DER BETRIEB 25 - page 76

ternehmen an einem nationalen Kronzeu-
genprogramm teilgenommen hat, eine
Zuwiderhandlung gegen das Wett-
bewerbsrecht feststellen ko¨nnen, ohne
eine Geldbuße festzusetzen.
Der Gerichtshof weist zuna¨chst darauf hin,
dass die Tatsache, dass ein Unternehmen
sein Verhalten rechtlich unrichtig einge-
stuft hat, nur in Ausnahmefa¨llen dazu fu¨h-
ren kann, dass ihm keine Geldbuße auf-
erlegt wird, z. B. dann, wenn ein allgemei-
ner Grundsatz des Unionsrechts wie der
Grundsatz des Vertrauensschutzes der
Verha¨ngung einer solchen Geldbuße ent-
gegensteht. Allerdings kann niemand eine
Verletzung des Grundsatzes des Vertrau-
ensschutzes geltend machen, dem die zu-
sta¨ndige Verwaltung keine pra¨zisen Zusi-
cherungen gegeben hat. Der Rechtsrat ei-
nes Anwalts kann bei einem Unternehmen
mithin auf keinen Fall ein berechtigtes
Vertrauen darauf begru¨nden, dass sein Ver-
halten nicht gegen das Wettbewerbsrecht
der Union versto¨ßt oder nicht zur Verha¨n-
gung einer Geldbuße fu¨hrt.
Da die nationalen Wettbewerbsbeho¨rden
nicht befugt sind, eine Entscheidung zu
erlassen, mit der das Fehlen eines Versto-
ßes gegen das Unionsrecht festgestellt
wird, ko¨nnen sie bei Unternehmen kein
berechtigtes Vertrauen darauf begru¨nden,
dass ihr Verhalten nicht gegen die Wett-
bewerbsregeln versto¨ßt. Im U¨ brigen hatte
im vorliegenden Fall die nationale Wett-
bewerbsbeho¨rde das Verhalten der Unter-
nehmen allein nach nationalem Wett-
bewerbsrecht gepru¨ft.
Sodann weist der Gerichtshof darauf hin,
dass das Unionsrecht eine Befugnis der
nationalen Wettbewerbsbeho¨rden zur
Feststellung einer Zuwiderhandlung ge-
gen die europa¨ischen Wettbewerbsregeln
ohne Verha¨ngung einer Geldbuße zwar
nicht ausdru¨cklich vorsieht, sie aber auch
nicht ausschließt.
Der Gerichtshof fu¨hrt hierzu weiter aus,
dass im Rahmen eines nationalen Kron-
zeugenprogramms von der Verha¨ngung ei-
ner Geldbuße nur abgesehen werden kann,
wenn es so durchgefu¨hrt wird, dass das Er-
fordernis der wirksamen und einheitlichen
Anwendung des Wettbewerbsrechts der
Union nicht beeintra¨chtigt wird.
In Bezug auf die Befugnis der Kommis-
sion zur Erma¨ßigung von Geldbußen im
Rahmen ihres eigenen Kronzeugenpro-
gramms stellt der Gerichtshof fest, dass
die Erma¨ßigung einer Geldbuße im Fall
einer Zusammenarbeit von Unternehmen,
die an Zuwiderhandlungen gegen das
Wettbewerbsrecht der Union beteiligt
sind, nur gerechtfertigt ist, wenn eine sol-
che Zusammenarbeit die Aufgabe der
Kommission erleichtert. Das Verhalten
des Unternehmens muss auch von einem
wirklichen Geist der Zusammenarbeit
zeugen.
Schließlich darf, damit die wirksame und
einheitliche Anwendung des Unions-
rechts nicht beeintra¨chtigt wird, die Im-
munita¨t oder die Nichtfestsetzung einer
Geldbuße nur unter ganz besonderen
Umsta¨nden gewa¨hrt werden, z. B., wenn
die Zusammenarbeit eines Unternehmens
fu¨r die Aufdeckung und wirksame Ahn-
dung des Kartells von entscheidender Be-
deutung war.
