Gutachtliche Entscheidungen

al 2009 ) gilt das Gleiche, auch geht immer Zeit verlo- ren: Über eine Erblindung während des Wartens auf das Biopsie-Ergebnis berichtet Koorey 1984 . Auch in einer hochauflösenden MRT-Untersuchung kann der Befall der Temporalarterien dargestellt werden. Aber keines der Verfahren ergibt Hinweise darauf, wann eine AION auftreten wird. Riesenzellarteriitis aus augenärztlicher Sicht Die AION (anteriore ischämische Opticus-Neuro- pathie) stellt eine Katastrophe dar, oft führt sie inner- halb weniger Stunden zur Erblindung, die häufig mit einer Latenz von wenigen Tagen auch das zweite Auge betrifft. Sie kann mit hoher Wahrscheinlichkeit durch eine initial sehr hoch dosierte Corticosteroid-Behand- lung verhindert werden, wenn diese vor den ersten Zei- chen einer Sehstörung erfolgt. Es gibt unterschiedliche Angaben zur erforderlichen Dosierung, aber es wird durchgehend in der Literatur darauf hingewiesen, dass zur Verhinderung der Augenkomplikationen sehr hohe Steroid-Dosierungen erforderlich sind, höher als in der üblichen Therapie von Krankheiten, die eine Cortisontherapie erfordern (sog. initiale oder Lang- zeit-Standardtherapien), auf die Diskussion in Ness et al 2013/2014 hierzu wird verwiesen. Font et al (1997) berichten über Erblindung eines Auges unter einer so- genannten Standard-Steroid-Therapie. Empfehlung: Einleitung der Behandlung mit einer Megadosis-Therapie (Stoßtherapie) über wenige Tage, zum Beispiel 1000 mg Prednisolon i.v. je Tag, verteilt auf zwei bis vier Einzelgaben (Savino und Sergott 1999, Wilhelm und Schiefer 2004, Ness et al 2013/2014), dann Dosisreduktion je nach Verlauf der Laborparameter (BSG, CRP) auf in der Langzeitbehandlung übliche (sog.) Standardwerte. Aus augenärztlicher Sicht bestehen zwei Zeitfenster, in denen man die Erblindung noch verhindern kann: Vom Beginn der Schmerzsymptomatik bis zur Er- blindung des ersten Auges (Dauer: oft Wochen). Von da an bis zur Erblindung des zweiten Auges (Dauer: nur wenige Tage). Typische Fehlermuster: 1. Nichtbeachtung der Anamnese und Verharmlosung der Kopfschmerz-Symptomatik, 2. Nichtbeachtung der Aussagekraft der Entzündungs- parameter BSG/CRP in Verbindung mit der Schmerz- Symptomatik, 3. halbherzige Steroid-Behandlung. Nachfolgend das Beispiel eines 77-jährigen Patienten, das sämtliche der genannten Fehler zeigt: Zeitfenster 1 15. Februar: Erstvorstellung Hausarzt. Unwohlsein, Kopfschmerzen. Therapie: Antibiotikum, Ibuprofen. 22. Februar: Hausarzt: Weiterhin Schmerzen, Sub- febrile Temperaturen, Antibiotikum verordnet. 25. Februar: HNO-Ärztin. Weiterhin starke Kopf- schmerzen. Untersuchung: Geröteter Rachen. Thera- pie: Ibuprofen, Halstabletten, Gelomyrtol. 1. März: HNO-Arzt (gleiche Praxis). Patientenangabe: Anhaltende Kopfschmerzen. Hinweis auf prominente Schläfenarterie (nicht als Anamnese dokumentiert). Befund: Rachenrötung. Therapie: Imupret-Tbl, Rinopret-Nasenspray. 7. März: HNO-Arzt: Symptome unverändert, Untersu- chung idem. Zeitfenster 2 9. März: Sehstörung (Schleier) links – kein Arztbesuch 10. März: Sehen links subjektiv noch schlechter. Au- genärztlicher Notdienst: Rechts Katarakt, links kein pathologischer Organ-Befund, Visus ccs 0,8. 11. März: Auf eigene Initiative Notaufnahme Kranken- haus – Innere Medizin. Verdachtsdiagnose der Ambu- lanzärztin: Arteriitis temporalis. Besprechung mit OA: Stat. Aufnahme („falls BSG hoch, 70 mg Prednison iv/ Tag“). BSG 73/79, CRP 15,8 mg/dl. Augenkonsil: Dringender Verdacht auf Arteriitis tem- poralis, Therapie: Cortison, keine Dosierungsangaben. Ausgeführte Therapie: 70 mg Prednison iv/Tag. Ergebnis: Beide Zeitfenster geschlossen 12. März: Links Erblindung, rechts beginnende Seh- störung. Kopfschmerzen im Alter: An die gefährliche Riesenzellarteriitis denken 34 | Gutachtliche Entscheidungen Augenheilkunde

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=