E
s war der 24. Novem-
ber 1982: ein typischer
Herbsttag in Schottland,
Lange-Unterhosen-Tem-
peraturen, Nieselregen, UEFA-
Cup: Dundee United gegen Wer-
der Bremen.
Ich wohnte damals
in London und
ging dort zur Deutschen Schule,
aber meine Kontakte zum Ex-Ver-
ein Werder, wo ich von der D- bis
zur B-Jugend gespielt hatte, wa-
ren noch bestens: Helmut Lam-
pe, der legendäre ehemalige Ju-
gendleiter, hatte mir gemeinsam
mit meinen ehemaligen Trainern
Axel Plaat und Werner Schierloh
ein Ticket besorgt. Auf den Um-
schlag hatte Lampe ‚For Jan Mül-
ler out London‘ geschrieben und
die Karte eigens in einem Hotel
im Zentrum von Dundee abgege-
ben, damit ich mir den Weg zum
Mannschaftshotel vor den Toren
der Stadt ersparen konnte. Ich
habe hin und her überlegt, ob ich
einen etwa vier Kilometer langen
Fußmarsch an einer langen Aus-
fallstraße in Kauf nehmen sollte,
um zur Teamherberge zu gelan-
gen, und bin dann losgegangen.
Das sollte sich als Entscheidung
herausstellen, die mein späteres
Berufsleben entscheidend beein-
flusste.
Denn im Hotel
stellte Helmut
Lampe mich den zwei, drei Bre-
mer Journalisten vor, die Werder
seinerzeit begleiteten. Er war
stolz darauf, dass einer seiner
Jungs eine derart lange Anreise
in Kauf genommen hatte. Unter
den Reportern war auch Heinz
Fricke, damals Sportchef des
Weser-Kurier. Fricke war noch
auf der Suche nach Nachrichten
rund um das Spiel, und so kam
es ihm gerade Recht, ein paar
Zeilen über einen ehemaligen
Werder-Jugend-Spieler schreiben
zu können, der direkt nach dem
Spiel mit dem Nachtzug nach
London zurückfahren wollte, um
pünktlich wieder in der Schule
zu sein. Ich hatte meinen Eltern,
die gerade aus London nach Bre-
men zurückgezogen waren, lie-
ber nichts von meinem Ausflug
erzählt. Sie hätten sich zu viele
Sorgen gemacht und lasen besser
davon erst tags darauf im Weser-
Kurier.
Werder verlor
in Dundee 1:2, ich
verfolgte das Spiel an der Seite des
inzwischen verstorbenen Schatz-
meisters Karl-Heinz Hohnhorst.
Norbert Meier erzielte den zwi-
schenzeitlichen Ausgleich. Beim
Rückspiel in Bremen nutzten auch
ein unfassbarer Sturmlauf und ein
Kopfballtor von Rudi Völler nach
Flanke von Thomas Schaaf nichts.
Ich habe das bei Radio Bremen
auf der Kurzwelle verfolgt, das
englische Fernsehen zeigte später
am Abend nur ganz kurz ein paar
Ausschnitte. Dundee rettete ein
glückliches 1:1 über die Zeit, und
Werder war raus.
Der Kontakt
zu Heinz Fricke riss
nie ab. Es hatte sich nämlich im
Gespräch herausgestellt, dass er
im selben Club ‚Rot-Weiß‘ unweit
des Weser-Stadion Tennis spielte
wie meine beiden Brüder. Dank
Fricke bekam ich ein Jahr später
ein Praktikum in der WK-Sport-
redaktion und später dann ein
Volontariat bei Weser-Kurier und
Bremer Nachrichten. Meine jour-
nalistische Laufbahn verdanke
ich somit in erster Linie Werder
Bremen und Heinz Fricke. Dafür
werde ich ewig dankbar sein.
Jan Christian Müller
Es war schon dunkel, als ich, damals gerade
19
geworden, nach fast 500 Meilen Zugfahrt von
London über Glasgow und Edinburgh am Bahnhof
von Dundee ankam.
JAN CHRISTIAN
MÜLLER
wurde vor 49 Jahren in Bremen
geboren, spielte einst in der Ju-
gend des SV Werder unter dem
heutigen Schatzmeister des
Vereins, Axel Plaat, und arbei-
tete nach seinem BWL-Studium
in Hamburg und Bremen sieben
Jahre lang in der Sportredaktion
des Weser-Kurier. Seit 1994 ist
er bei der Frankfurter Rund-
schau, seit August 2011 in der
gemeinsamen Sportredaktion
mit der Berliner Zeitung. Seine
Eltern wohnen nach wie vor in
Bremen.
Dundee-
Reise als
berufliches
Sprung-
brett
Verbissenes
Duell
Rudi
Völler im UEFA-
Cup-Rückspiel
gegen Dundee
United.
WERDER-ERINNERUNGEN
WERDER MAGAZIN 298 79