Warum wir Grundsa¨tze fu¨r die Erstellung von Fairness
Opinions brauchen
D
ie Teilnahme am Straßenverkehr ist
mit gewissen Risiken verbunden: Je-
des Jahr geschehen auf deutschen Straßen
und Autobahnen Unfa¨lle mit hohem Sach-
und Personenschaden. Um die Zahl der Un-
fa¨lle und die daraus entstehenden Scha¨den
zu minimieren, hat der Gesetzgeber mit
der Straßenverkehrsordnung Regeln auf-
gestellt, an die sich die Verkehrsteilnehmer
zu halten haben. Leider kommt es aber
trotz dieser Regeln immer wieder zu Unfa¨l-
len. Niemand wu¨rde allerdings auf die Idee
kommen, fu¨r die auftretenden Unfa¨lle die
Existenz der Straßenverkehrsordnung ver-
antwortlich zu machen.
Genau diesen Eindruck erwecken aber
Bro¨sel/Zimmermann
in ihrem Gastkommen-
tar „Projekt Olympia – Mappus Fair Play“
(
DB 32/2012): Der eingetretene „Unfall“
ist hier der Erwerb der Anteile an der EnBW
durch das Land Baden-Wu¨rttemberg, bei
dem der ehemalige Ministerpra¨sident
Map-
pus
sich mo¨glicherweise u¨ber bestehende
gesetzliche Regelungen hinweggesetzt und
einen zu hohen Preis entrichtet hatte. Mit-
verantwortlich fu¨r den Schaden seien die
Grundsa¨tze der DVFA fu¨r die Erstellung von
Fairness Opinions: Sie ermo¨glichten Herrn
Mappus
,
sich auf ein „Gefa¨lligkeitsgutach-
ten“ zu berufen und somit frei von recht-
lichen Konsequenzen den in den Augen
von
Bro¨sel/Zimmermann
u¨berteuerten Deal
durchzufu¨hren.
Das ist nicht richtig. Die DVFA hat die
Grundsa¨tze fu¨r die Erstellung von Fairness
Opinions als Reaktion auf die zunehmende
Verbreitung dieses Instruments und die
bislang fehlenden Regeln fu¨r ihre korrekte
Anwendung, fu¨r den Umgang mit Interes-
senkonflikten und die erforderliche Trans-
parenz etc. erarbeitet. Sie steht damit
nicht alleine: das IDW hat ebenfalls Grund-
sa¨tze fu¨r die Erstellung von Fairness Opini-
ons durch Wirtschaftspru¨fer verabschiedet
(
IDW S 8). Offenkundig gibt es fu¨r eine
große Anzahl von Managern gute Gru¨nde,
bei einer Unternehmenstransaktion eine
Bank und/oder einen Berater mit der Er-
stellung einer Fairness Opinion zu beauf-
tragen. Einer davon ist die Verscha¨rfung
der Organhaftung gegenu¨ber den Aktiona¨-
ren, die auch in der Einfu¨hrung der sog.
Business Judgement Rule in § 93 AktG ih-
ren Niederschlag gefunden hat.
E
rhebliche Haf tungsrisiken
fu¨r Banken
Die zunehmende Nutzung von Fairness
Opinions muss nicht jedem gefallen; man
sollte aber zur Kenntnis nehmen, dass sich
Marktteilnehmer aus freien Stu¨cken (und
ohne Beeinflussung durch Banken oder gar
der DVFA) dafu¨r entscheiden, eine Fairness
Opinion in Auftrag zu geben. Es ist ein (al-
lerdings dem aktuellen Zeitgeist entspre-
chendes) Ma¨rchen, dass die Investment-
banken ihren Klienten Fairness Opinions
aufdra¨ngen, um ihnen damit noch mehr
Geld aus der Tasche zu ziehen. Die Kosten
fu¨r eine Fairness Opinion sind im Vergleich
mit den sonstigen, im Rahmen von Unter-
nehmenstransaktionen fa¨lligen Gebu¨hren
recht gering. Die damit auch fu¨r die Bank
verbundenen Haftungsrisiken sind dage-
gen, wie im hier vorliegenden Fall, ganz er-
heblich.
