Rheinisches Ärzteblatt 01/2023

Coronapandemie Vergessene Kinder Januar 2023 Heft 1 / 22.12.2022 77. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts Krankenhäuser in der Krise Lauterbach will Versorgung „entökonomisieren“ Arzneimittelrückstände im Wasser Mit manchen Stoffen sind auch Kläranlagen überfordert Qualitätsberichte in der Onkologie Abschneiden hängt von der Vollständigkeit der Meldungen ab

Kammersymposium Update Ethik Selbstoptimierung– Ethische und juristische Implikationen In Grenzsituationen nicht allein Wir sind für Sie da: Medizinethische Beratung der Ärztekammer Nordrhein CME-Punkte Die Veranstaltung ist mit 4 Fortbildungspunkten anerkannt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Begrüßung und Einführung Selbstoptimierung: Formen und Begrifflichkeiten – Ein Überblick Leistungsdruck und Selbstoptimierung in unserer Gesellschaft Neuroenhancement: Doping für das Gehirn „Schönheitsbehandlungen“ und Ästhetische Behandlungen – Was ist möglich? „Schönheitsoperationen“ und Ästhetische Behandlungen – Alles ärztlich? „Und welche Bedeutung hat das alles für mich? – Gedanken eines klinisch tätigen Arztes“ Diskussion Ausblick, Danksagung und Moderation Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß, Leiter des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen, Vorsitzender des Klinischen Ethik-Komitees des Universitätsklinikums PD Dr. Anja Röcke, Soziologin, Assoziierte Forscherin am Centre Marc Bloch, Berlin Prof. Dr. med. et Dr. disc. pol. Andreas G. Franke, Professur für Fallmanagement mit dem Schwerpunkt Beschäftigungsorientierung und Beratung in prekären Lebenslagen an der Hochschule der Bundes- agentur für Arbeit am Campus Mannheim, Mannheim Prof. Dr. med. Jutta Liebau, Chefärztin, Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Kaiserswerther Diakonie, Florence-Nightingale- Krankenhaus, Düsseldorf Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein Dr. med. Stefan Meier, Facharzt für Anästhesiologie und Intensiv- medizin, Oberarzt am Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Anästhesiologie, Düsseldorf Prof. Dr. med. Susanne Schwalen, Geschäftsführende Ärztin der Ärztekammer Nordrhein Mittwoch, 8. Februar 2023, 16:45–20:00 Uhr Anmeldung und Information Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldungen zur Veranstaltung sind erforderlich und können online durchgeführt werden unter: www.aekno.de/veranstaltungen. Bei Interesse bitten wir um eine Registrierung bis zum 06.02.2023. Fragen zur Veranstaltung beantwortet Ihnen das Team des Veranstaltungsmanagements, Tel. 0211 4302 2216, E-Mail: veranstaltungen@aekno.de. Illustration: stock. adobe.com/© augusta16; tina ennen Online

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 3 Wieder einmal trifft eine Erkrankungswelle auf eine Versorgungslage, die sich über die letzten Jahre nach und nach chronisch verschärft hat. So ist die Zahl der Kinderstationen in den Kliniken in den vergangenen 20 Jahren zurückgegangen, obwohl die Zahl der Kinder wieder gestiegen ist. Darüber hinaus haben viele Pflegekräfte wegen der belastenden und während der Coronapandemie noch einmal verschlechterten Arbeitsbedingungen ihre Tätigkeit quittiert. In der ambulantenVersorgung finden Kinder- und Jugendärzte zunehmend schwerer Praxisnachfolger. Die Politik gibt sich über die problematische Versorgungssituation in Praxen und Kliniken teilweise überrascht. Das überrascht insofern, als der Betten- und Personalabbau und seine Ursache in der DRG-Systematik in den Kinderkliniken kein neues Thema ist. Auf zahlreichen Ärztetagen haben wir darauf hingewiesen. Am 2. Dezember hat die Ampel im Bundestag nun