Rheinisches Ärzteblatt 01/2023

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 19 Spezial einigen Tierarten wirkten sich diese auf das Balzverhalten aus. Die Hormone veränderten beispielsweise den Balzruf des männlichen Krallenfrosches merklich, sodass dieser auf Weibchen nicht mehr anziehendwirke –mit allen Folgen für die Fortpflanzung und die Arterhaltung. Damit deutlich weniger Diclofenac-Gel ins Wasser gelangt, empfahl Pfeifer, nach dem Auftragen auf die Haut, die Hände zunächst mit einem Tuch abzuwischen und dieses im Restmüll zu entsorgen, bevor man sich die Hände wäscht. Mit wirkstofffreien Alternativen wie zum Beispiel Wärmepflastern könne man das Problem von vornehinein umgehen. Auch Ärztinnen und Ärzte können nach Ansicht vonMaack dazu beitragen, Umweltbelastungen durch Arzneimittel zu verringern. Um Doppelverordnungen zu vermeiden, rät er, genauer zu erfragen, welcheWirkstoffe Patientinnen und Patienten bereits einnehmen. Außerdemkönnten sie die Patienten bei der Verschreibung der Arzneimittel auf die richtige Entsorgung hinweisen. Dazu müsse bei Ärzten, Tierärzten und Apothekern ebenso wie bei Patienten aber auch ein Problembewusstsein geschaffen werden. Maack plädierte hier für eine umfangreiche Informations- und Aufklärungskampagne. Was können Kläranlagen leisten? Um hartnäckige Arzneimittelrückstände aus dem Abwasser zu entfernen, sind Kläranlagen mit einer sogenannten „Vierten Reinigungsstufe“ gefragt. Laut Dr. Ing. Issa Nafo vom Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft/Lippeverband in Essen ist diese „Vierte Reinigungsstufe“ kein festgelegtes Verfahren, sondern beschreibt vielmehr die gezielte Eliminierung vonStoffenaus demAbwasser. ImModell einer Kläranlage komme zuerst die erste, mechanische Reinigungsstufe. Sie entferne beispielsweisemit einer Art Rechen groben Unrat wie Flaschen und Konservendosen aus dem Wasser. Bei der biologischen Reinigung, der zweiten Reinigungsstufe, würden Mikroorganismen eingesetzt, die organische Abwasserstoffe als Nahrung zu sich nehmen und auf diese Art dasWasser reinigen. Inder darauffolgendendritten Reinigungsstufe würden chemische Verfahren angewendet, umWasser zu reinigen, dasmit Stickstoff und Phosphor belastet sei. Mithilfe dieser drei Verfahren sei es möglich, Arzneimittelwirkstoffe wie Ibuprofen und Paracetamol nahezu komplett aus demWasser zu entfernen. Rückstände vonDiclofenac oder Antibiotika ließen sich jedoch nur schwer aus dem Wasser beseitigen. Dazu gebe es die Vierte Reinigungsstufe, mit der man gezielt gegen diese Stoffe vorgehen könne. Kläranlagen könnten dabei auf zwei Methoden zurückgreifen: EineMöglichkeit sei der Einsatz vonOzon, dasmit großer Energie direkt vor Ort erzeugt werde und dann imAbwasser mit denArzneimittelrückständen reagiere, damit diese ihre ursprünglicheWirkweise verlieren. Als zweite Möglichkeit nannte Nafo den Einsatz von Aktivkohle. Diese hefte sich an dieWirkstoffe und könne dann einfach samt der Rückstände aus demWasser gezogen werden. Röntgenkontrastmittel – eine Herausforderung Aber selbst mit der Vierten Reinigungsstufe scheitern Kläranlagen anWirkstoffenwie Röntgenkontrastmittel, sodass Spurenelemente sogar vereinzelt im Trinkwasser nachgewiesen werden konnten. Weder eine Ozonung, noch eine Reinigung mit Aktivkohle könnten das Wasser von den Kontrastmittelrückständen befreien, denn die Kohleteilchen hafteten nicht an den Mitteln und in der Reaktion mit Ozon komme es zuunerwünschtenAbbauprodukten, wie Iod– diese seien nicht nur bei der Ozonung, sondern auch beim Abbau in der Natur zu beobachten, erklärte Dr. rer. nat. Gunther Speichert, ebenfalls vomUmweltbundesamt. Das Iod gelange dann in eigentlich Iod-arme Gewässer und es kommt im weiteren Reaktionsverlauf zu toxischen Stoffen wie Iodessigsäure. Die Gefährlichkeit dieser Abbauprodukte sei noch nicht abschließend wissenschaftlich bewertet, aber es sei immerhin denkbar, dass sie in hoher Konzentration karzinogen wirkten. Da dies auf alle momentan eingesetzten Kontrastmittel zutreffe, gebe es keine ökologischere Alternative, auf dieÄrztinnenundÄrzte zurückgreifen könnten. Auch die Verwendung von weniger Kontrastmittel ist nach Ansicht von Speichert keine Option. Daher gelte es, diese Mittel im Abwasser zu vermeiden. Da das Kontrastmittel wenige Stunden nach der Behandlung mit dem Urin ausgeschieden werde, sollte man nach Ansicht des Umweltexperten eine Urinseparation anwenden. Einige Krankenhäuser erprobten bereits Trockenurinale und Trenntoiletten, die auch in einer teilmobilen Variante zur Verfügung stünden. Arztpraxen könnten ihren Patienten nach einer Behandlung Urinflaschen oder Urinbeutel mitgeben, die nach Benutzung im Restmüll entsorgt werden. Da der Rest- müll verbrannt werde, bestehe hier nicht die Gefahr, dass die Reste in den Wasserkreislauf gelangten, so Speichert. Eine sehr effektive Methode zur Entsorgung von Arzneimitteln sei immer noch die örtliche Apotheke oder der Hausmüll. Allerdings gelte es zu beachten, dassmancheArzneimittel indenSondermüll gehörten, da dieser unter höheren Temperaturen verbrannt werde als der Restmüll. Ärztliche Körperschaften im Internet Ärztekammer Nordrhein www.aekno.de Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein www.kvno.de

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