DER BETRIEB 25 - page 74

streichen mu¨ssen. Das Legislativpaket
entha¨lt auch eine RL, durch die der
Ru¨ckgriff auf Ratings in den sektoralen
Rechtsvorschriften u¨ber Organismen fu¨r
gemeinsame Anlagen (OGAW), die Ver-
walter alternativer Investmentfonds
(AIFM) und Einrichtungen der betriebli-
chen Altersvorsorge (EbAV) grundsa¨tz-
lich verringert wird.
2. Qualitative Verbesserung bei den
Ratings von Staatsanleihen der EU-
Mitgliedstaaten
Um Unruhe am Markt zu vermeiden,
werden die Ratingagenturen fu¨r ihre EU-
La¨nderratings einen Zeitplan aufstellen.
Erfolgen solche Ratings unaufgefordert,
sind sie auf drei pro Jahr beschra¨nkt. Von
dieser Regel kann unter außergewo¨hn-
lichen Umsta¨nden und bei ausreichender
Begru¨ndung abgewichen werden. Die Ra-
tings werden ausschließlich freitags nach
Handelsschluss und mindestens eine
Stunde vor O¨ ffnung der Handelspla¨tze in
der EU vero¨ffentlicht. Daru¨ber hinaus
werden Anleger und Mitgliedstaaten bei
jedem Rating u¨ber die zugrunde liegen-
den Fakten und Annahmen informiert,
was das Versta¨ndnis von La¨nderratings
verbessern wird.
3. Erho¨hung der Rechenschaftspflicht
von Ratingagenturen
Die neuen Vorschriften werden die Re-
chenschaftspflicht der Agenturen fu¨r ihr
Handeln erho¨hen, denn Ratings sind
mehr als nur Meinungsa¨ußerungen. Aus
diesem Grund stellen die neuen Vor-
schriften sicher, dass eine Ratingagentur
bei einem vorsa¨tzlichen oder grob fahrla¨s-
sigen Verstoß gegen die Verordnung u¨ber
Ratingagenturen und damit verbundenem
Schaden fu¨r einen Anleger oder Emitten-
ten haftbar gemacht werden kann.
4. Verringerung von Interessenkonflik-
ten beim Modell des zahlenden Emit-
tenten
Die Verordnung wird die Unabha¨ngigkeit
der Ratingagenturen erho¨hen und durch
eine obligatorische Rotation bei bestimm-
ten komplexen strukturierten Finanz-
instrumenten (Wiederverbriefungen) zur
Beseitigung von Interessenkonflikten bei-
tragen. Auch fu¨r die Beteiligung an Ra-
tingagenturen gelten Beschra¨nkungen.
Um das Risiko von Interessenkonflikten
zu mindern, werden Ratingagenturen den
neuen Vorschriften zufolge fu¨r Anteilseig-
ner, die mindestens 5% ihres Kapitals oder
ihrer Stimmrechte halten, ku¨nftig offenle-
gen mu¨ssen, ob diese mit 5 oder mehr Pro-
zent an einem bewerteten Unternehmen
beteiligt sind, undmu¨sste eine Ratingagen-
tur von einem Rating absehen, wenn ein
Anteilseigner, der 10 oder mehr Prozent
ihres Kapitals oder ihrer Stimmrechte ha¨lt,
an einem bewerteten Unternehmen mit 10
oder mehr Prozent beteiligt ist.
Um die Vielfalt und Unabha¨ngigkeit von
Ratings zu gewa¨hrleisten, untersagt die
Verordnung Beteiligungen ab 5% bei
mehr als einer Ratingagentur, es sei denn,
die betreffenden Agenturen geho¨ren der-
selben Gruppe an (U¨ berkreuzbeteiligun-
gen).
5. Vero¨ffentlichung von Ratings auf
einer europa¨ischen Ratingplattform
Alle verfu¨gbaren Ratings werden auf einer
europa¨ischen Ratingplattform vero¨ffent-
licht, die ab Juni 2015 zur Verfu¨gung ste-
hen wird. Dies wird die Vergleichbarkeit
und Sichtbarkeit der Finanzinstrumente-
ratings von in der EU registrierten und
zugelassenen Ratingagenturen erho¨hen.
Daru¨ber hinaus wird es den Anlegern hel-
fen, ihre eigene Kreditrisikobewertung
vorzunehmen, und zu gro¨ßerer Vielfalt in
der Ratingbranche beitragen.