das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz beschlossen. Immerhin sieht es kurzfristig für zwei Bereiche – die Pädiatrie und Geburtshilfe – zusätzliche finanzielle Mittel für die Jahre 2023 und 2024 vor. Für Kinderkliniken soll es 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro extra geben. In einem Korridor von 80 bis 100 Prozent erhalten die Kinderkliniken Geld, egal wie viele Fälle sie abrechnen. Damit ist der Einstieg in den Ausstieg aus der DRG-Systematik gemacht. Gut so. Und wir können nur hoffen, dass die nach Redaktionsschluss verkündete große Krankenhausreform den Ausstieg aus den Fallpauschalen für alle Bereiche zügig fortsetzt. Besonders hoffen wir zeitnah auf eine auskömmliche Finanzierung der Vorhaltekosten. Die Bundesländer müssen dann flankierend, wie in NRW bereits eingeleitet, die notwendigen Strukturveränderungen und Investitionen in der Krankenhauslandschaft vornehmen, um den ruinösen Wettbewerb zwischen den Kliniken zu beenden. Für diesen Winter kommt das Gesetz, gerade was die aktuelle Versorgung von Kindern und Jugendlichen in den Kinderkliniken angeht, allerdings zu spät. Denn es fehlt hier und heute an ärztlichem und pflegerischem Personal sowie an Intensivbetten. Und wer das Thema Fachkräftegewinnung und -sicherung im nächsten Jahr nicht ebenfalls mit einem großen Wurf angeht, der wird am Ende immer wieder vor Versorgungsproblemen stehen, wie wir sie aktuell in den Kinderkliniken erleben. Wer nicht bereit ist, in Ausbildung, Studien- und Arbeitsplätze zu investieren und wer nicht bereit ist, die uferlose und unsinnige Bürokratie in Kliniken und Praxen zurückzufahren, der wird in einer immer älter werdenden Gesellschaft erleben, dass das System zunehmend fragiler wird und zwar auf Kosten der verbleibenden Ärzte und Pflegekräfte, die in diesem Winter erneut die Versäumnisse der Politik und Kassen durch zusätzlichen Arbeitsaufwand kompensieren müssen. Ich wünsche uns daher für das Jahr 2023 parallel zu der dringend benötigten Krankenhausreform eine Gesundheitspolitik, die in allen Sektoren eine Patientenversorgung nach medizinischer Notwendigkeit ermöglicht und uns damit Arbeitsbedingungen, die uns unsere Freude an unserem Beruf erhalten. Ihnen liebe Kolleginnen und Kollegen wünsche ich ein privat und beruflich erfolgreiches neues Jahr 2023. Das Warten auf Reformen Europa erlebt eine frühe Welle synchron verlaufender RSV- und Grippeinfektionen. Besonders viele Kinder kommen in diesem Winter erstmals gleichzeitig mit diesen Viren in Kontakt. Das ist – auch – eine Reaktion auf die unterbliebenen Infektionen infolge der Schutzmaßnahmen während der Coronapandemie. Denn die Schließung von Kindertagesstätten und Schulen und die Einhaltung von Abstandsgeboten hatten den Kontakt zu den Erkältungsviren unterdrückt. Jetzt sind Kinderkliniken, Notaufnahmen und Kinderarztpraxen überlastet. Heft 1 • Januar 2023 Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes

Die Veranstaltungen sind kostenfrei. Anmeldung erforderlich über unsere Homepage www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Bitte beachten: Anrechnung der Fortbildungspunkte nur bei vollständiger Teilnahme Bei Interesse senden wir Ihnen gerne unseren Newsletter: iqn@aekno.de Kontakt Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: 0211 4302-2752 oder -2751 iqn@aekno.de Internet www.iqn.de IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts Anmeldung und Information 90. Fortbildungsveranstaltung „Aus Fehlern lernen“ in Zusammenarbeit mit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein Behandlungsfehlervorwürfe bei Eingriffen zur Hüftgelenk-Endoprothetik Mittwoch, 18. Januar 2023,15:30–17:45 