Gutachtliche Entscheidungen

Allgemeinmedizin [1] Daneman N et al. Fluoroquinolones and collagen associa- ted severe adverse events: a longitudinal cohort study. BMJ Open. 2015;5(11):e010077 [2] Lee CC et al. Risk of Aortic Dissection and Aortic Aneurysm in Patients Taking Oral Fluoroquinolone. JAMA Intern Med. 2015;175(11):1839–1847 [3] Pasternak B et al. Fluoroquinolone use and risk of aor- tic aneurysm and dissection: nationwide cohort study. BMJ. 2018;360:k678 [4] Feldmeier G, Altiner A, Böhmer F. Angemessenheit von Antibiotikaverordnungen in der Primärversorgung am Bei- spiel akuter Atemwegsinfekte. Arzneimittelverordnung in der Praxis. Band 45, Heft 3, Juli 2018 [5] Seemann W et al. Neue Daten zum Risiko von Aortenaneu- rysmen und -dissektionen unter der Gabe von Fluorchinolo- nen. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1/2017:3- 11 [6] BfArM. Risikobewertungsverfahren. Fluorchinolone: Schwe- re und langanhaltende Nebenwirkungen im Bereich Muskeln, Gelenke und Nervensystem. 16.11.2018; https:// www.bfarm. de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/ RV_STP/a-f/fluorchinolone-bewegungsapparat.html; Zugriff am 15.10.2018 LITERATUR Gutachtliche Entscheidungen | 23 feststellbar und wird von der Patientin bestritten. Da- mit war auch hier die Einwilligung der Patientin in die Behandlung unwirksam. Eine Teilursächlichkeit der nicht indizierten und da- mit fehlerhaften Behandlung für die Achillessehnen- ruptur wurde unter Berücksichtigung des bekannten Risikos der Sehnenruptur insbesondere bei älteren Patienten und der zeitnah nach der Einnahme von Levofloxacin aufgetretenen Ruptur von der Gutachter- kommission bestätigt. Nach den Erfahrungsgrund- sätzen der medizinischen Wissenschaft sei von einem typischerweise durch den Behandlungsfehler (mit-) verursachten Gesundheitsschaden auszugehen, sodass nach Überzeugung der Kommission insoweit ein Grad der Gewissheit vorlag, der Zweifeln Schweigen gebot, ohne sie völlig auszuschließen. Wirkspektrum Fluorchinolon Bei den in den beschriebenen Fällen verwendeten Ciprofloxacin und Levofloxacin handelt es sich um Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone (sog. Gyrasehemmer), die über eine ausgeprägte antibakte- rielle Aktivität und ein breites Wirkspektrum bei oraler sowie parenteraler Darreichung verfügen. Gerade im Bereich der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde entfalten sie große Bedeutung, weil es die Möglichkeit einer oralen TherapiederimBereichderoberenLuftwegenichtselte- nen Infektionenmit Pseudomonas aeruginosa eröffnet. Darüber hinaus besitzen Fluorchinlone eine sehr gute Wirksamkeit gegen Haemophilus influenza, Entero- bacteriaceae, Meningokokken und Gonokokken. Auch Staphylococcus aureus, Pneumokokken, Streptokok- ken, Enterokokken, Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen zeigen sich empfindlich gegenüber Fluor- chinolonen. Bereits im Jahr 2008 wurden Warnungen zur Anwen- dung von Fluorchinolonen im Rote-Hand-Brief veröf- fentlicht. Die beschriebenen Bedenken und Erfahrun- gen bei der Verordnung der Fluorchinolone sind seit 2015 in zahlreichen Veröffentlichungen, zum Beispiel auch im Deutschen Ärzteblatt am 16. Mai 2016 bekannt gemacht worden. Diese sollen demnach aufgrund ihrer zwar seltenen, aber möglichen und schwerwiegenden Nebenwirkungen trotz ihres breiten Wirkungsspek- trums nur als Reserveantibiotikum betrachtet und ein- gesetzt werden. Die EMA (EuropeanMedicine Agency) hat auf Initiative des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte im Februar 2017 für Antibioti- ka aus der Gruppe der Fluorchinolone ein Verfahren eingeleitet, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis neu zu bewerten. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung für die Behandlung von weniger schwerwiegenden In- fektionen wie beispielsweise einer akuten bakteriellen Sinusitis, einer akuten Exazerbation oder einer chro- nischen Sinusitis oder chronischen Bronchitis oder bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Dr. med. Werner Jörgenshaus und Professor Dr. med. Johannes Köbberling sind Stellvertretende Geschäftsführende Kommissions- mitglieder, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht a.D. Dr. jur. Peter Lange ist Stellvertretender Vorsitzender und Dr. med. Beate Weber ist die für die Dokumentation und Auswertung zuständige Referentin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein. Keine Indikation zur Gabe eines Fluorchinolons

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