Gutachtliche Entscheidungen

46 | Gutachtliche Entscheidungen Therapeutische Informationspflicht zur Erreichung des Behandlungszieles geboten Im nachfolgend geschilderten Fall beklagte eine 69-jährige Patientin gegenüber der Gutachterkommis- sion für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärzte- kammer Nordrhein eine fehlerhafte Durchführung der bei ihr vorgenommenen Bandscheibenoperation, in deren Folge es zu einer Liquorrhoe bei Duraverletzung mit nötiger Revisionsoperation gekommen ist. Durch die fehlerhafte Behandlung einer postoperativen In- fektion seien eine Spondylodiszitis und ein spinaler Abszess aufgetreten, die einen weiteren Eingriff erfor- derten und zu einer dauerhaften Gehbehinderung auf- grund einer irreversiblen Nervenschädigung geführt hätten. Die Patientin rügt auch die Risikoaufklärung zum Eingriff. Sachverhalt Nach den Krankenunterlagen der in Anspruch ge- nommenen orthopädischen Klinik erfolgte bei der Pa- tientin – nach einer über fünf Tage erfolglos bis zum 24. Mai durchgeführten Infiltrationsbehandlung – am 31. Mai eine Bandscheibenoperation in Höhe LWK 4/5. Das MRT der Lendenwirbelsäule vom 19. Mai hatte eine Bandscheibenprotrusion und eine hyper- trophe Spondylarthrose bei neuroforaminaler Enge bei LWK 4/5 rechts und geringer bei LWK 3/4 links gezeigt. Die Patientin konnte nach unauffälligem post- operativem Verlauf am 2. Juni entlassen werden. Bei den Wiedervorstellungsterminen zeigte die Laborkon- trolle am 11. Juni einen gegenüber dem 6. Juni um das 10-fache auf 10,0 mg/dl (Normalwert < 0,5 mg/dl) an- gestiegenen CRP-Wert und einen leichten Hb-Abfall von 13,4 auf 12,6 g/dl, was an diesem Tag zur stationä- ren Aufnahme der Patientin führte. Sie berichtete hier- zu in ihrer Stellungnahme, dass am 4. Juni erstmals Kopfschmerzen aufgetreten seien, die in der Nacht zum 6. Juni plötzlich so stark wurden, dass sie gestürzt sei, auch weil das rechte Bein plötzlich völlig kraftlos ge- wesen sei. Aufgrund des MRT-Befundes vom 12. Juni, der neben postoperativen Veränderungen einen umschriebenen Flüssigkeitsverhalt in der Bandscheiben LWK 4/5 und rechts dorsal einen Hinweis auf ein Serom aufzeigte, wurde die Verdachtsdiagnose einer Nachblutung ge- stellt und für den 13. Juni eine Revisionsoperation mit ggf. Hämatomausräumung veranlasst. Intraoperativ zeigte sich ein kleines Liquorkissen bei kleiner Dura- läsion, welche übernäht wurde. Im intraoperativen Ab- strich wurde bis zum 14. Juni als verursachender Keim Staphylococcus epidermidis nachgewiesen, der sich auf das bereits seit der Revisionsoperation intravenös verabreichte Cefazolin hoch sensibel zeigte. Vom 16. Juni bis zur Entlassung am 23. Juni erfolgte dann eine orale Gabe von Cefuroxim. Der CRP-Wert fiel bis zum 19. Juni auf 2,7 mg/dl ab. Die Patientin wurde am Rollator unter kontinuier- licher Schmerztherapie remobilisiert. Bei der Ent- lassungsuntersuchung lag noch eine Parästhesie der Nervenwurzel S1 rechts vor. Als Nachbehandlung empfohlen wurden eine bedarfsgerechte Schmerz­ therapie, eine rumpfstabilsierende rein isometrische Krankengymnastik, das Vermeiden von Heben und Tragen von mehr als fünf Kilogramm sowie Inklina­ tionsbewegungen für etwa sechs Wochen, eine kör- perliche Schonung und eine Wiedervorstellung in drei Monaten beziehungsweise bei Beschwerden früher. Am 6. Juli stelle sich die Patientin notfallmäßig in einer nicht in das Begutachtungsverfahren einbezo- genen Neurochirurgischen Klinik vor, da seit dem 30. Juni erneute Beschwerden aufgetreten waren. Dort zeigte sich eine Abszesshöhle in Höhe des LWK 4/5 und eine Spondylodiszitis. Es erfolgten eine Abszess- ausräumung, Spülung mit Betaisodona und Einlage von Genta-Coll ® . Der intraoperative Abstrich wies wiederum Staphylococcus epidermidis nach. Die Be- handlung erfolgte mit Clindamycin 4 x täglich. Die Der behandelnde Arzt ist zur Erreichung und Sicherung des Behandlungszieles dazu verpflichtet, den nachbehandelnden Arzt und den Patienten über die gesundheitliche Entwicklung während der Behandlung und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen zu informieren. von Michael Schirmer, Karl Joseph Schäfer und Beate Weber Chirurgie

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