Gutachtliche Entscheidungen

94 | Gutachtliche Entscheidungen Die Arthroskopie: Operationsroutine versus Routinefehler Deutschlandweit werden allein am Kniegelenk mehr als 400.000 Arthroskopien pro Jahr in Kliniken, Ope- rationszentren und Praxen, ambulant oder stationär, durchgeführt (A Q UA-Vorbericht 2014) . Eine hohe Ex- pertise kann aufgrund dieser Zahlen und der geübten Routine angenommen werden. Dennoch gelingen die Eingriffe nicht unbedingt fehlerfrei. Statistik Eine zusammenhängende Statistik der in Deutschland anhängigen oder abgeschlossenen Verfahren zum Vor- wurf von Behandlungsfehlern existiert derzeit (noch) nicht. Allgemein geschätzt werden etwa 50.000 Arzt- haftungsverfahren pro Jahr in Deutschland geführt. Die Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums fällt deutlich höher aus: Sie liegt zwischen 40.000 und 170.000 im Jahr 2014. Wissenschaftlich belastba- re Zahlen fehlen, da es zu Mehrfachbegutachtungen bei den verschiedenen Institutionen kommt, die nicht aufgeschlüsselt werden. Zudem ergeben sich Schnitt- mengen bei den Versicherern, wenn der Patient seine Ansprüche dort geltend macht. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2013 bei den Amts- und Landgerichten 10.433 Arzthaftungs- klagen bearbeitet. Bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen wurden in 2015 deutschland- weit 11.245 Verfahren abgeschlossen, darunter 7.215 mit medizinischer Prüfung der Krankenunterlagen. Hiervon wurde in 2.078 Verfahren ein Behandlungs- fehler bejaht (BF-Quote: 28,8 %). Beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) wurden im selben Jahr 12.711 Krankheitsverläufe (exclusive Zahnmedi- zin und Pflege) überprüft und 3.107 Behandlungsfeh- ler festgestellt (BF-Quote: 24,4 %). Die Zahl der Fälle, die von Versicherern direkt reguliert wurden, ist nicht bekannt. Bei der Gutachterkommission Nordrhein sind in den zurückliegenden sechs Jahren von 2010 bis 2015 ins- gesamt 9.380 Verfahren durchgeführt worden. Knie- gelenksarthroskopien wurden in 309 Verfahren über- prüft, das entspricht 3,3 Prozent der Gesamtzahl. Bezogen auf die Vorwürfe, die das Gebiet Orthopädie und Unfallchirurgie mit 2.925 Fällen (31,8 %) aller Verfahren betrafen, waren die arthroskopischen Ope- rationen mit 10,6 Prozent beteiligt. 90-mal wurde ein Fehler bestätigt, entsprechend einer Anerkennungs- quote von 29,1 Prozent. Die hauptsächlichen Erkrankungen, die zu einer Ar- throskopie führten, waren 140-mal Meniskusläsionen (Fehlerquote: 20,7 %), 85-mal eine vordere Kreuzband- plastik unter Feststellung von 42 Behandlungsfehlern (Fehlerquote: 49,4 %) und 84-mal andere Diagnosen,­ wie Arthrose, Arthrofibrose, Patella-Läsion, Osteo- chondrosis dissecans, freie Gelenkkörper mit Feststel- lung von 19 Behandlungsfehlern (Fehlerquote: 22,6 %) (Abb. Serie 1) . Diskussion und Würdigung Auffällig und gleichzeitig alarmierend ist die hohe Fehlerquote bei der Kreuzbandplastik, die als Routine- eingriff vielerorts durchgeführt wird ( T abelle 1) . Eine Indikation zu einer Vorläufer-Operation bei geplanter vorderer Kreuzbandplastik gibt es nur in Ausnahme- fällen und diese muss gesondert begründet werden. Es handelt sich um eine technisch anspruchsvolle Opera­ tion, in deren Verlauf vor allem die topographisch- anatomische Orientierung häufig zu Fehleinschät- zungen führt. Die Isometrie-Punkte müssen sorgfältig und exakt bestimmt werden, damit es nicht zu einer Fehlpositionierung des Transplantates mit folgendem Transplantatversagen kommt (Abb. Serie 2) . Gleiches gilt für die Verwendung der Fixations-Materialien, seien es Interferenzschrauben, Transfix-Stifte, Cross Pins oder Tightrope und Endobutton. Der Leidensweg des Patienten ist immer über eine lange Zeit nachzu- verfolgen mit Resektion des Transplantates, knöcher- nem Aufbau und schließlich dem Neueinzug. Obgleich die Zahl der Arthroskopien in Deutschland hoch ist, treten trotz Routine Fehler auf. Nötig ist eine eindeutige Indikationsstellung. von Michael Roesgen und Beate Weber Orthopädie und Unfallchirurgie

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