Gutachtliche Entscheidungen

76 | Gutachtliche Entscheidungen Innere Medizin [1] Riphaus A, Wehrmann T, Weber B, Arnold J, Beilenhoff U, Bitter H, et al. Sedierung in der gastrointestinalen Endosko- pie. Z Gastroenterol 2008;46:1298-1330. [2] Schmeck-Lindenau HJ. Qualitätshandbuch der gastrointes- tinalen Endoskopie. DÄV Köln 2003:178-181 [3] Dörges V, Paschen HR (Hrsg). Management des schwie- rigen Atemwegs. Springer, Berlin 2004; Krier C, Georgi R (Hrsg). Airway-Management – Die Sicherung der Atemwege. Thieme, Stuttgart 2001 [4] SchälteG,RexS,HenslerD. Atemwegsmanagement.Anaes- thesist 2007;56:837-857 [5] DAS-Guidelines 2007 bzw. Überarbeitung 2015 https://www.das.uk.com/guidelines/das_intubation_guide- lines Prof. Dr. med. Ludwig Brandt ist Stellvertretendes Geschäftsführendes Kommissionsmitglied und Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D. Rainer Rosenberger ist Stellvertretender Vorsitzender der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein. LITERATUR Die Notfallkoniotomie kann Leben retten kann, erfolgen können muss. Jeder im Atemwegs­ management geschulte und weitergebildete Arzt muss, zumindest theoretisch, jeden Schritt des Algorithmus beherrschen und im Notfall auch eine Koniotomie durchführen können. Das Argument, dass die bei der Reanimation anwesenden Ärzte wohl keine Konio- tomie-Erfahrung hatten, hat in diesem Zusammen- hang kein Gewicht: die wenigsten Ärzte haben Er- fahrung mit der praktischen Durchführung einer Koniotomie. Und dennoch muss sie in der Cannot- intubate-cannot-ventilate-Situation ohne Zeitverzöge- rung durchgeführt werden. Denn die Alternative ist der Hirntod oder der definitive Tod des Patienten. Auch die veränderte Halsanatomie des Patienten kann nicht als Grund für die unterlassene rechtzeitige Koniotomie gelten: Bei bereits durch äußere Inspek- tion sichtbar veränderter Anatomie sah die behan- delnde Ärztin keinen Anlass, sich Gedanken über eventuell auftretende Atemwegsprobleme zu machen. Sie musste also der Überzeugung sein, im Notfall bei dem Patienten auch eine Koniotomie durchführen zu können. Tatsächlich gestaltete sich die Koniotomie vollkommen unproblematisch, wie im OP-Bericht der HNO-Klinik berichtet wird: „Es zeigt sich ein schlan- ker Hals mit sichtbarer Kehlkopfstruktur“. Ein Foto des Patienten zeigt anschaulich, dass die knorpeligen laryngotrachealen Strukturen eindeutig unmittelbar unter der Haut des voroperierten Halses zu identifizie- ren waren. Zusammenfassend wird festgestellt, dass der erhobene Vorwurf ärztlicher Behandlungsfehler berechtigt ist. Es liegt ein grober ärztlicher Behandlungsfehler vor. Wäre der Patient nach dem gültigen medizinischen Standard behandelt worden, d. h. nach dem Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat, wäre mit praktischer Gewissheit der irreversible hypoxische Hirnschaden zu vermeiden gewesen. Die Vorgehensweise ist bei einer erwartet/unerwar- tet schwierigen Intubation zum Beispiel in den Guide- lines der „Difficult Airway Society“ aus dem Jahr 2007 geregelt und in Algorithmen gefasst [5]. Wie aus den Akten hervorgeht, konnte der Patient weder intubiert noch mit einer Maske suffizient be- atmet werden. Nach den in den Algorithmen festge- legten Maßnahmen hätte die verantwortliche Endo­ skopikerin wie folgt vorgehen müssen: Nach dem frustranen Versuch einer laryngoskopischen Intubation – evtl. auch einem zweiten Versuch – hätte der Versuch einer supraglottischen Atemwegssiche- rung folgen müssen. Da dieser in der entscheidenden Ablaufdokumentation nicht erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass er nicht erfolgte. Nach Scheitern auch dieses Versuchs und der fehlenden Möglichkeit einer suffizienten Maskenbeatmung hätte der Patient unmittelbar koniotomiert werden müssen. Dass dies nicht geschah, muss als grober ärztlicher Behand- lungsfehler gewertet werden. Notfall-Koniotomie Die Notfall-Koniotomie ist ein jederzeit und überall durchzuführendes Verfahren, das an jedem Arbeits- platz, an dem es zu Atemwegsproblemen kommen

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