Daher entscheidet der Gerichtshof, dass
sich die nationalen Wettbewerbsbeho¨r-
den, wenn das betreffende Unternehmen
an einem nationalen Kronzeugenpro-
gramm teilgenommen hat, in Ausnahme-
fa¨llen darauf beschra¨nken ko¨nnen, eine
Zuwiderhandlung gegen die Wett-
bewerbsregeln festzustellen, ohne eine
Geldbuße zu verha¨ngen. (PM des EuGH
vom 18. 6. 2013)
u
DB0597026
Bedenken gegen Investmentkom-
manditgesellschaft – Bundesrat ruft
Vermittlungsausschuss an
Der Bundesrat hat Bedenken gegen die
Einfu¨hrung von Investmentkommandit-
gesellschaften und hat deshalb den Ver-
mittlungsausschuss angerufen. Dies teilt
der Bundesrat in einer Unterrichtung
(BT-Drucks. 17/13877) zum Gesetz zur
Anpassung des Investmentsteuergesetzes
und anderer Gesetze an das AIFM-Um-
setzungsgesetz
(AIFM-Steueranpas-
sungsgesetz – AIFM-StAnpG, BT-
Drucks. 17/12603, 17/13036, 17/13522,
17/13562) mit. Wie die Bundesla¨nder
schreiben, soll der Investmentkomman-
ditgesellschaft einerseits ein transparentes
Durchschleusen von Ertra¨gen an ihre Ge-
sellschafter und andererseits aufgrund des
Fondsprivilegs eine steuerfreie Thesaurie-
rung von Vera¨ußerungsgewinnen ermo¨g-
licht werden. „Eine solche Vermengung
ist systemwidrig und fu¨hrt durch das Ne-
beneinander der bei gewerblichen Per-
sonengesellschaften sowie bei begu¨nstig-
ten Investmentfonds geltenden Besteue-
rungsgrundsa¨tze zu derzeit nicht abseh-
baren Folgeproblemen und Gestaltungs-
mo¨glichkeiten“, schreibt der Bundesrat.
(PM des Bundestages vom 17. 6. 2013)
u
DB0596992
Beaufsichtigung von Kreditinstituten
– Vermittlungsausschuss angerufen
Der Bundesrat hat wegen des sog. CRD
IV-Umsetzungsgesetzes den Vermitt-
lungsausschuss angerufen. Dies teilt der
Bundesrat in einer Unterrichtung (BT-
Drucks. 17/13876) zum Gesetz zur Um-
setzung der Richtlinie 2013/. . ./EU u¨ber
den Zugang zur Ta¨tigkeit von Kreditinsti-
tuten und die Beaufsichtigung von Kredit-
instituten und Wertpapierfirmen und zur
Anpassung des Aufsichtsrechts an die Ver-
ordnung (EU) Nr. . . ./2013 u¨ber die Auf-
sichtsanforderungen an Kreditinstitute
und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umset-
zungsgesetz,
BT-Drucks.
17/10974,
17/11474, 17/13524, 17/13541) mit. Den
La¨ndern geht es darum, alle Abwicklungs-
anstalten in den Geltungsbereich des Ge-
setzes einzubeziehen. (PM des BT vom
17. 6. 2013)
u
DB0596991
Arbeitsrecht
BAG: Betriebsratswahl wegen abwei-
chender Stimmenzahl in der Wahl-
urne und im Wa¨hlerverzeichnis (hier:
im VW-Werk Hannover) unwirksam
Die Wahl eines Betriebsrats ist anfecht-
bar, wenn die Zahl der in den Wahlurnen
befindlichen Stimmen mit der Zahl der
Stimmabgabevermerke in der Wa¨hlerliste
nicht u¨bereinstimmt und die Differenz so
groß ist, dass sie das Wahlergebnis beein-
flussen konnte.
Nach § 19 BetrVG kann die Wahl eines
Betriebsrats beim ArbG angefochten wer-
den, wenn gegen wesentliche Vorschriften
u¨ber das Wahlrecht, die Wa¨hlbarkeit oder
das Wahlverfahren verstoßen wurde und
eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Das gilt
nicht, wenn durch den Verstoß das Wahl-
ergebnis nicht gea¨ndert oder beeinflusst
werden konnte. Eine wesentliche Vor-
schrift u¨ber das Wahlverfahren ist § 12
Abs. 3 der Wahlordnung zum BetrVG
(WO). Danach wirft der Wa¨hler bei der
Wahl den Wahlumschlag, in den der
Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne
ein, nachdem die Stimmabgabe in der
Wa¨hlerliste vermerkt worden ist. Durch
den in der Wa¨hlerliste anzubringenden
Stimmabgabevermerk wird verhindert,
dass nicht zur Wahl berechtigte Personen
eine Stimme abgeben oderWahlberechtig-
te mehrfach wa¨hlen. Bei elektronisch ge-
fu¨hrtenWa¨hlerlisten kann die Stimmabga-
be auch elektronisch vermerkt werden. Ei-
ne spa¨tere Erga¨nzung oder Berichtigung
der Stimmabgabevermerke ist nicht zula¨s-
sig. Die Stimmabgabe der Wa¨hler kann
auch nicht auf andere Weise als durch die
Vermerke in der Wa¨hlerliste festgestellt
oder bewiesen werden. Ergibt sich nach
Abschluss der Wahl, dass sich in den
Wahlurnen mehr Stimmzettel befinden,
als die Wa¨hlerliste an abgegebenen Stim-
men ausweist, la¨sst sich der hieraus folgen-
de Verstoß gegen § 12 Abs. 3 WO nicht
nachtra¨glich heilen. Insbesondere kann
nicht auf andere Weise – etwa durch nach-
tra¨gliche Auswertung von Protokollie-
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Nachrichten
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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