Seite 20 - WERDER MAGAZIN Nr. 294

WERDER MAGAZIN:
Luki, du bist in der De-
mokratischen Republik Kongo, damals Zaire,
geboren. Wann sind deine Eltern mit dir nach
Deutschland gekommen?
ASSANI LUKIMYA:
Ich war acht Jahre alt, als
ich 1994 nach Berlin gezogen bin. Mein Vater
ist Musiker, durch seine Arbeit vom Kongo
über Belgien in Berlin gelandet und hat die
Familie Schritt für Schritt nachgeholt. Meine
Eltern haben sich nicht nur für sich, sondern
auch für mich eine bessere Perspektive er-
hofft, eine bessere Schulbildung. Allerdings
war ich in der Schule nie richtig gut. Ich hat-
te schon damals nur Fußball im Kopf…
Was sind deine Erinnerungen an die Zeit als
Kind im Kongo?
Leider kann ich mich vor allem an die extre-
me Armut erinnern. Wenn ich daran zurück-
denke, bin ich froh und dankbar, dass ich
hier bin und diese Karriere machen konnte.
Die Bilder aus dem Kongo haben mich ge-
prägt. Ich habe dort schon als Kind einiges
erlebt. Deswegen bin ich heute ein sehr posi-
tiver Mensch, der immer mit einem Lächeln
durch die Welt geht.
Was ist deine erste Erinnerung an Deutsch-
land?
Ich habe noch sehr gut die Landung in Ber-
lin im Kopf. Am Flughafen habe ich als ers-
tes diese riesigen Rolltreppen gesehen. So
etwas kannte ich nicht. Und ich habe mich
auch nicht getraut, sie zu benutzen
(
lacht)
.
Das war etwas ganz Neues, damit musste
ich erst mal klarkommen.
War gerade Berlin damals ein schwieriges
Pflaster für Einwandererkinder?
Als Kind fällt es einem immer leichter, sich
einzugewöhnen. Ich habe damals schnell
Freunde gefunden, mit denen ich auch heu-
te noch sehr guten Kontakt habe. Sie haben
mir geholfen, mir die deutsche Sprache bei-
gebracht. Das hat alles sehr gut geklappt.
Welche Sprachen sprichst du außer Deutsch?
Ich spreche Lingala, das ist die zweite Amts-
sprache im Kongo. Die erste ist Französisch.
Damit bin ich zwar auch aufgewachsen.
Aber ich kann es leider kaum noch. Denn als
ich nach Deutschland kam, war es meinem
Vater wichtig, dass ich die afrikanischen
Sprachen beibehalte. Deswegen haben wir
nicht mehr so oft Französisch gesprochen.
Außerdem spreche ich ein bisschen Kisuahe-
li. Das ist nicht im ganzen Kongo verbreitet,
wird aber in einigen Teilen gesprochen.
Wie groß ist deine Familie?
Ich habe zwei ältere Geschwister, einen Bru-
der, der auch hier in Deutschland lebt, und
eine Schwester, die noch im Kongo wohnt.
Sie hatte schon damals, als wir hier herge-
kommen sind, eine eigene Familie, deswe-
gen ist sie dort geblieben.
Da dürften Familientreffen eher selten sein?
Mein Vater wird am Jahresende in den Kon-
go fliegen. Ich hatte das eigentlich auch vor.
Nun geht aber die Geburt unserer Tochter
vor. Meine Freundin ist schwanger. Am 23.
Dezember soll unsere Tochter zur Welt kom-
men. Gut möglich, dass wir dann im nächs-
ten Sommer alle gemeinsam dort hinfliegen.
Das ist mir sehr wichtig. Denn ich hatte das
Glück, diesen Weg gehen zu können. Aber
deswegen vergesse ich nicht, woher ich
komme. Ich fühle mich verpflichtet, meiner
Familie zu helfen. Die Arbeitslosigkeit dort
ist extrem hoch. Und ich kann dazu beitra-
gen, dass es ihnen besser geht. Durch Klei-
nigkeiten kann man dort schon eine Menge
bewirken.
Wie bist du hier in Deutschland zum Fußball
gekommen?
Das war so, wie man es sich in Büchern
oder Filmen vorstellt
(
lacht)
.
Wir hatten am
Haus einen kleinen Hof, wo ich mit meinen
Freunden Fußball gespielt habe. Wir wohn-
ten im Erdgeschoss. Und in der vierten Etage
wohnte ein Trainer des SV Norden Nordwest
1898
Berlin. Er hat mich immer von oben
beobachtet und mich irgendwann gefragt,
ob ich Lust habe, bei ihm im Verein zu spie-
len. Da war ich ungefähr zwölf Jahre alt.
Ich habe es dann versucht, aber es hat mir
im Verein nicht gefallen. Es gab mir dort zu
viele Regeln, also habe ich wieder aufgehört.
Ein paar Jahre später habe ich dann aber ge-
merkt, dass man mit Fußball durchaus ein
bisschen Geld verdienen kann, wenn man
gut ist. Da muss ich etwa 15 gewesen sein.
Also bin ich wieder in einen Verein gegan-
gen. Und seitdem kann ich mir nichts An-
deres mehr vorstellen. Ich liebe den Fußball.
Und was gibt es Schöneres, als sein Hobby
zum Beruf zu machen...
Es hat schon nach kurzer Zeit so gut geklappt,
dass du am Ende deiner Jugendzeit zu Hertha
h
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INTERVIEW