Ärztekammer
Nordrhein
Jahresbericht 2012
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Medizinische Grundsatzfragen
Mehr Prüfaufwand und Verantwortung für die
Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein
Die Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein erfüllt einen wichtigen gesetzlichen
Prüf- und Beratungsauftrag im Zusammenhang mit klinischen Studien.
Klinische Forschung amMenschen
Klinische Forschung mit neuen Arzneimitteln,
Medizinprodukten, epidemiologischen Daten oder
sonstigen berufsrechtlich zu beratenden Studien
dient in erster Linie dem allgemeinen wissenschaft-
lichen Erkenntnisgewinn und dem Fortschritt in
der Medizin. Eine humane medizinische Forschung
ist dem Wohl des einzelnen Menschen verpflichtet.
Zum Schutz der Studienteilnehmer muss daher jede
StudievorihremBeginneinerEthikkommission(EK)
als einem unabhängigen, interdisziplinär besetzten
Gremiumvorgelegt werden, umfeststellen zu lassen,
ob die Grundsätze ethisch zulässigen ärztlichen
Handelns eingehalten werden.
Berufsrechtliche Beratungen
Die EK berät nach
§ 15 Berufsordnung (BO)
nord-
rheinische Ärztinnen und Ärzte vor der Durchfüh-
rung biomedizinischer Forschung am Menschen
über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufs-
ethischen und berufsrechtlichen Fragen. Grund-
lage für die ethische Beratung sind insbesondere
die ethischen Grundsätze medizinischer Forschung
nach der Deklaration von Helsinki des Weltärzte-
bundes. Nicht beratungspflichtig sind ausschließ-
lich retrospektive epidemiologische Forschungsvor-
haben. Im Vordergrund der Beratung stehen
die Freiwilligkeit der Entscheidung zur Versuchs-
teilnahme nach Aufklärung (informed consent),
das Überwiegen des Nutzens gegenüber
einem potenziellen Schaden,
die angemessene Auswahl der Studien-
teilnehmer und
der Schutz vulnerabler Gruppen.
Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehmer
sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen for-
schender Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leit-
linien prüft die EK, ob der Studienplan definierten
wissenschaftlichen Kriterien genügt. Bei Beratungen
der EK nach der Berufsordnung können Ärztinnen
und Ärzte auch – imGegensatz zu klinischen Prüfun-
gen nach dem
Arzneimittelgesetz (AMG)
sowie dem
Medizinproduktegesetz (MPG)
bei einer ablehnen-
den Entscheidung der EK mit der Studie beginnen.
Klinische Prüfungen nach AMG
Bei multizentrischen klinischen Prüfungen be-
wertet die EK in federführender Funktion die kli-
nische Prüfung unter allen Gesichtspunkten. Ihr
Prüfungsumfang richtet sich nach dem
AMG
sowie
der
Good Clinical Practice (GCP)-Verordnung
.
In mit-
beratender Funktion beurteilt sie die Qualifikation
der Prüfer (Prüfärzte) sowie die Geeignetheit der
Prüfstellen.
Nach wie vor Probleme bereitet den EKen die
Tatsache, dass die Qualifikation der Prüfer und die
Geeignetheit der Prüfstellen gesetzlich nicht näher
bestimmt ist. Die Qualifikation der Prüfer wird
studienspezifisch geprüft. Heterogen beurteilt
werden unter den EKen die Anforderungen an
den Nachweis einer GCP-Schulung. Die Ständige
Konferenz der Geschäftsführungen und der Vorsit-
zenden der Ethikkommissionen der Landesärzte-
kammern sowie der Arbeitskreis Medizinischer
Ethikkommissionen erarbeiten in einer Arbeits-
gruppe derzeit eine strukturierte curriculare Fort-
bildung für Prüfärzte.
Klinische Prüfungen nach MPG
Seit der Reform des Medizinprodukterechts vor
zwei Jahren verzeichnet die EK einen deutlichen
Anstieg der Neuanträge auf Bewertung klinischer
Prüfungen mit Medizinprodukten. Das vom Bun-
desministerium für Gesundheit per Verordnung
neu eingeführte elektronische Antragsverfahren
über das Deutsche Institut für Dokumentation und
Information (DIMDI) bei MPG-Studien ist noch
nicht ausgereift und bereitet den Antragsstellern
sowie der Geschäftsstelle der EK immer wieder
Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung.