Gutachtliche Entscheidungen

Gutachtliche Entscheidungen | 111 Radiologie Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der MRT-Untersuchung durchgeführt wurde. Nach Beendigung der Untersu- chung und Umlagerung auf die Transportliege berich- tete sie über einen plötzlichen starken Schmerz ober- halb des rechten Ellenbogens. Daraufhin erfolgte der Transport in die Röntgenabtei- lung zum Frakturausschluss. Laut Befundbericht der Röntgenuntersuchung des rechten Armes (in 4 Auf- nahmen) vom 4. Juli fand sich ein eindeutiger Nach- weis einer proximalen Humerusfraktur. Die Antragstellerin hat die Überprüfung ihrer Behand- lung mit der Behauptung begehrt, infolge einer un- sachgemäßen Durchführung der MRT-Untersuchung habe sie eine Oberarmkopffraktur rechts erlitten. Die Gutachterkommission hat ein pflichtwidriges Verhal- ten festgestellt, durch welches die Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Fraktur erlit- ten hat. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Nach den Recherchen der Gutachterkommission hat sich für Fäl- le der zu begutachtenden Art kein allseits akzeptierter ärztlicher Standard etabliert. Das ist auch nachvoll- ziehbar, weil es vorliegend eher um die sogenannten allgemeinen Verkehrspflichten geht, die auch bei der ärztlichen Behandlung relevant werden können. Bei der Benutzung eines Gerätes, wodurch eine Gefah- renquelle eröffnet wird, muss der Arzt – wie jeder Berufs- tätige – alle zumutbaren und möglichen Sicherungsmaß- nahmen ergreifen, um den Betroffenen vor Schäden zu schützen. Das Einfahren eines Patienten in ein MRT-Ge- rät muss so organisiert werden, dass dem Patienten da- durch kein Gesundheits- oder Körperschaden entsteht. Das heißt die Gliedmaßen müssen so gelagert werden, dass keine Einklemmungen, Abschürfungen oder Ähn- liches stattfinden können. Dies kann durch eine entspre- chende Konstruktion der Liege, die in das Gerät einfährt, geschehen oder durch mechanische Fixierung (Gurt o.ä.). Ob eine vom Patienten gesteuerte willentliche Fixierung ausreicht, hängt vom den Umständen des Einzelfalls ab. Bei einem bewusstseinsklaren, nicht ersichtlich physisch oder psychisch beeinträchtigten Patienten genügt regel- mäßig die Anweisung, Arme und Beine still zu halten und bis zur Beendigung der Prozedur nicht zu bewegen. Bei solchen Patienten wirdman darüber hinaus auch eine aktive Mitarbeit verlangen und genügen lassen können, etwa die Fixierung eines funktionsgestörten Armes mit- tels der gesunden Hand des anderen Armes. Die Antrag- stellerin gehörte aber ersichtlich nicht zu diesem Patien- tenkreis, denn sie war in ihrer Befindlichkeit erheblich beeinträchtigt (Z. n. Stammhirnblutung und Apoplex, Lähmung des rechten Arms). Bei einem solchermaßen „gehandicapten“ Patienten ist eine objektive, patienten- unabhängige Fixierung geboten, um schadensträchtige Zwischenfälle sicher zu vermeiden. Die behandelnden Ärzte hätten der MTRA eine entsprechende Anweisung geben müssen. Das Unterlassen muss ihnen als Sorgfalts- verstoß angelastet werden. Die Anwesenheit der die Un- tersuchung (in diesem Falle Einfahren der Patientin ins Gerät) steuernden Assistentin im Untersuchungsraum selbst, bietet keinen ausreichenden Unfallschutz für die Patientin, da die MTRA erst reagieren kann, wenn das Ereignis – in diesem Fall das Loslassen des Armes mit Einklemmung in der Geräteöffnung – bereits erfolgt ist. Die patientenunabhängige Fixierung der Gliedmaßen in vergleichbaren Fällen wird von den Patienten nach ent- sprechender Aufklärung und Einholung ihres Einver- ständnisses sicherlich auch problemlos akzeptiert und toleriert. Inwieweit hierdurch tatsächlich die Oberarmfraktur entstanden ist, ist nicht abschließend mit absoluter Si- cherheit zu klären. Unter Berücksichtigung der Einfahr- öffnung des MRT-Gerätes und der dabei verwendeten Wirbelsäulenspule sowie der vorliegenden Osteoporose der am rechten Schultergelenk beteiligten Knochen mit dadurch bedingtem erhöhten Bruchrisiko kann die Frak- tur durchaus durch die unkontrollierte Verlagerung des Armes beim Einfahren in das Gerät verursacht worden sein. Dafür spricht auch die Bruchform, die eher durch eine Stauchung des Oberarms, als durch eine Biegebelas- tung entstanden sei kann. Die fehlenden klinischen Zei- chen am Arm selbst und die fehlenden Schmerzangaben der Patientin zum Zeitpunkt des eigentlichen Zwischen- falles, sondern erst bei den anschließenden Mobilisatio- nen des Armes beim Ankleiden nach der Untersuchung, den Umlagerungsmanövern von der MR-Untersuchungs- liege auf eine MR-kompatible Transportliege und von dieser auf eine übliche (magnetisierbare) Transportliege, sprechen nicht gegen eine bis zu diesem Zeitpunkt statt- gefundene Fraktur, auch wenn erst bei dem dritten Um- lagerungsmanöver (von der Standard-Transportliege auf die RTW-Liege) die Patientin plötzlich heftigste Schmer- zen angab. Da der Bruch zum Zeitpunkt der Röntgenauf- nahme noch nicht erkennbar disloziert war, kann noch keine Schwellung und Blutung vorgelegen haben und das

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