I
ch habe bei Werder als Spie-
ler unglaublich erfolgreiche
Jahre erlebt. Der Meister-
titel, die Pokalsiege, die
Champions-League-Teilnahmen,
das alles werde ich nie verges-
sen. Natürlich hat die Spielzeit
2003/2004 einen ganz besonde-
ren Stellenwert – auch, weil wir
vor Saisonbeginn nicht gerade als
Titelkandidat gehandelt wurden.
Das hat den Erfolg vielleicht noch
ein bisschen schöner gemacht.
Ich weiß noch,
dass wir ab dem
sechsten Spieltag bis zum Ende
der Hinrunde nur noch eine Par-
tie verloren haben. Meistens fuh-
ren wir sogar recht hohe Siege
ein. Gewonnen war damit aber
noch nichts, das war uns damals
sehr bewusst. Nicht, dass wir
Zweifel an unserer Stärke gehabt
hätten. Aber natürlich mussten
wir unsere Leistung immer wie-
der bestätigen. Die ersten Auf-
tritte nach der Winterpause wa-
ren dabei besonders interessant.
Am 19. Spieltag waren wir bei
Borussia Mönchengladbach zu
Gast und kassierten zu Beginn
der zweiten Halbzeit das 0:1.
Ivan Klasnic traf zwar kurz da-
rauf zum Ausgleich, aber dafür
flog Mladen Krstajic 20 Minuten
vor dem Ende mit Gelb-Rot vom
Platz. Gladbach machte in Über-
zahl mächtig Druck, aber wir
hielten stand. Und es kam noch
besser. In buchstäblich letzter
Minute hatten wir noch mal eine
Ecke. Irgendwie landete der Ball
vor meinen Füßen – und tatsäch-
lich gelang mir das 2:1-Siegtor.
Nur vier Tage vorher hatten wir
das DFB-Pokal-Spiel bei Greuther
Fürth ebenfalls in letzter Sekun-
de für uns entschieden. Spätes-
tens jetzt dämmerte uns, zu was
wir in der Lage sind.
Das große Plus
der Mannschaft
war aus meiner Sicht die perfek-
te Mischung der verschiedenen
Charaktere. Es kam schon mal
vor, dass sich etablierte Kräfte
im Training etwas hängen lie-
ßen. Jüngere Spieler wie Nelson
Valdez und Aaron Hunt wollten
dafür ihre ‚Duftmarken‘ setzen.
In beiden Fällen konnte es sein,
dass es auf dem Platz mal ge-
kracht hat. Mladen Krstajic und
Valérien Ismaël waren nur zwei
Kandidaten, die in solchen Mo-
menten eingegriffen haben. Das
passierte aber immer in einem
vernünftigen Rahmen. Die Bot-
schaft war schlicht: ‚Jungs, wir
dürfen nicht nachlassen‘.
Über die gesamte Saison
gab es
viele großartige Momente. Den
6:0-Sieg im Nordderby gegen den
Hamburger SV am 31. Spieltag,
nachdem wir vorher zweimal
Unentschieden gespielt hatten.
Oder den Triumph in München
eine Woche später, als wir Meis-
ter wurden. Die Begeisterung im
Olympiastadion war schon sen-
sationell, aber das, was uns nach
der Landung in Bremen erwartet
hat, lässt sich mit Worten kaum
beschreiben. Nach der ganzen
Euphorie war es dann allerdings
gar nicht so einfach, sich wieder
auf das Wesentliche zu konzen-
trieren. Aber auch das war eine
unserer Qualitäten: Wenn es
darauf ankam, waren wir voll
fokussiert.
Im DFB-Pokal-Finale
gegen Ale-
mannia Aachen war die nötige
Spannung wieder da. Kurz vor
Ende der ersten Halbzeit eroberte
ich einen Ball im Mittelfeld und
spielte auf Ivan Klasnic. Diese
Chance ließ er sich nicht nehmen
– mit einem Schuss ins ‚lange‘ Eck
brachte er uns mit 2:0 in Füh-
rung. Von einer Torvorlage im
Endspiel hätte ich vorher kaum
zu träumen gewagt, schließlich
war ich nicht gerade für meine
Qualitäten als Vorbereiter be-
rühmt. Für mich persönlich war
das die perfekte Zugabe zum
Ende einer perfekten Saison.“
Aufgezeichnet von Jörn Lange
In der Erfolgsspur
Als Siegtorschütze in Mönchengladbach trug
Kapitän Frank Baumann dazu bei, dass er am Ende der Saison
2003/2004 die Meisterschale in die Luft strecken durfte.
WERDER MAGAZIN 322 75
SPIELE MEINES LEBENS
„Die perfekte
Mischung“
Werder-
Idole erinnern sich an ihre größten
Spiele in grün-weiß. Heute: Frank
Baumann über die Double-Saison,
Last-Minute-Siege und eine
unvergessene Torvorbereitung.
Fotos: imago, Getty Images