Gutachtliche Entscheidungen

Gutachtliche Entscheidungen | 93 Neurologie Behandlungsfehlervorwürfe bei verwirrten oder bewusstseinsgestörten Krankenhauspatienten LITERATUR das tatsächliche Vorkommen solcher Störungen ablei- ten. Vielfach „versteckten“ sich die im Gutachten berich- teten Bewusstseinsstörungen im Vorwurf einer nicht erfolgten Ursachenabklärung oder einer Zustandsver- schlechterung während des Aufenthaltes. Während die Vorwürfe über eine unzureichende De- kubitusprophylaxe in etwa einem Drittel und bei im Krankenhaus aufgetretenen Stürzen in etwa einem Fünftel der Vorwürfe bestätigt wurden, wurden im Zusammenhang einer Bewusstseinsstörung mit einer Fixierung nur in zwei Fällen und bei einer sedierenden Medikation keine Behandlungsfehler bejaht. Durch besondere Aufmerksamkeit und verstärkte Bemühun- gen zur Verhinderung einer Bewusstseinsstörung in den Kliniken sowie durch konsequente Beachtung des novellierten PsychKG ist zu hoffen, dass die Häufigkeit von Behandlungsfehlern in diesem Bereich weiter zu- rückgeht. Nicht erkannte Überwachungsnotwendigkeit Bei einem 78-jährigen Patienten erfolgte bei einem postoperativen Delir nach einer schwierigen Hüft- endoprothesenoperation mit OP-Dauer von über fünf Stunden keine Überwachung, sodass er stürzte und eine Luxation auftrat. Fehlerhafte Fixierung Bei einem nach frischem Apoplex desorientierten, de- menten 80-jährigen Patienten musste mehrfach wegen deliranter Unruhe mit Bettflüchtigkeit überwiegend nachts eine Fixierung erfolgen. In Anwesenheit seiner Ehefrau wurde trotz deren beruhigend wirkendem Einflusses ihrer ausdrücklichen Bitte nicht entspro- chen, die Fixierung beim Abendbrot und „Wasserlas- sen“ zu lösen, was als fehlerhaft bewertet wurde. Bei einer mit schweremDelir eingelieferten 81-jährigen Patientin mit akuter hypertensiver Entgleisung und V. a. akutes Koronarsyndrom war eine primäre Fixie- rung der Hände erforderlich. Obwohl das Fixierungs- protokoll nicht ausreichend ausgefüllt war, wurde die Fixierung als solche gutachterlich als sachgerecht be- wertet. Allerdings stürzte die mit Diazepam sedierte Patientin am zehnten Behandlungstag im Anschluss an eine Linksherzkatheteruntersuchung vom Kathe- tertisch, obwohl vier Personen im Raum anwesend waren. Neben diesem Organisationsverschulden kam es im Weiteren zu einer Verletzung des Selbstbestim- mungsrechts der Patientin, weil die Fixierung ohne Not fortgesetzt wurde. Fazit Bewusstseinsstörungen wie Delir, sogenanntem „Durch- gangssyndrom“ oder Verwirrtheit werden bislang in den vor der Gutachterkommission Nordrhein geführ- ten Begutachtungsverfahren nur selten explizit vorge- worfen. Hieraus lassen sich aber keine Angaben über [1] Kratz T, Heinrich M, Schlauß E, Diefenbacher A. Präven- tion des postoperativen Delirs. DÄ Int 2015; 112 (17):289- 96 [2] Bünemann M, Baumeister M, Thomas Ch. Delir – wenn man zeitweise verwirrt ist. DÄ 2013; 110 (21): 1038 - 1039 [3] Lorenzi S, Füsgen I, Noachtar S. Verwirrtheitszustände im Alter. DÄ 2012; 109 (21): 391 -401 [4] Berndt Ch. Schlangen im Kopf. SZ 16.8.2017 [5] Prütting Wegen Weinreich/Schmidt-Kessel. BGB, 9. Auf- lage, § 278 Rn 19. [6] BGH NJW 1991, 3208, 3210. [7] Gouzoulis-Mayfrank E, Otten M. Das neue Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten in NRW. RÄ 2017 (3): 17-18 [8] Fuchs C. Die Zulässigkeit von Patientenfixierungen. Vor- trag unter http://www.aerztenetz-bad-berleburg.de/images/ zulaessigkeit_von_ patientenfixierungen.pdf [9] https://www.ukm.de/index.php?id=demenzsensibles-kh [10] https://de.wikipedia.org/wiki/Werdenfelser_Weg Professor Dr. med. Johannes Köbberling ist Stellvertretendes Geschäftsführendes Kommissionsmitglied, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D. Rainer Rosenberger ist Stellvertretender Vorsitzender und Dr. med. Beate Weber ist die für die Dokumentation und Auswertung zuständige Referentin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein.

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