Gutachtliche Entscheidungen

Gutachtliche Entscheidungen | 83 Neurologie Der internistische Befund sei unauffällig gewesen. Im neurologischen Befund wurden die spastische Bein- parese rechts und eine Unfähigkeit, den Kniehacken- versuch rechts auszuführen, erwähnt. Psychisch sei der Patient zur Person voll, zeitlich und situativ nicht (laut Ehefrau vorbestehend) orientiert gewesen. Unter den vorläufigen Diagnosen „AZ-Verschlechterung, V.a. beginnenden Infekt, respiratorische Insuffizienz und Hepatopathie bei bekannter Cholelithiasis“ wurde der Patient stationär aufgenommen. Es wurden enge internistische Kontrollen und gegebenenfalls eine Anti- biose angeordnet, falls die Entzündungswerte erhöht seien oder der radiologische Nachweis von Infiltraten erbracht worden sei. Noch am gleichen Tag wurde eine kraniale Computer- tomographie durchgeführt, die über den bekannten linksseitigen Defekt im Anteriorstromgebiet hinaus keine neuen Gesichtspunkte lieferte. Es wurde ange- ordnet, die ambulante Dauermedikation fortzuführen, unter anderem mit Gabapentin 600 mg (1-1-1). Im Auf- nahmelabor waren die Entzündungswerte nicht er- höht (CRP 0,59 mg/dl, Leukozyten 10,04 G/l). Der Patient wurde auf der interdisziplinären anästhe- siologischen Intensivstation aufgenommen. Im Über- wachungsbogen vom 9. Juni wurde um 14.00 Uhr, um 20.00 Uhr und am nächsten Morgen um 08.00 Uhr die Gabe vom jeweils 600 mg Gabapentin eingetra- gen. Im Pflegebericht vom 9. Juni wurde angegeben, dass der Patient um 16.00 Uhr fokal mit dem rechten Arm gekrampft habe und der Arzt vom Dienst unter- richtet worden sei. Daraufhin sei eine neurologische Konsiliaruntersuchung durch die zweitbeschuldig- ten Ärzte zur Frage einer gesenkten Epilepsieschwel- le bei Infekt angefordert worden. Die Untersuchung fand noch am 09. Juni um 20.15 Uhr statt. Dokumen- tiert wurde, dass sich eine brocabetonte Aphasie mit wechselndem Sprachverständnis und eine hochgradi- ge spastische Hemiparese rechts gezeigt hätten. In dem nachfolgend geschilderten Fall führte das er- satzlose Absetzen des Antikonvulsivums bei sympto- matischer Epilepsie und die anschließende unzurei- chende antikonvulsive Therapie dazu, dass der Patient an den Folgen eines Status epilepticus verstarb. Sachverhalt Aus zahlreichen früheren stationären Entlassungs- briefen geht hervor, dass der Patient in 2009 einen links-hemisphärischen Schlaganfall erlitten hatte mit seitdem bestehender spastischer Hemiparese rechts. Ein Jahr später trat ein erster komplex-fokaler Krampf- anfall als Ausdruck einer symptomatischen Epilepsie auf, sodass der Patient antiepileptisch mit Gabapentin 3x 300 mg täglich behandelt wurde. Im Mai 2013 wur- de der Patient wegen eines erneuten Grand Mal in der belasteten Abteilung für Neurologie stationär behan- delt. Die Gabapentin-Dosis wurde auf 3 x 600 mg ge- steigert. Diese Dosis wurde bis zum Tag der nunmehr zur Diskussion stehenden stationären Aufnahme am 9. Juni 2014 im belasteten Krankenhaus beibehalten. Neben den neurologischen Erkrankungen bestanden zahlreiche internistische Vorerkrankungen, wie eine arterielle Hypertonie, eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern und eine Adipositas. Nachweislich der Kopie des Notarztprotokolls von diesem Tag war der Patient am Morgen zu Hause auf dem Toilettenstuhl teilorientiert vorgefunden worden. Fremdanamnestisch sei er schon seit dem Aufwachen vigilanzgemindert und desorientiert gewesen. Unter dem Verdacht auf einen erneuten zerebralen Insult wurde der desorientierte und bewusstseinsgetrübte Patient in die zentrale Notaufnahme des belasteten Krankenhauses gebracht, wo er um 08.44 Uhr eintraf und durch den diensthabenden Assistenzarzt unter- sucht wurde. Der Status epilepticus stellt eine Notfallsituation dar, der eine sofortige medikamentöse Behandlung und eine intensivmedizinische Betreuung erfordert. Aufgrund der hohen Mortalität ist es jedoch genauso wichtig, das Eintreten eines Status epilepticus zu verhindern. von Johannes Noth, Lothar Jaeger und Beate Weber Halbherzige Behandlung eines epileptischen Anfalls

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