WERDER MAGAZIN Nr. 349

WERDER MAGAZIN 349 35 FLYERALARM FRAUEN-BUNDESLIGA nach Bremen kommen konnten. Da wurde in der WG sehr viel tirolerisch gesprochen“, lacht die Abwehrspielerin, die mittlerwei- le mehr als 180 Pflichtspiele für den SV Werder bestritten hat. Bei dieser Vielzahl an Einsätzen ist es nicht ungewöhnlich, dass Schiechtl auf viele prägende Momente imWerder-Trikot zurück- blicken kann. Sie erinnert sich dabei nicht nur an das Positive wie Aufstiege oder Meisterschaften. Auch der Abstieg 2019 war für sie ein „krasses Erlebnis“. Trotzdem überwiegen die guten Erinnerungen, zum Beispiel an das erste Bundesliga-Spiel der Werder-Vereinsgeschichte, an dem auch Katharina Schiechtl teilnahm. „Die Partie war ganz besonders, da der Traum von der Bundesliga, auf die wir stets hingearbeitet hatten, in Er- füllung ging. Dann noch direkt in diesem Spiel zu treffen und zu gewinnen, machte es umso schöner“, so Schiechtl über den 6:2-Heimsieg gegen den 1. FC Köln am 30. August 2015, bei dem sie tatkräftige Unterstützung hatte: „Es war klasse, dass meine Mutter, meine Schwester und mein Bruder den langen Weg auf sich genommen hatten, um dabei zu sein.“ Während sich Katharina Schiechtl selbst als „sehr strukturiert und organisiert“ beschreibt und Überraschungen eher selten auf ihrer Agenda stehen, scheint es in der Familie Schiechtl ein bisschen anders zu sein: Im Sommer 2017 kämpfte der SV Wer- der gegen den VfL Wolfsburg II um die Meisterschaft in der 2. Bundesliga. Am letzten Spieltag genügte den Grün-Weißen ein Heimsieg gegen den direkten Kontrahenten aus Wolfsburg, um den Titel einzufahren. Ein Ereignis, das sich Papa Schiechtl nicht entgehen lassen wollte. „Am Spieltag klingelte es plötzlich an der Haustür, und mein Vater stand vor mir. Er hatte sich in den Nachtzug gesetzt, um bei diesem Spiel dabei zu sein. Das war ein sehr emotionaler Moment für mich. Da wir am Ende gewin- nen und somit die Meisterschaft feiern konnten, war es ein per- fekter Tag, und wir konnten sogar ein gemeinsames Foto mit der Schale machen“, so Schiechtl, die 2017 noch weitere einmalige Erinnerungen sammeln konnte. Denn nach der gelungenen Rückkehr in die Bundesliga samt Titel mit dem SV Werder ging es für die 1,85 Meter große De- fensivspielerin mit der österreichischen Nationalmannschaft zur Europameisterschaft in die Niederlande. Und die erstmalige Teilnahme der ÖFB-Auswahl an einer EM-Endrunde wurde zur Erfolgsgeschichte. Als Erster beendete Österreich die Gruppen- phase vor Frankreich, der Schweiz und Island. Nach dem Viertel- final-Triumph gegen Spanien (5:3 nach Elfmeterschießen) hiel- ten Schiechtl und Co. auch im Halbfinale gegen Dänemark über 120 Minuten die Null, schieden aber am Ende im Elfmeterschie- ßen aus (0:3). „Im Prinzip haben wir nichts Anderes gemacht als vorher“, erinnert sie sich. „Wir haben den Leuten aber gezeigt, was wir draufhaben, und haben die Menschen in der Heimat be- geistert. Die Euphorie schwappte auf viele Leute über, die mit Fußball gar nichts am Hut hatten. Das war wie im Märchen.“ Dieses Märchen konnte Schiechtl erneut mit ihrer Familie teilen: „Beim ersten Spiel war mein Papa vor Ort, ab dem zweiten Match wieder die ganze Familie. Meine Schwester musste mehrfach bei ihrer Arbeit anrufen, um weitere freie Tage zu bekommen, weil wir so weit gekommen sind. Mein Bruder saß 24 Stunden im Bus, um beim Halbfinale dabei zu sein.“ Eine emotionale Achterbahnfahrt war der Halbfinaltag aber nicht nur wegen des Ausscheidens, sondern auch wegen einer privaten Nachricht, die Katharina Schiechtl nach dem Spiel er- reichte. „Für mich war dieser Tag ein Wechselbad der Gefühle. Ich war glücklich über die tolle EM und traurig über das Aus- scheiden. Nach dem Spiel, und das wissen nicht viele, teilte mir meine Familie mit, dass meine Oma verstorben war. So traurig diese Nachricht war, war es doch schön, dass sie es mir persön- lich sagen konnten“, gesteht die 28-Jährige. Katharina Schiechtl ist ein Familienmensch mit viel Herz. Trotz der großen räumlichen Distanz weiß die sympathische Öster- reicherin, dass sie zu Hause – egal, wie lange sie weg ist – immer „mit der gewohnten Herzlichkeit“ empfangen wird. Ein Gefühl, das „unbezahlbar“ ist, die mehrfache Nationalspielerin „immer wieder erdet“ und dazu dient, „die Akkus aufzuladen“. Die volle Energie braucht Schiechtl auch nach der Winterpause, wenn es darum geht, mit Werder den Verbleib in der Liga zu schaffen und mit Österreich eine erfolgreiche Europameister- schaft zu spielen. Bei diesem Turnier wartet das nächste ganz besondere Match auf sie. „Wenn ich an das Eröffnungsspiel der EM, das wir gegen Gastgeber England im Old Trafford in Man- chester bestreiten dürfen, denke, bekomme ich Gänsehaut. Ich kann mir noch nicht vorstellen, wie es wird, vor voraussichtlich 75.000 Zuschauern zu spielen. Allein der Gedanke, dabei sein zu können, motiviert mich so sehr“, sagt Schiechtl. Marcel Kuhnt Katharina Schiechtl mit ihrem Vater und Mitspielerin Sandra Hausberger (v. li.) nach dem Gewinn des Meistertitels in der 2. Bundesliga im Jahr 2017. Foto: hansepixx

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