Uhr, Live Online-Seminar Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Referentin des IQN Einführung und Moderation Dr. med. Jochen Neßler Facharzt für Orthopädie, Spezielle Orthopädische Chirurgie Chefarzt LVR-Klinik für Orthopädie, Ärztlicher Direktor, Leiter des Endoprothetikzentrums, LVR-Klinik Viersen Konservative Möglichkeiten und Indikation zum operativen Eingriff Dr. med. Wolfgang Wille Facharzt für Orthopädie Niedergelassen in Düsseldorf Operative Therapie Prof. Dr. med. Christoph Schnurr Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie, Spezielle Orthopädische Chirurgie Chefarzt Klinik für Orthopädie, Leiter des Endoprothetikzentrums der Maximalversorgung, St. Vinzenz-Krankenhaus Düsseldorf Anforderungen an die Aufklärung der PatientInnen und an die Dokumentation Rainer Rosenberger Vors. Richter am OLG Köln a.D., Stellv. Vorsitzender der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein Postoperative Komplikationen Dr. med. Jochen Neßler Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Referentin des IQN Einführung und Moderation Prof. Dr. med. Bernd Bertram Facharzt für Augenheilkunde, Ehrenvorsitzender des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands e.V. Mitglied des Gesamtpräsidiums der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) Mitglied des Vorstands der Ärztekammer Nordrhein Vorsitzender der Leitlinienkommission von DOG und BVA Aachen (Alters-) Makuladegeneration – Diagnostik und Therapieoptionen Prof. Dr. med. Frank G. Holz Facharzt für Augenheilkunde, FEBO, FARVO Ärztlicher Direktor der Universitätsaugenklinik Bonn Diabetes mellitus und Auge – Worauf kommt es an, was gibt es Neues? Prof. Dr. med. Rainer Guthoff Stellvertretender Direktor der Klinik für Augenheilkunde, FEBO, Leiter der Retinologie und der Studienambulanz Universitätsklinikum Düsseldorf Glaukom – aktueller Stand Screening, Diagnostik und Therapie Prof. Dr. med. Verena Prokosch Fachärztin für Augenheilkunde Oberärztin des Zentrums für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Köln Das „rote Auge“ als Notfall? Prof. Dr. med. Philipp Steven Facharzt für Augenheilkunde Niedergelassen in Köln Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Augenblick – Neues und Interessantes zu häufigen Augenerkrankungen Mittwoch, 25. Januar 2023,15:30–17:45 Uhr, Live Online-Seminar Videokonferenz am xx, xx , von xx:00 –xx:00 Uhr Videokonferenz: Titel Va Online Achtung: Programmänderungen möglich!

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 5 Coronapandemie Vergessene Kinder Arzneimittel im Wasser Über Ausscheidungen von Patientinnen und Patienten sowie unsachgemäße Entsorgung gelangen Arzneimittelwirkstoffe in den Wasserkreislauf. Mit Stoffen wie Röntgenkontrastmittel sind auch Kläranlagen überfordert. Qualitätsberichte in der onkologischen Versorgung Das Landeskrebsregister NRW hat individuell für alle onkologischen Kliniken, Medizinischen Versorgungszentren und Praxen Qualitätsindikatoren ausgewertet. Die Gesellschaft weist darauf hin, dass nur vollständige Meldedaten Rückschlüsse auf die Versorgungsqualität zulassen. Meinung Das Warten auf Reformen Seite 3 Magazin Seiten 6 bis 10 91 Millionen Euro mehr für die ambulante Versorgung · Vor 50 Jahren · Berichtigung · Rheinisches Ärzteblatt als E-Paper lesen · Corona: NRW veröffentlicht wöchentlich Messdaten aus Abwasser · Freie Berufe: Bernd Zimmer im Amt bestätigt · Kammer online · Praxisplakat: Die bunte Lebensmittelwahl · Ärztinnen und Ärzte für Kölner Berufskolleg gesucht · Studium und Berufseinstieg Thema Vergessene Kinder Seite 12 Spezial Arzneimittel im Wasser Seite 17 Gesundheits- und Sozialpolitik Kliniken