Page 21 - Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper

This is a SEO version of Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper. Click here to view full version

« Previous Page Table of Contents Next Page »

Ärztekammer Nordrhein

Jahresbericht 2011 | 19

Kammerversammlung

„schon seit längerer Zeit als klinisch tot“. Vielmehr enthalte das SGB V gesetzliche Vorgaben für die Ver-schreibung von Medikamenten. „Der Spielraum, den das Gesetz in diesem Zusammenhang dem Arzt belässt, heißt Therapiefreiheit, nicht quasi-behörd-liches Ermessen“, sagte der Rechtsexperte. Er sieht die Therapiefreiheit durch das Grund-recht auf Berufsfreiheit (Artikel 12 Abs. 1 Grundge-setz) geschützt. Steiner: „Der Kassenarzt konkre-tisiert das Gesetz, aber eigenverantwortlich und nicht unter Fachaufsicht, als Träger eines Grund-rechts, nicht als Quasi-Behörde der Organisation Gesetzliche Krankenversicherung. Diesen Stand-punkt muss man gegebenenfalls verfassungsrecht-lich durchsetzen. Hier geht es um die Substanz.“ Ein gewichtiges Problem sieht der Verfassungs-richter a. D. auch in der Regressdrohung gegen die Vertragsärzte bei Arzneimittelverordnungen. Praktisch und mental bewerten nach seinem Ein-druck viele Ärzte die Regressgefahr im Rahmen von Richtgrößenprüfungen nach § 84 SGB V „als die größte Last ihrer täglichen Arbeit mit dem ge-setzlich versicherten Patienten“.

„Bleigewicht der Freiberuflichkeit“

Steiner belegte die wachsende Spannung zwi-schen dem „positiven Leitbild“ der Freiheitsrechte des Grundgesetzes und der „Misstrauensgesetzge-bung“, die den Arzt und sein Verhältnis zum ge-setzlich versicherten Patienten betrifft, mit zahlrei-chen weiteren Beispielen. Jedoch konnte er wenig Hoffnung machen, dass sich daran mit Hilfe der Verfassung etwas ändern lässt. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht in den vergange-nen Jahrzehnten in weit über 30 Entscheidungen gesetzgeberische Maßnahmen als gerechtfertigt angesehen, obwohl diese die Grundrechte be-schränkt hätten. Der Grund sei „das Erfordernis der Erhaltung einer funktions- und leistungsfä-higen Gesetzlichen Krankenversicherung und die daraus abgeleiteten Folgen für die Finanzierung des Systems“ gewesen – nach Steiners Worten ein kaum zu überschätzendes Gegengewicht zu den Freiheitsrechten der Gesundheitsberufe, „ein Bleigewicht ihrer Freiberuf lichkeit sozusagen“. Im Grundsatz der finanziellen Stabilität der GKV, die für die Gesundheitsversorgung der meisten Menschen in Deutschland sorgt, sehe das Verfas-sungsgericht einen „hochwichtigen Gemeinwohl-belang“. Die GKV sei ein „Versorgungsschiff mit Tankerausmaßen, dessen Kurs niemand gefährden will“, sagte Steiner. Deshalb seien die Bände der

Amtlichen Sammlung des Gerichtes „weithin auch ein Buch der Niederlagen von Ärzten und anderen Gesundheitsberufen im Rechtsraum der Gesetzli-chen Krankenversicherung“.

Immerhin zeigte sich Steiner optimistisch, „dass die gesetzliche Fesselung des Arztberufes im Sys-tem der Gesetzlichen Krankenversicherung ihren Höhepunkt überschritten hat und eher Maßnah-men zur Deregulierung anstehen“. So blieb die Hoffnung des Rechtsgelehrten auf die Zukunft, auf mehr Kontinuität, Klarheit und Nachvollziehbar-keit der gesetzlichen Regelungen. Und sein Bon-mot: „Als Daidalos das Labyrinth geschaffen hat, wusste er nicht, dass er damit zugleich das Grund-modell für die deutsche Sozialgesetzgebung gefun-den hatte.“

Änderungen der Weiterbildungsordnung

Die Kammerversammlung beschloss in ihrer April-Sitzung auch einstimmig Änderungen der Weiterbildungsordnung entsprechend den Be-schlüssen des 113. Deutschen Ärztetages. Diese erläuterte der Vorsitzende der Weiterbildungsgre-mien der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Dieter Mit-renga. Berufspolitisch bedeutsam sei, dass die All-gemeinmedizin wieder zu einem eigenständigen Gebiet wird. Hintergrund: In der (Muster-)Weiter-bildungsordnung war im Jahre 2002 der Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin eingeführt wor-den. Während diese Ärztinnen und Ärzte für die Hausarztversorgung zuständig sein sollten, sollte die ambulante Facharztversorgung durch Schwer-punkt-Internisten erfolgen. Allerdings setzte sich dieses Konzept nicht durch. Auf dem Deutschen Ärztetag 2007 in Münster wurde daher in einem ersten Schritt auf Bundesebene der Internist ohne Schwerpunkt wieder eingeführt. Mit dem Be- schluss der Kammerversammlung ist nun auch der Facharzt für Allgemeinmedizin entsprechend des Ärztetagsbeschlusses von 2010 wieder in der Wei-terbildungsordnung der ÄkNo verankert. Außer-dem verpf lichtet die überarbeitete Weiterbildungs-ordnung die zur Weiterbildung befugten Ärztinnen und Ärzte, an Evaluationen und anderen Qualitäts-sicherungsmaßnahmen der Ärztekammer zur ärzt-lichen Weiterbildung teilzunehmen, wie Mitrenga sagte. Er kündigte an, dass die zweite Runde der bundesweiten Befragung von Weiterbildern und Weiterzubildenden im Sommer 2011 durchgeführt wird und rief zu einer großen Beteiligung auf.

Dr. Dieter Mitrenga, Vorsitzender der Weiterbil-dungsgremien der Ärzte-kammer Nordrhein

Aekno2011_v42_fpp.indd 19 23.08.11

Page 21 - Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper

This is a SEO version of Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2011_ePaper. Click here to view full version

« Previous Page Table of Contents Next Page »