CORTISSIMO 11

CORTISSIMO 11 Wie kann unser Leben in Zukunft aussehen? Im Futurium finden Besucher seit September 2019 zahlreiche Antworten. 07 H aben Sie auch gedruckte Informationen?“ Die Frage scheint den Mitarbeiter am Infopoint zu überraschen. Schließlich befinden wir uns im Futurium. Das „Haus der Zukünfte“ ist Berlins neuester Ausstellungsort, erst Anfang September unter großemMedieninteresse eröffnet. Und die Zukunft scheint — wenn man an Star Trek , Blade Runner und andere filmische Entwürfe denkt — ohne Printprodukte auszukommen. Inhalte dauerhaft an ein Papiermedium zu binden, muss vielen Zukunftsvisionären ange- sichts des Potenzials, das interaktive Bildschirme bieten, überholt vorgekommen sein. „Gibt ja eigentlich alles online“, sagt der Mitarbeiter mit Verweis auf die Ausstellungsinhalte. Im Futurium geht es ums große Ganze, nämlich um Antworten auf die Frage „Wie wollen wir leben?“. Die Ausstellung im brandneuen Gebäude an der Spree gliedert sich in die drei „Denkräume“ Natur, Mensch und Technik. Ob Print, das multifunktionale Medium, das Museen und Galerien für Einladun- gen, Flyer, Poster oder Programmhefte nutzen, im Ausstellungs- konzept eine Rolle spielt? Von der Treppe in den ersten Stock, wo der Rundgang beginnt, fällt der Blick zurück ins Foyer. Neben dem Eingang hat die Wochenzeitung DIE ZEIT einen Stand aufgebaut. Immerhin, da liegt sie, die gedruckte Zeitung — und passt eigent- lich ganz gut in die hochmoderne Umgebung. Oben angekommen, darf sich jeder Besucher ein gechiptes Armband nehmen. Auf dem können beim Rundgang Themen digi- tal gesammelt werden. Außerdem kann man mit ihm „Zukunftsvi- sionen bewerten“, zum Beispiel die Frage, was nach dem Ableben mit den angesammelten Daten geschehen soll: Soll jede virtuelle Spur gelöscht werden? Sollen die Hinterbliebenen einen Stick mit allen Daten bekommen? Oder will man als „digitaler Avatar“ endlos leben? Die Besucher überlegen kurz, manche diskutieren miteinander, und halten dann zum Abstimmen das Armband an ein in die Wand eingelassenes Lichtobjekt, das die Farbe ändert, sobald es eine Verbindung zum Chip aufgebaut hat. Bis sie zu diesem Teil der Ausstellung kommen, haben die Be- sucher schon sehr viele Exponate gesehen: Prototypen, historische Objekte, künstlerische Installationen und digitale Inszenierungen gehören dazu. Die abwechslungsreiche Ausstellungsarchitektur solle die „Erschließung der Inhalte durch die Besucher*innen unterstützen“, erklärte der Direktor des Futuriums, Dr. Stefan Brandt. Und die schließt Printprodukte selbstverständlich mit ein — nämlich immer dann, wenn es um vertiefende Informationen geht. Auf einem bereitgestellten Tablet Augmented-Reality-Ele- mente über einer kleinen Kunststofffigur, die am Schreibtisch vor einem Monitor sitzt („digitale Nomad*innen“), anzeigen zu lassen, macht Spaß und ist interaktiv — die ausführlichere Auseinanderset- zung mit Themen wie den Arbeitsformen der Zukunft findet dann allerdings wieder im Sitzen statt. Zum Beispiel im Raum der „Zeit-Pioniere“: Das sind Menschen, die der zunehmenden Hektik des Alltags mit eigenen Ideen entge- genwirken. Objekte wie eine Sanduhr oder ein Zauberwürfel sind in Glaskästen ausgestellt, daneben hängen gestickte Konterfeis der befragten Menschen. Darunter, auf einer Sitzbank, bieten hübsch gestaltete Printhefte die Möglichkeit, in Ruhe in die Gedanken- welt der Zeit-Pioniere einzutauchen und zu lesen. In einer weite- ren Sitzecke der Ausstellung liegen andere Themenhefte aus und informieren zum Beispiel über Cohousing, Elektroschrott, Acker- bau oder vegetarische Ernährung. Bedrucktem Papier begegnet man auch in einer Art Bastel- ecke zum Thema Stadtentwicklung: Ein Berlin-Stadtplan wurde gerastert und auf DIN -A3-Bögen verteilt. Besucher nehmen sich diese Bögen und malen darauf ihre Ideen zur Verbesserung ihres Viertels oder ihres Stadtteils. Das kommt nicht nur bei den vielen Schülerinnen und Schülern gut an, die das Futurium besuchen, sondern auch bei Senioren. Im unmittelbaren Kontakt mit dem Papier scheinen die Ideen leicht zu fließen. Haben die Besucher die vielen Infowände und Exponate zu 3D-Druck, In-vitro-Fleisch, Sonnenenergie oder Robotik passiert, können sie sich am Schluss ihres Besuchs im Untergeschoss ausruhen. Hier in der „Lounge“ stehen vor den Sofas Kisten voller Bücher zu Zukunftsthemen — und die Menschen, ein wenig erschöpft vom langen Rundgang, greifen zu. Sich hinsetzen, ein Buch in die Hand nehmen, innehalten, blät- tern, schmökern, sich vertiefen — Qualitäten, die Print auszeich- nen und in Zukunft wahrscheinlich sogar noch wichtiger werden. Bevor sie sich in die Lounge setzen konnten, sollten die Be- sucher allerdings ihre Armbänder zurückgeben. Sie legten sie in eine „Zukunftsmaschine“ — und erhielten im Gegenzug ein Print- produkt: eine Karte mit individualisiertem Motiv und einer per- sönlichen Nummer. Die können sie auf der Website des Futuriums eingeben und erhalten dort Informationen zu allen Themen, die sie auf dem Rundgang gesammelt hatten. So einfach und sinnvoll lassen sich Print und Online verbinden. MIT PRINTAUGEN Moderne Ausstellungs- konzepte verbinden Druck- und Digital- medien. Zu Besuch im Berliner Futurium. DURCH DIE ZUKUNFT

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