Natu¨rlich gibt es Interessenkonflikte,
Mo¨glichkeiten zum Missbrauch und die Ge-
fahr von „Gefa¨lligkeitsgutachten“. Die Exis-
tenz von Grundsa¨tzen fu¨r die Erstellung
von Fairness Opinions ist allerdings u¨ber-
haupt erst die Voraussetzung dafu¨r, dass
anhand der Mindestanforderungen un-
zweckma¨ßige Fairness Opinions von zweck-
ma¨ßigen unterschieden werden ko¨nnen.
Fu¨r den Fall EnBW ist ein ggf. zu bemu¨hen-
des Gericht ansonsten gar nicht in der Lage
zu u¨berpru¨fen, ob die vorliegende Fairness
Opinion fu¨r den von Herrn
Mappus
ange-
strebten Nachweis der erforderlichen Sorg-
falt geeignet ist.
Zum anderen existieren Interessenkon-
flikte und Gefa¨lligkeitsgutachten in erheb-
lichem Umfang bereits ohne eine Fairness
Opinion bei jedem anderen Bewertungsgut-
achten: Die allseits bekannten Spielra¨ume
hinsichtlich der Wahl des Diskontierungs-
satzes, der Scha¨tzung der ku¨nftigen Unter-
nehmensu¨berschu¨sse, der dauerhaften
Wachstumsrate etc. existieren bei jeder Un-
ternehmensbewertung. Die Vorstellung,
Herr
Mappus
ha¨tte bei Verzicht auf Ein-
holung einer Fairness Opinion die ver-
meintlich negativen o¨konomischen Kon-
sequenzen seines Handelns erkannt und
von seinem Plan, die Transaktion zum vor-
liegenden Preisgebot durchzufu¨hren abge-
lassen, erfordert ein gewisses Maß an Gut-
gla¨ubigkeit. Die von den Autoren geforder-
te „investitionstheoretisch fundierte Er-
mittlung des Grenzpreises des Landes Ba-
den-Wu¨rttemberg unter Beru¨cksichtigung
von dessen Zielsystem“ erweist sich als
nicht tauglich: Mo¨glicherweise hatte Herr
Mappus
tatsa¨chlich den von den Autoren
geforderten „subjektabha¨ngigen“ Unter-
nehmenswert im Auge, aber sein eigenes
Zielsystem mit demjenigen des Landes
Baden-Wu¨rttemberg verwechselt! Anhand
welcher Kriterien sollte ein Gericht denn
u¨berpru¨fen, ob sich der gebotene und ge-
zahlte Preis in Einklang mit dem Zielsystem
des Landes Baden-Wu¨rttemberg befindet?
Die von
Bro¨sel/Zimmermann
kritisierten
marktorientierten Bewertungsmethoden
bieten demgegenu¨ber die Mo¨glichkeit, den
gebotenen Preis anhand objektiver Kapital-
marktdaten zu u¨berpru¨fen. Und die Ver-
wendung von „unreflektierten Ertrags-
erwartungen“ im Rahmen des Valuation
Memorandums einer Fairness Opinion wa¨re
bei entsprechendem Nachweis natu¨rlich
auch nicht durch die Grundsa¨tze der DVFA
gedeckt. Eine zweckkonforme Fairness Opi-
nion ist eben gerade keine Blankobeschei-
nigung fu¨r den Auftraggeber, die ihn von
der Pflicht zu einer eigenen sorgfa¨ltigen
Analyse der Transaktion entbindet.
Prof. Dr. Bernhard Schwetzler,
Lehrstuhl Finanzmanagement und
Banken, HHL Leipzig Graduate
School of Management,
Vorsitzender der Arbeitsgruppe
„
Fairness Opinions“ der DVFA.
Der Autor gibt hier seine
perso¨nlichen Ansichten wider.
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DB0538020
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012
Gastkommentar
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