RA Dr. Andreas Hufer, Wiesbaden / RA Dr. Michael Karst, Reutlingen
Versorgungsausgleich bei Direktzusagen:
Keine Beru¨cksichtigung von Rententrends
u
DB0529264
I. Einleitung
Bei der Aufteilung betrieblicher Direktzusagen im Versorgungs-
ausgleich steht die Frage im Raum, ob im Rahmen der Bewer-
tung des Anrechts bei einer Teilung auf Barwertbasis ein sog.
Renten- bzw. Anpassungstrend“ zu beru¨cksichtigen ist, wenn
das auszugleichende Anrecht der
Pru¨ fungsanpassung
nach § 16
Abs. 1 i. V. mit Abs. 2 BetrAVG unterliegt. Teilweise wird dies
befu¨rwortet
1
,
teilweise abgelehnt
2
.
Dieser Beitrag stellt die Ar-
gumente fu¨r beide Ansichten gegenu¨ber und zeigt auf, weswegen
aus Sicht der Autoren fu¨r Pru¨fungsanpassungen im Versor-
gungsausgleich kein Rententrend anzusetzen ist.
II. Hintergrund
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre
eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Al-
tersversorgung zu pru¨fen und hieru¨ber nach billigem Ermessen
zu entscheiden. Dabei sind insbes. die Belange des Versorgungs-
empfa¨ngers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu be-
ru¨cksichtigen. Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG gilt die Verpflich-
tung als erfu¨llt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der
Anstieg des Verbraucherpreisindexes fu¨r Deutschland (Ziff. 1)
oder der Nettolo¨hne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des
Unternehmens (Ziff. 2) im Pru¨fungszeitraum. Soweit die wirt-
schaftliche Lage des Arbeitgebers die Anpassung nicht zula¨sst,
gibt § 16 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG vor, dass diese ganz oder teil-
weise unterbleibt und auch nach einer spa¨ter eintretenden Bes-
serung der wirtschaftlichen Lage nicht nachzuholen ist.
Anpassungstrends sind auf Wahrscheinlichkeitsannahmen
basierende Prognosen u¨ber die Ho¨he ku¨nftiger Anpassungen.
Ku¨nftige Pru¨fungsanpassungen nach § 16 Abs. 1 i. V. mit
Abs. 2 BetrAVG fu¨hren, wenn sie beru¨cksichtigt werden, dazu,
dass ab den Anpassungszeitpunkten angepasste (also ho¨here)
laufende Leistungen des auszugleichenden Anrechts angenom-
men und damit bei dessen Bewertung zugrunde gelegt werden.
Ob und in welcher Ho¨he ku¨nftige Pru¨fungsanpassungen jedoch
tatsa¨chlich zu einem Anstieg der Versorgungsleistungen fu¨hren
werden, ist zum Stichtag Ehezeitende – ebenso wie bei Gehalts-
anstiegen nach dem Stichtag Ehezeitende – ungewiss.
Abzugrenzen
von fu¨r die Leistungsho¨he maßgeblichen Aspek-
ten (etwa dem anzusetzenden Gehalt bei endgehaltsbezogenen
Zusagen oder Erho¨hungen durch ku¨nftige Pru¨fungsanpassun-
gen) sind diejenigen
Aspekte
,
die
ausschließlich die Bewertung einer
der Ho¨he nach feststehenden Leistung betreffen
.
Dies sind insbeson-
dere der Rechnungszinssatz und die Sterbetafeln.
III. Diskussionsstand in der Rechtsprechung
Sowohl das OLGMu¨nchen als auch das OLG Frankfurt/M. hat-
ten anla¨sslich externer Teilungen zu entscheiden, ob Rententrends
fu¨r ku¨nftige Pru¨fungsanpassungen bei der Ermittlung des Aus-
gleichswerts im Versorgungsausgleich zu beru¨cksichtigen sind.
Die Beru¨cksichtigung von Anpassungstrends auch im Versor-
gungsausgleich begru¨ndet das OLG Mu¨nchen damit, dass der
Wert der Versorgung auch durch deren ku¨nftige Entwicklung
bestimmt werde. Dem habe bereits das fru¨here Recht Rechnung
getragen, indem die BarwertVO fu¨r statische und teildynamische
Anrechte unterschiedliche Umrechnungsfaktoren ansetzte
3
.
