Woher hast du die Stärke genommen, um dich
wieder nach oben zu kämpfen?
Im Fußball gibt es eben auch mal Hindernis-
se. Ich finde das gar nicht so schlimm. Denn
diese Hindernisse bringen einen weiter, stär-
ken den Charakter. Und man weiß dann,
was man wirklich will und was man dafür
tun muss.
In Düsseldorf hast du zuletzt deine wohl bes-
te Profi-Saison gespielt. Die Zeit dort endete
sehr turbulent. Wie hast du die letzten Tage
erlebt?
Es heißt ja immer, dass man aufhören soll,
wenn es am schönsten ist. In Düsseldorf traf
das auf mich zu. Ich hatte dort zwei wun-
dervolle Jahre. Es hat Riesenspaß gemacht.
Nicht viele Fußballer dürfen in ihrer Karri-
ere einen Aufstieg feiern. Aber ich wünsche
es jedem. Denn es ist eines der besten Ge-
fühle, die es gibt. Dass ich den Aufstieg mit
der Fortuna geschafft habe, kann mir keiner
mehr nehmen.
Dabei musstet ihr nach den Relegationsspie-
len, gegen deren Wertung Hertha BSC Ein-
spruch eingelegt hatte, lange zittern…
Es waren unheimlich viele Emotionen im
Spiel. Dann dieses Missverständnis, dass
die Fortuna-Fans schon vor dem Abpfiff auf
den Platz gelaufen sind. Danach wollten wir
eigentlich ausgiebig feiern, konnten das aber
nicht tun. Noch so lange Zeit das Urteil ab-
warten zu müssen, war sehr anstrengend.
Es war schon früh klar, dass du die Fortuna
verlässt. Eigentlich solltest du jetzt beim
1.
FC Köln spielen…
Mein Vertrag in Düsseldorf lief im Sommer
aus. Und ich wollte mich frühzeitig entschei-
den, wohin mein Weg führt. Als ich in Köln
unterschrieben habe, war ich davon über-
zeugt, dass der FC in der ersten Liga bleibt.
Aber komischerweise ging es danach nur
noch bergab. Das war schade, und ich habe
sehr unter der Ungewissheit gelitten. Außer-
dem waren lange Zeit Relegationsspiele zwi-
schen der Fortuna und dem FC möglich.
Durch den Abstieg des FC war dein Vertrag
dort ungültig. Wie ging es weiter?
Als das bekannt wurde, sind sofort einige
Vereine an mich herangetreten. Die Relegati-
onsspiele mit der Fortuna standen aber noch
aus. Und bei Werder hat mir gefallen, dass
die Verantwortlichen keinen Druck ausgeübt
haben. Bei anderen Vereinen hatte ich das
Gefühl, dass sie mich zu sehr bedrängt und
dadurch von meinen Aufgaben in Düsseldorf
abgelenkt haben. Werder hat mir von An-
fang an gesagt: ‚Spiel erst mal die Relegation,
danach reden wir. Denn wir wollen dich auf
jeden Fall verpflichten.‘ Das war sehr pro-
fessionell. Am Ende musste ich nicht lange
überlegen und habe hier unterschrieben.
War es auch eine Option, in Düsseldorf zu blei-
ben?
Ich hatte auch ein gutes Angebot der Fortu-
na. Aber ich weiß, dass ich noch mehr Poten-
zial habe. Ich will mich weiterentwickeln.
Und da gibt es schon einen Unterschied zwi-
schen der Fortuna und Werder. Dort ist es
das Ziel, in der Liga zu bleiben. Hier wollen
wir nach Europa.
Wie schwer ist es dir gefallen, dass du bisher
nicht häufiger auf dem Spielfeld mithelfen
konntest, dieses Ziel zu erreichen?
Es fällt mir sehr schwer. Ich freue mich na-
türlich, wenn die Jungs erfolgreich sind.
Aber gerade wenn die Ergebnisse nicht so
sind, wie wir sie uns wünschen, dann wür-
de ich gerne auf dem Platz stehen und etwas
dafür tun, damit es vielleicht anders läuft.