Im Rahmen des Pakets wird die Kommis-
sion auch die Lage am Ratingmarkt u¨ber-
pru¨fen und dem Europa¨ischen Parlament
und dem Rat berichten, ob sie die Ent-
wicklung eines speziellen europa¨ischen
Systems fu¨r Staatsanleiheratings fu¨r sinn-
voll ha¨lt. Die Kommission sollte dem Eu-
ropa¨ischen Parlament und dem Rat bis
zum 31. 12. 2016 einen Bericht dazu vor-
legen, ob es sinnvoll und durchfu¨hrbar
wa¨re, auf eine europa¨ische Ratingagentur
speziell fu¨r die Bewertung der Staatsanlei-
hen von Mitgliedstaaten und/oder eine
europa¨ische Ratingstiftung fu¨r alle ande-
ren Arten von Ratings hinzuwirken. (PM
der EU-Kommission vom 18. 6. 2013)
u
DB0596990
EU: Verbotsirrtum schu¨tzt Unterneh-
men nicht vor Geldbußen wegen Ver-
stoßes gegen europa¨isches Kartell-
recht
Der Rechtsrat einer Anwaltskanzlei oder
eine Entscheidung einer nationalen Wett-
bewerbsbeho¨rde nehmen dem Verhalten
eines Unternehmens nicht seine Wett-
bewerbswidrigkeit und schu¨tzen nicht vor
der Verha¨ngung einer Geldbuße. Hat das
Unternehmen, das die Zuwiderhandlung
begangen hat, an einem nationalen Kron-
zeugenprogramm teilgenommen, du¨rfen
die nationalen Wettbewerbsbeho¨rden nur
in Ausnahmefa¨llen von der Verha¨ngung
einer Geldbuße absehen. Das hat der
EuGH in der Rs. C-681/11 Bundeswett-
bewerbsbeho¨rde,
Bundeskartellanwalt/
Schenker & Co u. a. entschieden.
Die Schenker & Co AG und 30 weitere
Gesellschaften waren Mitglieder der
o¨sterreichischen Spediteurs-Sammella-
dungs-Konferenz (SSK), einer Interessen-
gemeinschaft eines Teils der Mitglieder
des Zentralverbandes der Spediteure.
Letzterer war eine Interessenvertretung
fu¨r Spediteure und Logistikdienstleister
mit Speditionskonzession.
1996 entschied das Kartellgericht, dass
die SSK ein Bagatellkartell i. S. des o¨ster-
reichischen Rechts darstelle. Eine auf
Kartellrecht spezialisierte o¨sterreichische
Anwaltskanzlei, die als Beraterin heran-
gezogen wurde, vertrat ebenfalls die Auf-
fassung, dass es sich bei der SSK um ein
Bagatellkartell und somit nicht um ein
verbotenes Kartell handele.
Am 11. 10. 2007 gab die Kommission be-
kannt, dass die betreffenden Unterneh-
men Bestimmungen des Unionsrechts
verletzt haben ko¨nnten, die wettbewerbs-
beschra¨nkende Gescha¨ftspraktiken ver-
bo¨ten.
Das OLG Wien vertrat die Auffassung,
dass gegen die fraglichen Unternehmen
wegen der Abstimmung der Preise kein
Verschuldensvorwurf zu erheben sei; sie
ha¨tten sich auf einen Beschluss des Kar-
tellgerichts gestu¨tzt, mit dem festgestellt
worden sei, dass ihre Vereinbarung ein
Bagatellkartell darstelle. Das Verhalten
der SSK habe sich nicht auf den Handel
zwischen den Mitgliedstaaten ausgewirkt,
und es liege keine Zuwiderhandlung ge-
gen das Unionsrecht vor. Den betreffen-
den Unternehmen sei auch deshalb kein
Verschuldensvorwurf zu machen, weil sie
vorab Rechtsrat u¨ber die Rechtma¨ßigkeit
ihres Verhaltens bei einer Anwaltskanzlei
eingeholt ha¨tten.
Bei der Schenker & Co AG, die einen
Kronzeugenantrag gestellt und im Unter-
suchungsverfahren mit der Verwaltung
zusammengearbeitet hatte, hatte die Bun-
deswettbewerbsbeho¨rde die Feststellung
einer Zuwiderhandlung gegen das Uni-
onsrecht und gegen das o¨sterreichische
Kartellrecht ohne Verha¨ngung einer
Geldbuße beantragt. Dieser Antrag wur-
de mit der Begru¨ndung abgewiesen, nur
die Kommission ko¨nne Zuwiderhandlun-
gen feststellen, ohne eine Geldbuße zu
verha¨ngen.
Der mit dem Rechtsstreit befasste Obers-
te Gerichtshof hat dem Gerichtshof zwei
Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Er mo¨chte zuna¨chst wissen, ob ein Unter-
nehmen, das gegen das Wettbewerbsrecht
der Union verstoßen hat, der Verha¨ngung
einer Geldbuße entgehen kann, wenn der
Zuwiderhandlung ein Irrtum dieses Un-
ternehmens u¨ber die Rechtma¨ßigkeit sei-
nes Verhaltens zugrunde liegt, der auf
dem Inhalt des Rechtsrats eines Anwalts
oder einer Entscheidung einer nationalen
Wettbewerbsbeho¨rde beruht. Die zweite
Vorlagefrage geht dahin, ob die nationa-
len Wettbewerbsbeho¨rden, wenn ein Un-
M 16
Nachrichten
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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