Die Nichtberu¨cksichtigung von Anpassungstrends bei der
Pru¨fungsanpassung begru¨ndet das OLG Frankfurt/M. damit,
dass die Wertentwicklung des fu¨r den Ausgleichsberechtigten
einzurichtenden Anrechts der Zielversorgung folge und die Ver-
sorgungsschicksale der Ehegatten nach dem Willen des Gesetz-
gebers bezogen auf den Stichtag Ehezeitende zu trennen seien.
Das Versorgungsausgleichsgesetz sehe weder eine Regelung vor,
nach der ungewisse ku¨nftige Anpassungen zu scha¨tzen seien
noch eine Vorgabe, dass bei externer und interner Teilung der
Ausgleichswert unterschiedlich zu bemessen sei
2
.
Der BGH hat – in einer Entscheidung u¨ber fondsorientierte
Anrechte – zu erkennen gegeben, dass er den Standpunkt teilt,
dass Dynamikunterschiede zwischen der Versorgung der aus-
gleichspflichtigen Person und der zugunsten der ausgleichs-
berechtigten Person einzurichtenden Versorgung nach neuem
Recht nicht mehr korrigiert werden. Im Falle einer internen Tei-
lung bestehe dafu¨r kein Bedarf, weil die Teilhabe an der ku¨nfti-
gen Wertentwicklung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Ver-
sAusglG von vornherein gesichert ist. Bei der externen Teilung
verzichtet das Gesetz in den in § 14 Abs. 2 VersAusglG genannten
Fa¨llen auf eine nachtra¨gliche Korrektur von Dynamikunterschieden
(
vgl. BT-Drucks. 16/10144. S. 49). Eine externe Teilung ist nur
ausnahmsweise in den in § 14 Abs. 2 VersAusglG genannten Fa¨llen
durchzufu¨hren und in diesen Fa¨llen steht dem Ausgleichsberechtig-
ten nach § 15 VersAusglG ein Wahlrecht hinsichtlich der Zielver-
sorgung zu. [. . .] durch den stichtagsbezogenen Ausgleich ist es dem
Ausgleichsberechtigten unbenommen, ab dem Ende der Ehezeit aus
dem begru¨ndeten Ausgleichsbetrag entsprechende Zuwa¨chse im
Rahmen der gewa¨hlten Zielversorgung zu erreichen“
4
.
IV. VersAusglG: Stichtagsbezogener Ausgleich der Ho¨he
nach feststehender Leistungen
Die Beru¨cksichtigung des Rententrends widerspra¨che der in § 5
Abs. 4 Satz 2 i. V. mit § 19 Abs. 2 Nr. 1 HS 2 VersAusglG ge-
setzlich niedergelegten spezifisch versorgungsausgleichsrecht-
lichen Wertung, dass nur die Leistung aus dem auszugleichen-
den Anrecht verteilt werden soll, die zum Stichtag Ehezeitende
dem Grunde und der Ho¨he nach feststeht.
RA Dr. Andreas Hufer
ist Consultant im Bereich Legal Wiesbaden bei
Towers Watson.
RA Dr. Michael Karst
ist Leiter des Bereichs Legal/
Tax bei Towers Watson.
1
OLG Mu¨nchen vom 20. 9. 2011 – 16 UF 171/11; vgl. auch
Ho¨fer
,
Der Versor-
gungsausgleich in der betrieblichen Altersversorgung, 2010, Ziff. 9.2.2
Rdn. 161 ff (S. 56);
Glockner/Hoenes/Weil
,
Der neue Versorgungsausgleich,
§ 3 Rdn. 31 (S. 32).
2
OLG Frankfurt/M. vom 7. 8. 2012 – 1 UF 192/11.
3
OLG Mu¨nchen vom 20. 9. 2011, a.a.O. (Fn. 1).
4
BGH vom 29. 2. 2012 – XII ZB 609/10, DB0469964, Rdn. 26 f.; ebenso OLG
Frankfurt/M. vom 7. 8. 2012, a.a.O. (Fn. 2); so wohl auch
Brudermu¨ller
,
in:
Palandt, VersAusglG, 70. Aufl. 2011, § 45 Rdn. 9: „Spa¨tere Vera¨nderungen
der Bemessungsgrundlagen sind daher bedeutungslos.“.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012