WERDER MAGAZIN Nr. 333

WERDER MAGAZIN 333 21 zu verstehen, zu erkennen, was die Leute wollen, wie sie reagieren. Deshalb ist es für einen Verein wichtig, Verantwortliche und Mit- arbeiter zu haben, die den Club sehr gut kennen. Aber letztlich ist eine gesunde Mischung das Entscheidende. Ich denke, Werder hat mir auch deshalb diese Chance gegeben, weil ich von außen komme und die Erfahrung vieler Jahre auf Schalke mitbringe. Sie wurden in Dortmund geboren und waren lange Trainer auf Schalke. Ein schwieriger Spagat? Meine Eltern haben in Bochum-Langendreer gewohnt. Das ist direkt an der Stadtgrenze zu Dortmund. Das nächste Krankenhaus war nun mal in Dortmund. Später habe ich lange Zeit in Witten gewohnt, auf Schalke gearbeitet. Man kann sagen, dass ich ein Kind des Ruhr- gebiets bin. Natürlich wurde ich immer wieder darauf angesprochen, dass auf meinen Schalke-Autogrammkarten Dortmund als Geburts- ort steht. Irgendwann habe ich das ändern lassen in: ‚auf Kohle ge- boren‘. (lacht) Und wie ist Ihnen der Wechsel in den Norden bekommen? Sehr gut! Ich konnte mich ja darauf einstellen, dass ich als Trainer irgendwann mal den Verein wechseln würde. Mir war es wichtig, dann in ein Umfeld zu kommen, in dem ich mich gut entwickeln kann. Dieses Gefühl habe ich bei Werder. Bekannte, die häufiger in Bremen zu tun haben, haben von der Stadt geschwärmt. Die Ent- scheidung für Werder fiel mir daher leicht. Was zeichnet Werders Talentförderung besonders aus? Die Wege hier sind kurz, es gibt eine gute Verbindung zwischen Leistungszentrum und Profibereich. Aus meiner Sicht steht und fällt die Durchlässigkeit immer mit den handelnden Personen. Wenn alle dahinterstehen, besonders die Geschäftsführung und der Cheftrai- ner der Bundesliga-Mannschaft, dann ist die Chance groß, dass es Spieler nach ganz oben schaffen. Was gibt es über Ihre Zeit als aktiver Fußballer zu erzählen? Ich war nicht komplett unbegabt, aber in den Profibereich hätte ich es definitiv nicht geschafft. Sehr früh habe ich mich schwer am Sprungge- lenk verletzt, musste deswegen direkt nach der A-Jugend aufhören. Erst habe ich sehr gehadert mit diesem Schicksal, aber dann war schnell klar, dass es mein Weg sein würde, als Trainer zu arbeiten. Das mache ich jetzt seit 18 Jahren und habe einigen Kollegen, die vielleicht doch noch einige Zeit im oberen Bereich des Amateurfußballs gespielt haben und dann Trainer geworden sind, doch einiges an Erfahrung voraus. Was haben Sie aus Ihrer Zeit als Co-Trainer in der Bundesliga mitge- nommen? Zunächst die Erfahrung, drei Cheftrainer mit ihrer unterschiedli- chen Arbeitsweise und menschlichen Art kennengelernt zu haben, dabei jeden so zu nehmen, wie er ist, und sich das herauszusuchen, was man übernehmen will, ohne jemanden zu kopieren. Und natür- lich war es die Erfahrung, mit Spielern auf höchstem sportlichem Niveau, mit besonderen Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten. Mit dem Druck, der dort herrscht, arbeiten zu können. Ich bin sicher, dass ich davon in meiner jetzigen Arbeit profitiere. Ist es reizvoll, wieder in diesen Bereich zurückzukehren? Volle Stadien, höchstes sportliches Niveau, Spannung, hohe Intensität – klar ist das reizvoll. Aber ich mache keine Karriereplanung. Man kann sein Glück nicht davon abhängig machen, dass man einen der 18 Cheftrainer-Jobs in der Bundesliga bekommt. Mir ist es wichtig, hauptamtlich im Fußball zu arbeiten – und das mit Spaß. Alles an- dere kommt von alleine. Es gehören sehr viel Glück und besondere Umstände dazu, dass man den Weg nach ganz oben schafft. Wie beurteilen Sie den Saisonstart mit vier Siegen in den ersten vier Spielen? Die Ergebnisse waren toll, geben uns Selbstvertrauen und waren für die Mannschaft wichtig. Aber wir bewerten sie auch nicht über, denn wir wissen, dass die wirklichen Brocken mit Wolfsburg, Her- tha, Leipzig oder Hamburg noch kommen. Wir wollen so lange wie möglich fehlerlos bleiben, um dann auch gegen die Top-Teams etwas mitzunehmen. Wir sind in keinem Spiel chancenlos. Wozu es dann am Ende reicht, werden wir sehen. Sie haben Tim Borowski als Co-Trainer an Ihrer Seite… Tim war mein Wunschkandidat für diese Position. Wir haben uns kennengelernt, als er den Elitetrainer-Lehrgang besucht hat. Ich war damals mit dabei, um mir diesen Ausbildungsweg etwas anzuschau- en. Wir sind ins Gespräch gekommen. Und als ich wusste, dass ich hierher kommen würde, habe ich mir gewünscht, Tim davon zu überzeugen, mit mir gemeinsam zu arbeiten. Ich habe eben nie auf höchstem Niveau Fußball gespielt. Da ist es wichtig, dass ich jeman- den habe, bei dem ich zu den Jungs sagen kann: Fragt doch Tim mal, wie das ist, wenn man bei einer WM gegen Argentinien spielt und drei Mann von der Seite angerauscht kommen. Ob man dann drei, vier Kontakte Zeit hat, um den Ball zu verarbeiten. Wir ergänzen uns sehr gut: Tim bringt seine Erfahrungen als Spieler ein, und ich habe den Trainerjob ‚von der Pike auf‘ gelernt. Interview: Martin Lange

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