Gutachtliche Entscheidungen

Gutachtliche Entscheidungen | 57 Verkennen einer Vulvaneoplasie wegen fehlender Inspektion Im Ausdruck der Karteikarte des erstbelasteten Gynä- kologen heißt es am 15. November: „Gesichert Fluor vaginalis. Gesichert routinemäßiger Papanicolaou-Ab­ strich der Zervix“. Unter Befund heißt es: „Gespräch, Magenprobleme seit drei Monaten. SD-Werte sind kon- trolliert worden. Nach Absetzen der Pille Hormonwerte kontrolliert im Klinikum, waren imWesentlichen o.k. Min. Androstendion, möchte Nuvaring (sonst Valette vom Klinikum). Hat erhöhte Leberwerte, von Pille ab- geraten. US aktuell negativ, kontrolliert. Chlamydien waren negativ, alle Geschlechtskrankheiten negativ. Uterus normal groß, anteflektiert, Adnexe palpato- risch frei. Portio originär. PAP nativ Clue cells, Amin- kolpitis, Amintest positiv“. Dokumentiert ist „Rezep- tur von Arilin® (Metronidazol) sowie von Gynophilus®. (Lactobacillus Casei Rhamnosus), PAP II“. In seiner Stel- lungnahme gibt der Gynäkologe an, die Patientin habe am 15. November nicht über Juckreiz berichtet. Vielmehr wäre die Diagnose der bakteriellen Vaginose ein Zufalls- befund aufgrund des Nativpräparates gewesen. Bei der Wiedervorstellung am 27. Januar wurde doku- mentiert: „Gesichert Dysmenorrhoe. Gesichert Kon- zeptionsverhütung“. Am 12. Februar lautete es weiter: „Pilzinfektion, gegangen wegen Wartezeit 1 Std. ohne festen Termin. Rezeptur Kadefungin®“. Die Doku- mentation am 25. März vermerkte: „Krebsvorsorge. Gesichert Fluor vaginalis. Nuvaring. Rezept Arelin®“. Als Befund wurde schriftlich festgehalten: „Mammae palpatorisch frei, Uterus normal groß, Adnexe palpato- risch frei, nativ Clue cells, Portio originär. PAP. Gesi- cherte bakterielle Vaginose“. In seiner Stellungnahme verneint der belastete Gynäkologe eine Klage oder ein Hinweis auf Juckreiz am äußeren Genitale zu diesem Zeitpunkt. Es hätten keinerlei Auffälligkeiten im Be- reich des äußeren Genitales vorgelegen. Vom nicht beschuldigten Gynäkologen wurde die Pa- tientinam2.Oktoberuntersucht.Dokumentiertwurde: „Patientin kommt zur Vorsorgeuntersuchung, letzte Periode 07.09.2014. Zyklus regelmäßig. Befund: Abdo- men weich, ohne Abwehrspannung, Leisten beidseits fest, keine Lymphknoten palpabel. Vulva leicht gerötet, leichte Schwellung im Bereich des hinteren Introitus (DDKratzspuren/Kondylom), Vagina unauffällig, Por- tio glatt, Uterus normal groß, anteflektiert, mobil, nicht dolent. Adnexe beidseits palpatorisch unauffäl- lig. Douglas frei, ohne Resistenzen. Mammae beidseits bei ähnlich gelagerten Fällen bestätigt, davon bei drei Carcinoma in situ-Veränderungen und zwei Vulva- karzinomen mit Prognoseverschlechterung. Sachverhalt Die 32-jährige Patientin gibt an, dass sie am 15. No- vember 2013 mit juckenden Beschwerden im Intim- bereich und einem starken Ausfluss den behandeln- den Gynäkologen aufgesucht habe. Wegen der langen Wartezeit habe sie ohne ärztliche Untersuchung ein Rezept für eine Lokaltherapie erhalten. Es sei aber nur eine vorübergehende Besserung eingetreten, sodass sie sich am 12. Februar und am 25. März erneut vor- gestellt habe. Der Arzt habe von einer Entzündung ge- sprochen, die mit einem Schnupfen vergleichbar sei. Dies sei nichts Schlimmes und komme häufiger vor. Bedingt durch einen Umzug habe sie dann trotz Fort- bestehens der Symptomatik erst verzögert einen zwei- ten Gynäkologen aufgesucht, der die Beschwerden mit ihrem Nuvaring in Verbindung gebracht habe. Es seien Gynophilus® (Lactobacilus casei rhamnosu) und Ovestin® (Estriol) verordnet worden. Bei ausbleibender Besserung habe sie am 2. Oktober einen dritten Arzt aufgesucht, der sofort eine offene Stelle erkannt und mittels einer Salbe behandelt habe. Beim Kontrollter- min wäre dann eine Operation vereinbart worden, die am 17. Dezember ein „Carcinoma in situ (VIN III)“ er- bracht habe. Ihrer Ansicht nach hätte die fortgeschrit- tene Neoplasie frühzeitiger erkannt und behandelt werden können. Die belasteten Gynäkologen weisen den Behandlungs- fehlervorwurf zurück. In den Ambulanzunterlagen des zweitbelasteten Gynäkologen ist unter dem 11. Sep- tember 2014 ein Untersuchungsbefund dokumentiert. Es heißt: „Ausfluss, Geruch, Juckreiz. Dysmenorrhoe vor 4 Jahren. Syphilis bei Blutspende. Döderlein“. Die weitere handschriftliche Eintragung ist nicht zu ent- ziffern. Der zytologische Abstrichbefund im Rahmen der Krebsfrüherkennung ergab einen PAP I. In seiner Stellungnahme gibt der Arzt an, dass die Patientin sich nur dieses eine Mal bei ihm vorgestellt habe. Es habe sich bei liegendem Nuvaring im Nativpräparat eine un- spezifische intravaginale Entzündung gefunden, es sei der Einsatz von lokalenÖstrogenen empfohlenworden. Bei Fortbestehen der Beschwerden sei eine Wieder- vorstellung angeraten worden, die nicht erfolgt sei. Gynäkologie

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