Leitfaden Kommunikation

38 Ärztekammer Nordrhein Gesprächstechniken tinnen und Experten für die medizinische Evidenz und haben Erfahrung – sie begegnen sich hier auf Augenhöhe. Das aktuelle Behandlungsziel und die zu dessen Erreichung dienlichen Behandlungsentscheidungen werden auf der Grundlage der medizinisch möglichen Optionen und geteilter Informationen von selbstbestimmten Patientinnen und Patienten festgelegt (Informed Consent / Informed Refusal), nachdem diese durch einen anspruchsvollen, emotionale und kognitive Elemente verbindenden (Elwyn 2021) Interaktionsprozess gemeinsamer Entscheidungsfindung mit der Ärztin oder dem Arzt (Shared Decision Making, auch mit „partizipative Entscheidungsfindung“ übersetzt) hierzu spezifisch befähigt worden sind. Am Ende dieses Prozesses steht eine gemeinsam verantwortete Übereinkunft der gleichberechtigten Partnerinnen und Partner über die medizinische Behandlung (Bieber et al. 2016) – oder auch der Verzicht auf Behandlung. Das Patientenrechtegesetz (§ 630 BGB) regelt, dass Patientinnen und Patienten ihre Entscheidungen wohlüberlegt treffen können. In welchen medizinischen Situationen eine gemeinsame Entscheidungsfindung angemessen umsetzbar ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Einwilligungsfähigkeit der Patientin oder des Patienten, Dringlichkeit der Entscheidung und Bedeutung der medizinischen Entscheidung für den Lebensalltag der Patientin oder des Patienten. • Bei eindeutig bewusstseinsgestörten oder desorientierten Patientinnen und Patienten tritt die fürsorgliche Entscheidung der Ärztin oder des Arztes zugunsten des vermuteten Patientenwohls an die Stelle der Entscheidung der Patientin oder des Patienten. Für solche Situationen kann der Patientenwille Berücksichtigung finden, indem die Patientin oder der Patient schon viel früher befähigt wird, sich im Voraus, also im Rahmen eines vorweggenommenen Entscheidungsfindungsprozesses (gesundheitliche Versorgungsplanung; Advance Care Planning) damit auseinanderzusetzen, Präferenzen für künftige Behandlungsentscheidungen zu benennen und ggf. wirksam in einer Patientenverfügung zu dokumentieren (Höfling et al. 2019). • Bei Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit, z. B. aufgrund einer mittelgradigen Demenz oder einer intellektuellen Beeinträchtigung, können Anpassung von Wortwahl und Gesprächsführung eine Beteiligung der Patientin oder des Patienten an der Entscheidung ermöglichen (assistierte Autonomie). • Akut lebensbedrohlich erkrankte Patientinnen und Patienten sind kognitiv und emotional häufig nur eingeschränkt aufnahme- und entscheidungsfähig. Die Ärztin oder der Arzt kann hier wegen der Dringlichkeit der Entscheidung einige Handlungsschritte der gemeinsamen Entscheidungsfindung überspringen. Eine möglichst weitgehende Information und Einbeziehung der Patientin oder des Patienten sollten im Rahmen des medizinisch Vertretbaren trotzdem versucht werden.

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