Zwar habe ich bisher noch nicht so viel ge-
spielt. Aber ich bin niemand, der dann tod-
unglücklich ist und sofort wieder weg will.
Ich habe mir etwas dabei gedacht, als ich
bei Werder unterschrieben habe und ich bin
überzeugt, dass ich hier eine gute Zukunft
habe. Es war schon immer meine Einstel-
lung, gerade dann, wenn es nicht optimal für
mich läuft, noch einmal eine Schippe drauf-
zulegen und mich durchzusetzen. Das habe
ich auch hier vor.
Um dich ganz darauf zu konzentrieren, hast du
zuletzt eine Einladung zur Nationalmannschaft
ausgeschlagen. Wie schwer fiel dir diese Ent-
scheidung?
Ich habe schon immer gesagt, dass das Wich-
tigste für mich der Verein ist. Hier bin ich
jeden Tag. Ich kann nur zur Nationalmann-
schaft, wenn es gut mit den Terminen im
Verein abgestimmt ist und bei dem langen
Hin- und Rückflug keine Probleme entste-
hen. Wenn ich jetzt nach Afrika geflogen
wäre, dann wäre das eine halbe Weltreise
gewesen. Ich wäre sicher etwas müde zu-
rückgekommen. Darunter hätte meine Ar-
beit bei Werder gelitten. Erst wenn ich mich
hier durchgesetzt habe, kann ich schauen,
ob ich den nächsten Schritt mache. Die Ver-
antwortlichen bei der Nationalmannschaft
verstehen das glücklicherweise. Schließlich
kann ich auch dort noch mehr helfen, wenn
ich mit regelmäßiger Spielpraxis aus der
Bundesliga hinkomme.
Drei Länderspiele für den Kongo hast du bis-
her bestritten. Welche Erinnerungen hast du
daran?
Mein erstes Länderspiel war in Paris. Aber
ich war auch schon im Kongo zu einem Län-
derspiel gegen Senegal eingeladen, habe al-
lerdings nicht gespielt. Es war ein komisches
Gefühl, wieder dorthin zu kommen. Seit ich
mit acht Jahren nach Deutschland gezogen
war, war ich nicht mehr im Kongo gewe-
sen. Die Erinnerungen waren schon recht
verblasst. Das Spiel war in der Hauptstadt
Kinshasa. Und ich hatte die Vorstellung, dass
gerade dort das Land schon weiter entwi-
ckelt sein könnte. Dass es ähnlich gute Mög-
lichkeiten wie in Deutschland gibt. Das ist
aber längst nicht der Fall. Deswegen war ich
geschockt, als ich dort hinkam. Man sieht
den Menschen die Armut an, wenn man auf
der Straße geht. Mich hat diese Reise sehr
traurig gemacht. Ich bedauere es, dass mein
Land noch nicht so weit ist. Es wird zwar
einiges versucht, aber durch die ganzen Bür-
gerkriege ist es sehr schwer. Für mich war
es beängstigend. Aber egal, wie viel Armut
herrscht und was auch immer los ist: Wenn
man dort ist, denkt man, die Menschen ha-
ben alles, was sie brauchen, so fröhlich sind
sie. Diese positive Lebenseinstellung ist der
Wahnsinn. Sie beeindruckt mich sehr.
Du bist schon seit deiner Kindheit in Deutsch-
land. Warst du überrascht, als du für das kon-
golesische Nationalteam nominiert wurdest?
Wenn man aus dem Kongo kommt, in Euro-
pa spielt, bei einem guten Club, dann ist es
klar, dass sich irgendwann jemand aus dem
Kongo meldet und der Verband dort auf ei-
nen aufmerksam wird. Es gibt nicht so viele
kongolesische Spieler im Ausland.
Hast du vor deiner Zusage darüber nachge-
dacht, ob du es irgendwann auch in die deut-
sche Nationalmannschaft schaffen könntest?
Ich könnte nie behaupten, dass ich komplett
Kongolese oder komplett Deutscher bin. Ich
bin zur Hälfte das eine und zur Hälfte das
andere. Für meine Familie war es klar, dass
m
22
WERDER MAGAZIN 294
INTERVIEW