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abei ist der 21 Jahre alte Belgier in
seinem Heimatland bereits ein Star,
steht mit anderen jungen Spielern
für den derzeitigen Aufschwung
des belgischen Fußballs und die Hoffnung
der Fans, dass die Nationalmannschaft an
frühere Erfolge anknüpfen kann. „Belgien ist
ein kleines Land. Ich kann kaum zehn Mi-
nuten unbeobachtet und unerkannt auf der
Straße gehen“, sagt De Bruyne.
Kein Wunder,
dass sich auch die belgischen
Medien um Neuigkeiten über den National-
spieler reißen. Dass dabei nicht immer alles
so wiedergegeben wird, wie es De Bruyne
gesagt hat, musste er vor einigen Wochen
leidvoll erfahren, als sein Interview in einer
belgischen Zeitung für Wirbel sorgte. Oder
vielmehr die Schlagzeilen, die daraus in
Deutschland gemacht wurden – nach mehr
oder weniger präziser Übersetzung. Prob-
leme mit der deutschen Mentalität, mit der
Eingewöhnung in Bremen und beim SV Wer-
der sowie mit Cheftrainer Thomas Schaaf
wurden ihm dabei unterstellt.
Doch genau so abgeklärt,
wie sich De Bruy-
ne trotz seines jungen Alters bereits auf dem
Spielfeld präsentiert, meisterte er auch diese
Situation, rief aus dem Trainingslager der
Nationalmannschaft bei Thomas Schaaf an
und klärte zudem alle Fans via Twitter-Mit-
teilung auf. Mit der klaren Botschaft, dass er
glücklich ist in Bremen. Die Leistungen des
Belgiers belegen das: Er glänzt als Torschüt-
ze und Vorbereiter, mit enormem Laufpen-
sum und außergewöhnlichen spielerischen
Qualitäten.
Im WERDER MAGAZIN
spricht Kevin De
Bruyne über seine britischen Wurzeln, seine
fußballerische Zukunft und den FC Chelsea,
zu dem der für ein Jahr ausgeliehene Profi
nach dieser Saison zurückkehren wird.
WERDER MAGAZIN:
Kevin, du sprichst meh-
rere Sprachen. Wie wär‘s, wenn wir das Inter-
view auf Deutsch führen?
KEVIN DE BRUYNE
:
Ich verstehe zwar
ein bisschen. Aber ich finde es sehr schwer,
Deutsch zu sprechen. Komischerweise be-
deuten einige ähnlich klingende holländische
Wörter im Deutschen genau das Gegenteil.
Neben Holländisch sprichst du hervorragend
Englisch und auch Französisch. Wie kam es
dazu?
Mein Großvater hatte einen Job, bei dem er
viel reisen musste. Viele aus meiner Familie
wurden dadurch in verschiedenen Teilen
der Welt geboren und sind auch dort auf-
gewachsen. Mein Großvater hat lange Zeit
in afrikanischen Ländern gelebt, in denen
Französisch gesprochen wird. Dann ist er
mit seiner Familie nach England gezogen.
Bei unseren Familientreffen wird haupt-
sächlich Englisch gesprochen. Und wenn
jemand mal ein Wort nicht weiß, dann wird
einfach die Sprache gewechselt und Franzö-
sisch, Holländisch oder auch mal Italienisch
gesprochen. Ich bin damit aufgewachsen
und sehr glücklich darüber. Denn wenn
man Englisch und Französisch spricht, kann
man die ganze Welt entdecken. Ich liebe es
zu reisen und interessiere mich sehr für an-
dere Teile der Erde.
War die starke Beziehung zu England ein
Grund für dich, zum FC Chelsea zu wechseln?
Nicht direkt, aber ich habe tatsächlich Ver-
wandtschaft in London und kann, wenn ich
dort bin, einfach ein Taxi nehmen und den
Nachmittag bei meiner Familie verbringen.
Ich kenne die Stadt seit meiner Kindheit.
London ist eine andere Welt, so unheimlich
groß. Dort gibt es alles. Aber man braucht
auch drei Stunden, um von einem Ende zum
anderen zu kommen. Aus Bremen kann ich
jetzt in drei Stunden zu meinen Eltern in
Belgien fahren. Und es ist für meine Familie
und Freunde einfacher, mich hier zu besu-
chen und die Spiele zu sehen.
Wann gab es zum ersten Mal Kontakt zu Wer-
der?
Schon bevor ich den Vertrag bei Chelsea un-
terschrieben habe. Es war kein direkter Kon-
takt mit mir. Aber ich wusste, dass Werder
Interesse hatte. Genk wollte damals sehr viel
Geld für mich haben, obwohl ich gerade erst
19
Jahre alt war. Chelsea hatte einen sehr gu-
ten Plan für mich – sportlich und finanziell.
Das Angebot konnte ich nicht ausschlagen.
Wie sieht dieser Plan des Clubs genau aus?
Zunächst bin ich das erste halbe Jahr auf
Leihbasis in Belgien geblieben, bei KRC
Genk. Das gab mir vergangene Saison die
Möglichkeit, in der Mannschaft, die ich
kannte, die Rückrunde genau so gut zu spie-
len wie die Hinrunde. Auch für das zweite
Jahr, das jetzt läuft, war von Beginn an eine
Ausleihe vorgesehen. Und danach ist der
Plan, dass ich zurückgehe zu Chelsea, um
dort um meinen Platz zu kämpfen. Das wer-
de ich nächstes Jahr versuchen.
Du hast sehr klar gesagt, dass es keine Chan-
ce für Werder gibt, dich weiter zu verpflichten.
Klaus Allofs hat bestätigt, dass dies den ver-
traglichen Vereinbarungen entspricht. Aber
er hat auch gesagt, dass man im Fußball nie
weiß, was alles passieren kann...
Er hat Recht. Im Fußball geht es manchmal
sehr schnell. Aber fest steht, dass ich die
Vorbereitung auf die nächste Saison wie in
diesem Jahr mit Chelsea absolvieren werde.
Die Verantwortlichen dort wissen allerdings
auch, dass es für mich das Wichtigste ist, re-
gelmäßig zu spielen. Und sollte man nach
der Vorbereitung sehen, dass ich bei Chelsea
nicht so viel zum Einsatz kommen werde,
dann wäre es sicher besser, nach einer ande-
ren Lösung zu suchen.
Welche Fähigkeiten sollen es dir ermöglichen,
dass du dich bei einem Top-Club wie Chelsea
durchsetzt?
Die Verantwortlichen dort wissen, dass
ich ein technisch guter Spieler bin, der das
schnelle Passspiel bevorzugt. Ich bin in der
Lage, mich gut in ein Team einzufügen,
mich auf die Mitspieler einzustellen. Am An-
fang war es hart für mich, dort zu trainieren
–
auf diesem hohen Niveau. Aber ich habe
mich schnell daran gewöhnt. Und ich bin ja
gerade erst 21 geworden, habe also noch vie-
le Jahre vor mir.
Welche Erfahrungen hast du bisher beim FC
Chelsea gesammelt?
Es ist eine andere Welt. Alles dort ist sehr
beeindruckend. Es ist schwierig zu erklären,
man muss es einfach selbst erlebt haben. So-
gar in Amerika, wo wir diesen Sommer wa-
ren, ist die Begeisterung für den FC Chelsea
riesengroß – und das mehrere Flugstunden
entfernt von London, unglaublich...
Es scheint, als liefe deine Karriere perfekt
nach Plan...
Ich spiele Fußball, weil ich diesen Sport liebe,
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WERDER MAGAZIN 296
INTERVIEW