WERDER MAGAZIN Nr. 337

WERDER MAGAZIN 337 41 legen, ob ich das Angebot von Werder annehme. Und das nicht nur, weil ich jetzt zu den Heimspielen nicht mehr fliegen muss… (lacht) Wie hast du die ersten Matches für Werder erlebt? Es war nicht einfach. Interessanterweise konnten in der Liga fast alle Spieler, die in diesem Sommer neu zu ihrem Club gekommen sind, in den ersten Spielen noch nicht überzeugen. Ich weiß, dass auch der Trainer Siege von mir erwartet, aber er setzt mich nicht unter Druck, sondern sagt mir, dass er an meine Stärken glaubt. Ich bin sehr froh, dass ich zwei Punkte für die Mannschaft holen und so dabei helfen konnte, dass wir zwei Mal gewonnen haben. Aber ich weiß, dass ich noch besser spielen kann. Ist das Erreichen der Play-Offs ein realistisches Ziel? Auf dem Papier gehören wir nicht zu den besten vier Teams. Ich sehe uns zwischen Platz drei und sechs. Wir müssen für die Play-Offs sehr hart arbeiten. Aber wenn Basti Steger weiter so spielt wie bisher und sich alle anderen verbessern und im Laufe der Saison noch stei- gern, dann können wir es schaffen. Interessierst du dich für Fußball? Früher habe ich den Fußball intensiver verfolgt. Seit ich verheiratet bin, ist es weniger geworden (lacht) . Aber ich mag Fußball und hof- fe, dass ich möglichst bald ein Spiel im Weser-Stadion sehen kann. Wie bist du im Fußball-Land Brasilien zum Tischtennis gekommen? Als Kind habe ich Fußball gespielt, bin aber auch zum Judo gegan- gen, geschwommen, habe Inlineskating gemacht. Erst als ich zwölf Jahre alt war, bin ich durch meinen älteren Bruder zum Tischten- nis gekommen. Wir sind damals jedes Wochenende mit der ganzen Familie zu einem großen Verein gegangen, der auf seinem Gelände ganz viele Sportarten anbot. Ich wollte dort immer Fußball spielen oder schwimmen. Aber eines Tages regnete es. Also habe ich einfach mit meinem Bruder und seinem Freund Tischtennis gespielt. Und es hat mir sofort gefallen. Ich habe dann auch in der Schule damit be- gonnen und wurde regelrecht süchtig danach. Deshalb habe ich mir einen Tischtennis-Verein gesucht, aber in den ersten Jahren nicht im Traum daran gedacht, später Profi oder Nationalspieler zu werden. Manchmal denke ich: Wenn ich früher angefangen hätte, richtig zu trainieren, dann könnte ich heute vielleicht noch besser sein… Wann hast du dich entschieden, professionell Tischtennis zu spielen? Als ich 17 Jahre alt war, hatte ich eine Rückenverletzung und musste für fast ein ganzes Jahr pausieren. Es war eine Phase, in der ich entschei- den musste, ob ich weiter versuchen sollte, im Tischten- nis nach oben zu kommen, oder ob ich mich auf die be- rufliche Laufbahn konzentrieren soll- te. Ich habe dann tatsächlich begonnen, Ökonomie zu studieren und weniger trai- niert als vorher, mich aber kurioserweise trotzdem weiter verbes- sert. Also habe ich mir mit Anfang 20 gesagt: Wenn ich es jetzt nicht versuche, dann brauche ich es nie mehr zu tun. Ich habe die Uni wieder verlassen und versucht, mit der Unterstützung von Thiago Monteiro (brasilianischer Tischtennis-Spieler, Anm. d. Red.) , der in Frankreich lebte, einen Club in Europa zu finden. Also habe ich in Frankreich zunächst in der zweiten Liga gespielt und insgesamt vier Jahre dort gelebt, von 2006 bis 2010. Aber dann hatte ich keine Lust mehr auf Europa… Warum? Ich habe mich nicht so entwickelt, wie ich es erwartet hatte. Der brasilianische Verband hat mich nicht so unterstützt, wie ich es ge- braucht hätte. Ich war ziemlich allein. Also habe ich mich entschie- den, nach Brasilien zurückzugehen. In dieser Zeit wurde der Franzo- se Jean René Mounie brasilianischer Nationaltrainer. Und er hat sich sehr dafür eingesetzt, dass ich in Europa bleibe. Dennoch bin ich zunächst knapp zwei Jahre lang in Brasilien geblieben, habe mich dann aber entschlossen, erneut um seine Hilfe zu bitten. So kam ich nach Ochsenhausen in die Bundesliga. Jean René Mounie war also sehr wichtig für mich. Ohne ihn wäre ich wohl nicht nochmal nach Europa gekommen. Durch die Arbeit mit ihm habe ich verstanden, was es bedeutet, Leistungssport zu betreiben. Wie hart man täglich dafür arbeiten muss und wie man sich auch außerhalb des Trainings zu verhalten hat. Er hat meine Karriere, mein Leben verändert. Es war ein neuer Anfang. Aber ich muss zugeben: Ich vermisse Brasi- lien. Dort wurde ich geboren, es ist meine Heimat. Und auch, wenn ich mich hier wohl fühle: Es ist nicht so leicht, über eine so lange Zeit in Europa zu leben. Wie ist deine Familie einst nach Brasilien gekommen? Meine Großeltern sind aus Japan nach Brasilien ausgewandert, mei- ne Eltern wurden also schon in Brasilien geboren. Natürlich gab es trotzdem noch viele japanische Einflüsse in unserer Familie. Mei- ne Eltern wurden sehr streng erzogen, sind sehr diszipliniert. Und auch ich habe davon noch etwas abbekommen. Diese japanischen Einflüsse haben mir geholfen, klar in meinen Zielen zu sein, diszi- pliniert dafür zu arbeiten. Aber mit jeder weiteren Generation geht auch ein Stück dieser japanischen Kultur verloren. Ich sehe zwar aus wie ein Japaner, aber ich wurde sehr stark von Brasilien geprägt und fühle wie ein Brasilianer. Wie ist es mit der deutschen Sprache? Leider habe ich im Moment nicht so viel Zeit, aber ich wünsche mir, Deutsch zu lernen. Denn wenn ich zum Beispiel hier in Bre- men einkaufe und mich jemand anspricht oder beim Spiel Zuschauer auf mich zukommen, muss ich immer sagen: Sorry, ich spreche kein Deutsch. Das liegt auch daran, dass es bisher immer so ging. In der Trainingsgruppe in Ochsenhausen gab es keinen deutschen Spieler, wir haben alle Englisch gesprochen. Und hier bei Werder geht es im Training auch sehr gut auf Englisch. In Frankreich war es einfacher, weil die Sprache mit meiner Muttersprache Portugiesisch verwandt ist. Deutsch ist aber ganz anders und sehr, sehr schwer. Interview: Martin Lange Foto: imago

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