14. Mai erfolgten eine Urethrozystoskopie und ein Wechsel der Harnleiterkatheter. Nach Entfernung des rechtsseitigen Katheters trat erneut eine starke Blutung auf, die nach der Schienung sistierte. Bei an- haltender Blutung konnte am 21. Mai weder bei der Ureterorenoskopie noch durch eine retrograde Uretero- graphie eine Klärung der Blutungsursache herbeige- führt werden. Es erfolgte die Einlage eines dickeren Doppel-J-Katheters Charr. 9. In Folge des Blutverlustes waren Erythrozyten-Transfusionen erforderlich. Am 23. Mai wurde der Harnröhrendauerkatheter entfernt. Die Patientin wurde am 25. Mai entlassen. Noch am selben Tag wurde die Patientin bei erneuter akuter Blutung notfallmäßig wieder stationär auf- genommen. Zunächst erfolgten eine erneute Spülka- thetereinlage und eine Erythrozyten-Transfusion (bei Hämoglobin von 8,1 mg/dl und Kreatinin 2,64 mg/l). Die für den 29. Mai geplante lumbale Nephrektomie wurde wegen anhaltender Blutung notfallmäßig vor- gezogen: In der Nacht vom 27. zum 28. Mai musste eine Notfall-Laparotomie durchgeführt werden, zudem er- folgte eine Ureternachresektion rechts. Hierbei stellten die behandelnden Ärzte eine Läsion der Arteria iliaca communis rechts fest. Die Läsion wurde übernäht. Durch den beigezogenen Allgemeinchirurgen erfolgte zusätzlich die Übernähung einer Darmläsion. In der Folgezeit stellte sich eine tiefe Beinvenenthrombose links ein. Nach effektiver Heparinisierung über 14 Tage konnte dann die Patientin auf Marcumar ® umgestellt werden. Am 16. Juni wurde die Patientin bei zufrieden- stellender Erholung entlassen (Blutwerte: Hämoglobin 7,9 g/dl, Kreatinin 2,21 mg/dl, Quick 23 Prozent). Am 20. Juni kam es zu einer erneuten akuten Blu- tung aus der Operationswunde und zu einem hämor- rhagischen Schock. Nach notärztlicher Reanimation zu Hause (über insgesamt etwa 60 Minuten) erfolgte dann eine sofortige Laparotomie mit Venen-Patch-Plastik der Arteria iliaca communis rechts (bei Nahtinsuffizi- enz mit spritzender Blutung) durch den beigezogenen Gefäßchirurgen sowie außerdem die Versorgung von Darmverletzungen. Am 22. Juni wurden planmäßig die Bauchtücher entfernt, gleichzeitig wurden Darm- defekte (bei Insuffizienzen) übernäht. Etwa drei Wochen später kam es nach dem Absetzen der Analgosedierung und konstantemAusbleiben einer Aufwachreaktion zur Feststellung eines schwerstgra- digen hypoxischen Hirnschadens. Nach eingehender Erörterung mit den Angehörigen und Berücksichti- gung der Patientenverfügung beschränkten sich die Behandler auf palliative Maßnahmen. Am 12. Juli ver- starb die Patientin. Zur Diagnostik einer Harnleiter-Arterien-Fistel Die Erkennung einer Harnleiter-Arterien-Fistel ergibt sich: 1. aus der Anamnese einer Tumoroperation und/oder Strahlentherapie der Bauch- und Beckenorgane be- ziehungsweise einer Erkrankung oder Operation der Bauch-/Beckengefäße, 2. aus der Anamnese einer Harnleiter-Dauer- katheterung, 3. aus dem klinischen und/oder zystoskopischen Befund einer arteriellen pulsierenden Blutung aus einem Harnleiter, 4. aus der fehlenden Darstellung durch bildgebende Methoden, 5. aus der arteriellen Kontrastmitteldarstellung einer Arterien-Harnleiter-Fistel. Wenn bei einer Harnblutung klinisch und/oder urethro- zystoskopisch eine arterielle pulsierende Blutung be- obachtet wird, so liegt die Diagnose einer Harnlei- ter-Arterien-Fistel mangels anderer Ursachen derart nah, dass daran nicht zu denken behandlungsfehler- haft ist. Demgegenüber ist die diagnostische Sicherung durch bildgebende Verfahren wie eine Computertomo- graphie, eine Angio-Computertomographie oder eine digitale Subtraktions-Angiographie − neben dem Aus- schluss oder Nachweis anderer oder auslösender Ursa- chen − wenig hilfreich, da diese oftmals nicht verläss- lich sind. Lediglichmit der Provokations-Angiographie (bei einem Flow > 3 ml/sec.) oder − wo diese nicht ver- fügbar ist − mit einer Provokations-Ureterographie (bei Ballonblockade), bei denen ein entsprechender Fluss- gradient zwischen den kommunizierenden Systemen aufgebaut wird, kann die Fistel meistens dargestellt werden. Da hierbei das Risiko einer verstärkten Blu- tung besteht, sollte allerdings ein dementsprechendes Notfallmanagement vorbereitet sein. Die Behandlung einer Harnleiter-Arterien-Fistel hat zum Ziel, die lebensbedrohliche Blutung zu stillen

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