Gutachtliche Entscheidungen

Gutachtliche Entscheidungen | 21 Allgemeinmedizin Indikation Die Diagnose „Grippaler Infekt“ lässt eine Verordnung eines Antibiotikums nicht zu. Unter Berücksichtigung der Befunderhebung am 27. Oktober ist allerdings der Hinweis auf eine entzündliche Veränderung der oberen Atemwege einschließlich eines vergrößerten Lymph- knotens dokumentiert worden, sodass möglicher- weise die Indikation für eine antibiotische Behand- lung gegeben sein konnte. Es wurden gemäß der Do- kumentation der Behandlung an diesem Tag aber kei- ne Befunde erhoben, die für eine komplizierte Infekti- on der oberen Luftwege gesprochen hätten und die den Einsatz des Reserveantibiotikums Ciprofloxacin hät- ten rechtfertigen können. Auch wurden keine weiteren diagnostischen Maßnahmen ergriffen, die eine kom- plizierte Infektion etwa durch laborchemische Dia- gnostik (Rachenabstrich oder CRP-Schnelltest) oder durch Erregernachweis ermöglicht hätten. Die Ver- ordnung von Ciprofloxacin war damit nicht indiziert. Keine Aufklärung über Nebenwirkungen und Alternativen Anlässlich der Verordnung des Antibiotikums hätte der Patient über die möglichen Nebenwirkungen des Medikaments und alternative Behandlungsmöglich- keiten mündlich aufgeklärt werden müssen. Da eine dahingehende Aufklärung nicht dokumentiert ist und vom Patienten bestritten wird, ist davon auszugehen, dass die gebotene Aufklärung nicht stattgefunden hat und damit die Einwilligung des Antragstellers in die Behandlung unwirksam ist. Gesundheitsschaden Ein durch den Behandlungsfehler mit praktischer Ge- wissheit verursachter Gesundheitsschaden war aller- dings nicht feststellbar. Die Beweislast trägt insoweit der antragstellende Patient. Die von ihm beklagten Be- schwerden wie Juckreiz mit Atembeschwerden, Schlaf- störungen und Beschwerden imHandgelenk sind zwar grundsätzlich Nebenwirkungen, die unter der Einnah- me des Antibiotikums Ciprofloxacin auftreten können. Die beklagten Nebenwirkungen sind aber nicht belegt. Ein kausaler Zusammenhang der beklagten Handge- lenksbeschwerden mit der Einnahme von Ciprofloxa- cin ist nach Auffassung der Gutachterkommission eher unwahrscheinlich. Er konnte durch die zeitnah durch- geführte MRT-Untersuchung nicht bestätigt werden. Ein durch den Behandlungsfehler verursachter Ge- sundheitsschaden war damit nicht feststellbar. Fall 2 Im zweiten Fall hatte sich eine 75-jährige Patientin am 14. Februar 2015, einem Samstag, nachmittags in der Notfallambulanz einer Internistischen Klinik mit ko- likartigen Oberbauchschmerzen vorgestellt und wurde dort stationär aufgenommen. EinärztlicherAufnahme- befund ist nicht dokumentiert. Laut der Pflegedokumen- tation meldete sich die Patientin abends mit erneuten Koliken. Am anderen Tag wurden typische Beschwer- den eines grippalen Infektes geäußert, diemit Paraceta- mol effektiv behandelt werden konnten. Der an diesem Tag erhobene serologische Test zum Nachweis von In- fluenzaviren zeigte am selben Tag ein positives Ergeb- nis für Influenza A-Viren. Mehrfach gemessene Tem- peraturerhöhungenwurden jeweils mit physikalischen Maßnahmen und weiter mit Paracetamol behandelt. Die ärztliche Dokumentation weist für den 15. Febru- ar einen lokalen Druckschmerz im rechten Oberbauch sowie Husten und bronchitische Rasselgeräusche aus. Am 16. Februar wird von der Patientin gelblicher Aus- wurf angegeben und es erfolgt eine Laborkontrolle. Auf Anordnung des Chefarztes sollte bei Anstieg des CRP Amoxiclav  ® verabreicht werden, was dann ab dem Abend des 16. Februar erstmalig geschah. Wegen einer allergischen Hautreaktion fand am 17. Februar eine Umstellung auf 2 x 500 mg/Tag Levofloxacin (Tava- nic  ® ) statt. Notiert wurde, dass die Patientin Levoflo- xacin „bisher gut vertragen habe“. Die Patientin wurde über die Umstellung des Antibiotikums auf Tavanic  ® unterrichtet. Das Antibiotikum wurde bis zur Entlas- sung am 23. Februar verabreicht. Die Laborunter- suchungen zeigten auch im Verlauf keine Erhöhung der Leukozyten. Der CRP-Wert war von 1,2 mg/dl auf 7,7 mg/dl (normal < 0,5 mg/dl) angestiegen. Nach der Entlassung trat am 10. März bei der Patientin eine akute Achillessehnenruptur auf, die operativ versorgt wurde. Die Antragsgegner wiesen den Behandlungsfehlervor- wurf und die Aufklärungsrüge zurück. Die Patientin sei gemäß der im Zeitpunkt der Behandlung maßgeb- lichen S3-Leitlinie der AWMF behandelt worden, die bei Keine Indikation zur Gabe eines Fluorchinolons

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