Gutachtliche Entscheidungen

Gutachtliche Entscheidungen | 113 Urologie Harnleiter-Arterien-Fistel − ein fachübergreifender Notfall Bei Fistelbildungen zwischen Harnleiter und Becken-Arterie oder Aorta besteht ein erhebliches Risiko, dass diese verkannt werden. Ursache, Symptomatik, Diagnostik und Therapie müssen fachübergreifend betrachtet werden. von Volkmar Lent, Josef Hannappel und Rötger von Alpen Seit etwa drei Jahrzehnten entstehen zunehmend häufiger als Folge von erweiterten und verbesserten Behandlungsmöglichkeiten ausgedehnter oder fortge- schrittener Tumor- wie Gefäßerkrankungen Kompli- kationen durch Fistelbildungen zwischen einem oder beiden Harnleiter/n und einer Becken-Arterie oder der Aorta. Hierbei besteht die besondere Komplexität einer fachübergreifenden Problematik dadurch, dass 1. die Ursachen allgemein-/gefäßchirurgisch oder gynäkologisch, 2. die Symptome urologisch, 3. die Diagnostik urologisch und gefäßchirurgisch, 4. die Therapie gefäßchirurgisch sind. Zu 1. Nach einer eigenen Literaturübersicht entstand eine Harnleiter-Arterien-Fistel am häufigsten bei Pa- tienten nach Operationen und/oder Strahlentherapie von Tumorerkrankungen von Bauch- und/oder Be- ckenorganen, bei denen wegen einer Harnleiterver- engung eine Dauerkatheterung der Harnleiter erfolgt war. Seltener dagegen waren Gefäßerkrankungen und/oder Operationen mit oder ohne Harnleiter-Ka- theterung die Ursache. Zu 2. Führendes Symptom einer Harnleiter-Arte- rien-Fistel war in allen Fällen eine sichtbare Harnblu- tung, die anhaltend bis wiederkehrend, geringfügig bis lebensbedrohlich sein konnte. Hierbei war eine arte- rielle, pulsierende Blutung nahezu pathognomonisch. Zu 3. und 4. Seit etwa zwei Jahrzehnten haben sich zur Diagnostik und Therapie einer Harnleiter-Arte- rien-Fistel (bei zumeist fehlender Darstellung durch bildgebende Methoden) als geeignete und aussichts- reichste Methoden die intraarterielle Provokations- arteriographie und die intraarterielle Einlage eines Gefäß-Stents erwiesen. Aufgrund der fachübergreifenden Verteilung von Ur- sache, Symptomatik, Diagnostik und Therapie besteht bei einer Harnleiter-Arterien-Fistel das erhebliche Ri- siko für Patienten, dass diese bei mangelnder Kenntnis verkannt und fehlerhaft behandelt wird. Der Sachverhalt Die Gutachterkommission hatte sich mit einem sol- chen Fall bei einer 70-jährigen Patientin zu befassen. Bei der Patientin war 1998 wegen eines Zervixstumpf- karzinoms (Stadium pT4, N2, M0, G2) eine abdomi- no-perineale Rektum-/Sigmaresektion mit terminaler Sigmakolostomie und nachfolgender Radio-Chemo- therapie vorgenommen worden. Zwischen 2002 und 2004 waren wegen einer parastomalen Hernie eine Kolonnachresektion und eine Stoma-Neuanlage/eine Ileusoperation mit Blindverschluss des Dünndarm- schenkels beziehungsweise Ileozökalresektion sowie eine Stomarückverlagerung erfolgt. Seit 2008 waren die Harnleiter beidseits geschient. Die Harnleiterschie- nen wurden periodisch gewechselt. Die Patientin stellte sich am 6. Mai 2012 wegen einer akuten Harnblutung bei Harnstauung und Doppelnie- re rechts in der Notfallaufnahme vor. Es wurde dort ein Spülkatheter eingelegt; anschließend wurde die Patientin stationär aufgenommen. Am 8. Mai erfolg- te bei anhaltender Blutung eine transurethrale Re- sektionsbiopsie der Harnblase; ein Tumor war nicht nachweisbar. Am 11. Mai wurde wegen einer Harnbla- sentamponade eine transurethrale Harnblasen-Nach- koagulation durchgeführt. Hierbei stellten die behan- delnden Ärzte eine intermittierende, starke arterielle Blutung aus dem rechten Ostium fest, die sich zunächst nicht stoppen ließ. Eine Computertomographie, ein Angio-CT des Abdomens und die digitale Substrakti- onsangiographie (DSA) der rechten Niere zeigten kei- nen pathologischen Befund.

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