Gutachtliche Entscheidungen

38 | Gutachtliche Entscheidungen Fehlende Sicherungsaufklärung ist ein Behandlungsfehler In den beiden vergangenen Jahren hat sich die Gut- achterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein mit den Anträgen zweier Patienten befasst, die ihrem jeweiligen Arzt für Au- genheilkunde Behandlungs- und Aufklärungsfehler bei der Behandlung eines Glaukoms vorwarfen. Die Ärzte seien ihrer Pflicht zur Information ihrer Patien- ten nicht oder nur unzureichend nachgekommen, weil sie nicht eindringlich auf gebotene Kontrolluntersu- chungen hingewiesen hätten. Insbesondere hätten sie nicht deutlich gemacht, dass erhebliche Gesundheits- gefahren drohen, wenn die Kontrollen nicht oder nicht rechtzeitig erfolgen. Jedenfalls, so die Vorwürfe der Patienten, hätten die Ärzte die Information unzurei- chend dokumentiert. Verletzung der Informationspflicht ist Behandlungsfehler Vorab muss klargestellt werden, dass ein Arzt, der die ihm obliegenden Informationspflichten verletzt, einen Behandlungsfehler begeht. Die Rechtsprechung, aber auch maßgebliche Stimmen der juristischen Literatur, sind inzwischen dazu übergegangen, eine Verletzung der Informationspflichten auch so zu bezeichnen. Die bis zum Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes im Frühjahr 2013 übliche Bezeichnung der Verletzung einer Pflicht zur „Sicherungsaufklärung“ soll nun nicht mehr verwendet werden, weil es sich bei der Si- cherungsaufklärung um die Information des Patienten und nicht um eine Risikoaufklärung oder um eine the- rapeutische Aufklärung handelt. Die Bezeichnung der Verletzung einer Informationspflicht als Verletzung der Sicherungsaufklärung könnte zu der Annahme verleiten, die Pflichtverletzung sei ein Aufklärungs- fehler und der Arzt müsse darlegen und beweisen, dass er die ihm obliegende Aufklärungspflicht erfüllt habe. Eine Verletzung der ärztlichen Pflicht zur Si- cherungsaufklärung oder besser, eine Verletzung der ärztlichen Pflicht zur Information des Patienten, stellt jedoch keinen Aufklärungsfehler, sondern einen Be- handlungsfehler dar, den der Patient darlegen und be- weisen muss. Information des Patienten dokumentieren Ein weiteres juristisches Problem ist in diesem Zusam- menhang, ob und in welchem Umfang der Arzt die Er- füllung der ihm obliegenden Informationspflicht do- kumentieren muss. Hierauf geben die §§ 630 a – h BGB die Antwort. In § 630f Abs. 2, S. 1 BGB heißt es: „Der Behandelnde ist verpflichtet, [...] sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Be- handlung wesentlichen Maßnahmen und deren Er- gebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnis- se, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärun- gen.“ Der Gesetzgeber suggeriert mit dieser Regelung, dass diese Norm Ärztinnen und Ärzte nur verpflichte, me- dizinische Vorgänge zu dokumentieren, und dass die Dokumentationspflicht keine Beweisregelung sei. Ge- nau das ist falsch. Indem der § 630f BGB auch vor- schreibt, dass Einwilligungen und Aufklärungen do- kumentiert werden müssen, verlässt das Gesetz diese Vorgabe, denn Einwilligungen und Aufklärungen sind keine „aus fachlicher Sicht für die Behandlung wesentlichen Maßnahmen“, weil sie medizinisch be- deutungslos sind. Bei den eingangs erwähnten Anträgen kam die Gut- achterkommission nur im zweiten der beiden nachfol- gend vorgestellten Fälle zu dem Schluss, dass ein Be- handlungsfehler des Augenarztes vorlag. Ärztinnen und Ärzte haben eine Informationspflicht sowie die Pflicht, die Aufklärung des Patienten zu dokumentieren. von Dieter Friedburg und Lothar Jaeger Augenheilkunde

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