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Jahresbericht 2012
Ärztekammer
Nordrhein
Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik
10
Jahre Bürgerberatung – eine Erfolgsbilanz
Medizinischer Fortschritt, zunehmende Spezialisierung der Gesundheitsberufe und insbesondere
das sich wandelnde Gesundheitssystem führen zu einem wachsenden Informations- und Beratungs-
bedarf von Bürgerinnen und Bürgern.
Hintergrund
Die 2001 erfolgte Einrichtung einer Bürgerbera-
tungsstelle bei der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo),
die im Oktober 2011 in „Patientenberatungsstelle“
umbenannt wurde, ist eingebettet in eine gesamtge-
sellschaftliche Entwicklung der 1980er–2000er-Jah-
re, die eine stärkere Demokratisierung, Entbürokra-
tisierung und Bürgerbeteiligung zum Ziel hatte und
in den späten 1990er Jahren zunehmend auch das
Gesundheitssystem erfasste. In Nordrhein-Westfalen
wurde die „Bürgerorientierung des Gesundheitswe-
sens“ 1995 zum politischen Handlungsfeld erklärt
und im Rahmen entsprechender Projekte erprobt.
Als Resultat der Mitwirkung an einem solchenMo-
dellvorhaben plädierten beide NRW-Ärztekammern
im Jahr 2000 erfolgreich dafür, die Beratung von
Bürgern als Pflichtaufgabe der Kammern im Heil-
berufsgesetz zu verankern
(
§ 6 HeilBerG, Abs. 1 S. 8
und 13)
und schufen in der Folge entsprechende Ab-
teilungen.
Ziele
Neben einer Wegweiserfunktion für Arzt und Pa-
tient durch ein immer undurchsichtiger werdendes
Gesundheitssystem ist eine wesentliche Aufgabe
der Patientenberatung, durch stellvertretende Kom-
munikation Konflikte zwischen den Parteien zu
deeskalieren und so weit wie möglich die Kammer
und ihre Mitglieder durch die Abwendung aufwän-
diger, formaler Beschwerdeverfahren zu entlasten.
Themen
Inhaltlich wie zahlenmäßig hat sich der Bera-
tungsbedarf im Laufe der vergangenen zehn Jahre
deutlich verändert:
Anfangs standen vor allem Fragen nach ambu-
lanten ärztlichen Leistungen und Krankenhäusern,
zu Krankheitsbildern und Therapieoptionen im
Vordergrund. Wo findet sich ein Rheumatologe?
Welcher Arzt bietet Homöopathie an? Welches
Krankenhaus implantiert Hüftgelenke? Fragen,
die durch die Entwicklung vielfältiger, im besten
Fall seriöser Internetangebote in den vergangenen
Jahren deutlich seltener an die Beratungsstelle he-
rangetragen werden. Zugenommen haben dafür
Fragen nach der Qualität ambulanter wie stationä-
rer Leistungserbringer sowie nach der Wirksamkeit
und wissenschaftlichen Evidenz von Behandlungs-
verfahren.
Darüber hinaus ergeben sich aus aktuellem An-
lass immer wieder auch punktuelle Schwerpunkte
wie bei der Schweinegrippe-Pandemie und EHEC-
Epidemie, der Einführung der HPV-Impfung, der
Atom-Reaktor-Katastrophe in Japan oder zuletzt
dem Brustimplantate-Skandal.
Einfluss der Gesundheitspolitik auf das
Beratungsgeschehen
Im Jahr 2004 kam es mit Einführung des GKV-
Modernisierungsgesetzes (GMG) zu einem sprung-
haften Anstieg der Bürgeranfragen. Seither nehmen
Beschwerden überproportional zu und sind aktuell
in fast der Hälfte der Fälle Anlass zur Beratung
(
siehe
Grafik
Seite 39)
.
Im Zentrum stehen vorwiegend Auseinanderset-
zungen um Leistungsansprüche gegenüber Ärzten
und Versicherungen. Die Einführung von Praxis-
gebühr sowie Budgets im Bereich der Arzneimit-
tel- und Heilmittelverordnung und damit eines für
Bürger unmittelbar fühlbaren Wirtschaftlichkeits-
prinzips in der medizinischen Versorgung ist Ursa-
che erheblicher, teils unversöhnlicher Konflikte in
der konkreten Arzt-Patientenbeziehung.
In unmittelbarem Zusammenhang mit dem GMG
stieg auch die Nachfrage rund um das Thema In-
dividuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) stark an
und hat sich zu einem Dauerthema mit erheblichem
Streitpotential entwickelt. Dies war Anlass, gemein-
sam mit weiteren NRW-Beratungsstellen 2009 ein
Poster zu entwickeln, das die wichtigsten Informa-
tionen zum Thema IGeL auf einen Blick zusammen-
fasst. Ziel war es, größere Transparenz, Sicherheit
und Akzeptanz im Umgang mit IGeL-Leistungen
herzustellen und so das Vertrauensverhältnis zwi-
Internetauftritt
Viele nützliche Informationen
zu Themen wie Krankheit und
Prävention, Krankenhaus-
und Arztsuche oder Patien-
tenrechte finden sich als eine
systematische und übersicht-
lich gegliederte Aufbereitung
der häufig gestellten Fragen
in der Patientenberatung auf
der Homepage der Kammer
unter dem Menüpunkt Bürger
oder unter
/
Patientenberatung.