Gutachtliche Entscheidungen

Gutachtliche Entscheidungen | 61 Gynäkologie Befunderhebungsfehler vor der Verordnung von Kontrazeptiva klagte nun starke menstruationsbedingte Unterleibs- schmerzen mit sehr starken Blutungen. Vermutlich zur Behandlung der Dysmenorrhoe rezeptierte der Frauenarzt eine hormonale Kontrazeption mit einem Kombinationspräparat mit 0,03 mg Ethinylestradiol und 2 mg Dienogest pro Tablette als Tagesdosis. Eine Blutdruckmessung erfolgte nach der Karteikarte nicht. Ein weiterer Arzt-Patienten-Kontakt fand in der Folge- zeit nicht statt. Vor der Gutachterkommission war Gegenstand der Be- urteilung, ob über alternative Behandlungsmöglich- keiten und über Risiken einer Östrogen-Gestagen-The- rapie gesprochen worden war. Dokumentiert war dies nicht. In seiner Stellungnahme gab der Frauenarzt an, er habe das von ihm als gering eingestufte Thrombo- serisiko angesprochen; die Familienanamnese und die Gerinnungsfaktoren seien unauffällig gewesen. Die Patientin gab hierzu an, sie habe keine patientenorien- tierte Aufklärung erhalten und über die Risiken und Studien zum Zeitpunkt der Verschreibung nichts er- fahren. Als Erstanwenderin sei sie im Umgang mit der „Pille“ unerfahren. Am 1. Dezember 2015 stellte sich die Patientin als Not- fallpatientin beim beschuldigten Antragsgegner zu 2a (Internist) wegen einer Schwindelsymptomatik seit dem 27. November und am 3. Dezember wegen einer Umfangsvermehrung des rechten Beins sowie Luft- not beim Treppensteigen vor. Neben einer Kompres- sionssonographie, die laut Dokumentation bis zum Adduktorenkanal keine Thrombose nachgewiesen habe, erbrachte der D-Dimere-Test das Ergebnis von 325 Mikrogramm je Liter. Der Vortrag der Patientin, sie habe den Internisten auf die erst kürzlich erfolgte Einnahme der „Pille“ hingewiesen, findet in der Pra- xisdokumentation keinen Niederschlag und wird von dem Arzt auch in Abrede gestellt. Er gab in seiner Stel- Tabelle 1: Fehlende Befunderhebung in den unter Feststellung eines Behandlungsfehlers abgeschlossenen Begutachtungen der Gutachterkommission Nordrhein der Jahre 2014 bis 2017 Zeitraum 1.1.2014 –31.12.2017 n Anteil in % v. n Anteil in % v. n 2007–2013 Gesamtzahl der Begutachtungen 6.849 100,0 100,0 Unter Feststellung eines Behandlungsfehlers abgeschlossene Verfahren 2.032 29,7 30,7 1. mit unterlassener Befunderhebung 941 13,7 15,6 2. sogenannte „Befunderhebungsfehler“ (BEF) 414 6,0 2,8 mit Beweiserleichterungen (BE) 168 2,5 0,8 Fehlende Befunderhebung in allen Verfahren im Einzelnen (Mehrfachnennung, max. 4 Fehler/Verfahren) Fehler- anzahl 1.260 in % v. n=6.849 in % v. n=10.166 Bildgebung 469 6,8 7,3 Untersuchung 305 4,5 6,6 Labor 171 2,5 2,6 Konsil 74 1,1 1,4 Abstrich 68 1,0 0,4 Biopsie 47 0,7 0,8 Diag. Spiegelung (Broncho-, Gastro-, Kolo- und Zystoskopie) 43 0,6 0,5 Anamnese 29 0,4 0,7 Andere 54 0,8 0,6

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