Gutachtliche Entscheidungen

24 | Gutachtliche Entscheidungen Anästhesiologie Anästhesiologisch relevante Verfahren in der Geburtshilfe Das Fachgebiet der Geburtshilfe gehört mit einem Antragsaufkommen von 15 bis 20 jährlich zu den Disziplinen, mit denen die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein selten zu tun hat, insbesondere im Ver- gleich zur Unfallchirurgie/Orthopädie, Allgemein- chirurgie oder zur Inneren Medizin. Allerdings sind die Schadensummen des ärztlichen Behandlungsfeh- lers eines geburtshilflichen Großschadens mit schwe- rer Behinderung des Kindes mit Schmerzensgeld und Versorgungsansprüchen beträchtlich und liegen meist im hohen Millionenbereich. Die Geburtshilfe liegt da- bei im Schnittpunkt interdisziplinärer Zusammenar- beit mit Anästhesie, Innerer Medizin und nicht zuletzt der Neonatologie. Im Rahmen einer Vortragsanfrage haben wir die Be- gutachtungen aufgearbeitet, in denen sowohl die An- ästhesie wie die Geburtshilfe in das Verfahren einbezo- gen waren. Die Gesamtzahlen der Begutachtungen der Gutachterkommission Nordrhein im Fünf-Jahres-Zeit- raum vom 1.1.2014 bis 31.12.2018 sind in der T abelle 1 dargestellt. Von den Gesamtanträgen betrafen 195 (2,4 Prozent) die Geburtshilfe (ohne Schwanger- schaftsbetreuung); in 23 Fällen (0,3 Prozent) waren auch Vorwürfe gegen die Anästhesie erhoben wor- den. Während die Behandlungsfehler-Quote in der Ge- burtshilfe mit 31,3 Prozent in etwa dem Durchschnitt der Verfahren entsprach, lag sie in der Anästhesie mit lediglich 17,4 Prozent deutlich darunter. Interessant erschien es uns aber dennoch, eine genauere Betrach- tung der Einzelfälle und eine Analyse der Schwer- punkte bei den Anschuldigungen und Behandlungs- fehlern vorzunehmen. Reanimation des Neugeborenen In zwei Fällen wurde die Erstversorgung des Neugebo- renen durch den Anästhesisten von den Antragstellern gerügt. In einem Fall lag eine fehlerhaft nicht erkann- te oroösophageale Fehlintubation vor, die erst in der Folge durch den eintreffenden Neonatologen beseitigt wurde. Das bereits mit einer schweren Asphyxie ge- borene Kind wurde hierdurch zusätzlich geschädigt. Im zweiten Fall war ein Kind nach unzureichender Überwachung nach Unterwassergeburt geboren wor- den, wobei die nachfolgende Reanimation ordnungs- gemäß erfolgte. Der Behandlungsfehler wurde dem Geburtshelfer zugeordnet. Die Versorgung des Neugeborenen ist in der interdis- ziplinären S1-AWMF-Leitlinie 087/011 zur strukturel- Anträge in der Geburtshilfe mit Einbeziehung der Anästhesie sind eher selten. Schwerpunkte der Beanstandungen finden sich bei Regionalanästhesien und postpartalen Blutungen, insbesondere im Zusammenhang mit einer Sektio- entbindung. Obwohl ärztliche Behandlungsfehler selten vorliegen, unterstreichen die Anträge mit oft tragischem Ausgang die Notwendigkeit interdisziplinärer Handlungsanweisungen in den Kliniken und eines regelmäßigen Notfalltrainings, um die Gefahrensituationen sicher zu beherrschen. von Friedrich Wolff, Ludwig Brandt und Beate Weber Tabelle 1: Verfahren mit Vorwürfen zur Anästhesie bei der Geburt und im Wochenbett Zeitraum 1.1.2014 – 31.12.2018 n Anteil in % v. n davon Fehler bejaht BF-Quote % Gesamtzahl der Gutachten 8.181 100,0 2.465 30,1 Verfahren mit Vorwürfen zu Geburt und Wochenbett 195 2,4 61 31,3 davon auch Anästhesie betreffend 23 0,3 4 17,4

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