Rheinisches Ärzteblatt 6/2023

18 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 6 / 2023 mit einer Infusion oder einer Tablette behandeln lassen“, erklärt er. Darunter fallen Bluthochdruck, Herzschwäche, Leberentzündungen und Diabetes. Doch im JVK NRW wird Woltmann auch mit Krankheiten konfrontiert, die er in zivilen Krankenhäusern selten oder gar nicht zu Gesicht bekam. So seien Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Skabies bei Gefangenen verbreitet, aber auch HIV, Hepatitis und Vitaminmangel zählten zu den typischen „Knastkrankheiten.“ Seit einigen Jahren steigt Woltmann zufolge auch die Anzahl der Inhaftierten mit psychischen Erkrankungen, weshalb das JVK NRW künftig weitere Behandlungsplätze in der psychiatrischen Abteilung schaffen werde. Bei vielen Gefangenen sei die Wahrscheinlichkeit für eine psychische Erkrankung aufgrund ihrer häufig schweren Kindheit und erlittener Traumata höher als in der übrigen Gesellschaft. Auch durch den Freiheitsentzug selbst und die damit verbundenen fremdbestimmten Lebensbedingungen könnten Häftlinge körperliche und psychische Symptome entwickeln, die eine Abklärung durch den Anstaltsarzt benötigen. Typische Knastkrankheiten Aber nicht alle Patienten, die bei Woltmann vorstellig werden, leiden an schweren Krankheiten. Unter ihnen befinden sich gelegentlich Inhaftierte, die Krankheiten simulieren, um Hafterleichterungen zu erhalten. So klagten manche Patienten beispielsweise über einen hohen Blutdruck, obwohl sie bereits Blutdrucksenker erhielten, berichtet Woltmann. In diesen Fällen kläre eine Blutuntersuchung, ob der Patient verordnete Medikamente überhaupt einnehme. Weit verbreitet unter Häftlingen ist Woltmann zufolge der Drogenkonsum. In der Vergangenheit sei fast jeder zweite Patient wegen eines Drogenentzugs ins JVK NRW eingeliefert worden. Als Woltmann noch in einem zivilen Krankenhaus arbeitete, seien Drogenentzüge mit Methadon eine Seltenheit gewesen. Im Justizvollzug gehöre die Substitution zum Standard, berichtet er. Häufig seien die Arme der Patienten durch den Drogenkonsum so zerstochen, dass Untersuchungen wie eine Blutabnahme an den gängigen Venen nicht mehr möglich seien und die Ärztinnen und Ärzte zu diesem Zweck die Venen in der Leistengegend oder den Kopf „anzapfen“ müssten. Besondere Priorität hat bei der Arbeit im JVK NRW die Sicherheit. So musste Woltmann vor Antritt seiner Stelle eine Handreichung durcharbeiten, die ihm den sicheren Umgang mit Gefangenen vermittelte. Er weiß, wie er eine Zelle betreten muss, ohne dass ein Häftling diesen Moment zur Flucht nutzen könnte. In gefährliche Situationen ist Woltmann bisher nicht geraten. Nicht zuletzt liege das daran, dass die meisten Inhaftierten das medizinische Personal als Helfer wahrnehmen, ist er überzeugt. „Die Arbeit im JVK NRW ist vermutlich sicherer als die in einem zivilen Krankenhaus“, sagt der Ärztliche Direktor. In einem zivilen Krankenhaus könne man nie ausschließen, dass ein Patient möglicherweise Spezial Fröndenberg, nahe Unna, umringt. Als der Ärztliche Direktor des JVK noch Oberarzt in einer Klinik im benachbarten Menden war, kam er auf seinem alten Arbeitsweg manchmal an diesem grün-orangefarbenen Bau vorbei und hielt die Anlage für ein gewöhnliches Gefängnis, erzählt er im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Das JVK NRW gilt als eines der größten und bestgesichertsten Justizvollzugskrankenhäuser in Europa. Der Zufall hat Woltmann schließlich hinter die gut bewachten Mauern geführt. 2011 wurde dem Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie in seiner damaligen Klinik der Anruf einer Personalvermittlungsfirma durchgestellt, die Ärztinnen und Ärzte für den Justizvollzug anwarb. Woltmann war interessiert und wurde schließlich Oberarzt am JVK NRW, zweieinhalb Jahre später übernahm er die Stelle des Ärztlichen Direktors. Seitdem gehören Betrüger, Mörder und Sexualstraftäter zu seinen Patienten. Eigentlich seien Gefangene keine schwierigeren Patienten als viele andere, erklärt Woltmann und scherzt: „Manchmal war die Visite auf der Privatstation im zivilen Krankenhaus anstrengender als im JVK.“ Als langjähriger Ärztlicher Direktor kennt er die Eigenheiten seiner inhaftierten Patienten und weiß, worauf er beim Umgang mit diesen achten muss. So verlangten Häftlinge in besonderem Maße nach Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Wenn er einem Häftling eine Untersuchung verspreche und diese nicht am zugesagten Datum durchgeführt werde, unterstellten ihm die Patienten Wortbruch, sagt der erfahrene Gefängnisarzt. Allerdings unterscheiden sich die Arbeitsbedingungen und das Krankheitsspektrum von dem in den zivilen Kliniken deutlich. Fast 95 Prozent der Patienten, die Woltmann im JVK NRW betreut, sind männlich, die meisten sind jünger als 40 Jahre. Viele von ihnen haben in Freiheit nie Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch genommen oder Krankheiten verschleppt. Manche verfügten nicht einmal über eine Krankenversicherung. Als Internist ist Woltmann im JVK NRW für alle Krankheiten zuständig, die sich „im weitesten Sinne Das Land NRW sucht regelmäßig Ärztinnen und Ärzte, die als Gefängnismediziner arbeiten wollen, insbesondere Allgemeinärzte, Internisten oder Fachärzte mit allgemeinmedizinischer Erfahrung. Vorteilhaft ist zudem eine Qualifikation in der Suchtmedizin, die auch nach Arbeitsbeginn erworben werden kann. Kontakt: Dr. Bettina Linde, Medizinalreferat des Ministeriums der Justiz des Landes NRW, E-Mail: Bettina.Linde@jm.nrw.de, Telefon: 0211 8792 396 Alternativ können sich Interessierte direkt an die jeweiligen Justizvollzugsanstalten oder das JVK NRW wenden. Weitere Informationen zur Karriere als Anstaltsarzt hat das Justizministerium NRW auf seiner Homepage veröffentlicht: https://www.justiz-karriere.nrw/ berufe/justizvollzug/arzt Gefängnisärzte gesucht

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