kämpfen kontinuierlich mit Krisen Seite 20 Politik hat Bringschuld für die ambulante Versorgung Seite 21 Forum Onkologische Versorgung: Melder erhalten erstmals Qualitätsberichte Seite 23 Wissenschaft und Fortbildung Nicht erkannte implantatassoziierte Infektion – Folge 135 der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ Seite 24 Tagungen und Kurse Seite 27 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 28 RÄ Regional Seite 32 Bücher Seite 35 An Rhein und Ruhr Seite 36 Kulturspiegel Desperate Housewives Seite 37 Amtliche Bekanntmachungen Seite 39 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 39 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: mauritius images/fStop/Isabella Ståhl Heft 1 • Januar 2023 Depressionen, Angststörungen, Übergewicht: Kontaktbeschränkungen sowie Schul- und Kitaschließungen haben dazu geführt, dass sich die gesundheitliche Situation und die Lebensqualität vieler Kinder und Jugendlicher in der Coronapandemie verschlechtert haben. Experten fordern, dass sich Maßnahmen der Krisenbewältigung in Zukunft deutlicher am Kindeswohl orientieren müssen.

6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 Magazin Berichtigung Notvertretungsrecht Im Artikel „Ehegatten dürfen sich ab 2023 im Gesundheitsnotfall vertreten“ (RHÄ 12/S. 26) heißt es, Ehegatten dürften sich ab 2023 im Gesundheitsnotfall vertreten, wenn keine Patientenverfügung vorliegt. Diese Aussage trifft so nicht zu, da das Notvertretungsrecht auch besteht, wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Der dokumentierte Patientenwille ist ein wichtiger Bezugspunkt bei der Entscheidungsfindung des vertretenden Ehegatten. Dieser ist zu beachten. Auch die Aussage, dass bei lebensgefährdenden medizinischen Maßnahmen in jedem Fall eine Genehmigung durch das Betreuungsgericht erforderlich sei, bedarf einer Klarstellung. Zu dem in § 1904 Abs. 1 S. 1 BGB normierten Grundsatz, dass die Einwilligung des Bevollmächtigten bei einer lebensgefährdenden medizinischen Maßnahme der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf, gibt es gesetzlich normierte Ausnahmen, in denen es einer gerichtlichen Genehmigung nicht bedarf. Zum einen bei Gefahr in Verzug gemäß Absatz 1 S. 2 und zum anderen, wenn Einvernehmen zwischen Betreuer und dem behandelnden Arzt hinsichtlich des Patientenwillens des Betreuten gemäß Absatz 4 besteht. Der Artikel wurde unter www.aekno.de/rae/ notvertretungsrecht entsprechend berichtigt. ÄkNo Ärztliche Körperschaften im Internet Ärztekammer Nordrhein www.aekno.de Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein www.kvno.de Honorarvereinbarung 2023 91 Millionen Euro mehr für die ambulante Versorgung Die Mittel für die ambulante Versorgung und die Honorare der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten in Nordrhein steigen 2023 um rund 91Millionen Euro. Darauf haben sich die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein unddiegesetzlichenKrankenkassen imRheinland Ende November geeinigt. Aufgrund der auf Bundesebene vereinbarten Beschlüsse zum Orientierungspunktwert und der Veränderungsrate der Morbidität der Bevölkerung sowie der demografischen Entwicklung steige die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in Nordrhein um insgesamt gut 57Millionen Euro, teilten die Vertragspartnermit. Zusätzliche 34MillionenEuro stünden für die Vergütung von Einzelleistungen und die Fortführung von Sondervereinbarungen zur Verfügung. Dazu zähle etwa die Förderung der Pflegeheimversorgung im Rheinland, die seit 1. Oktober 2019 laufe und nun bis Ende 2023 verlängert werde. Auch das ambulante Operieren, die Schlafdiagnostik und der ambulante Notdienst würden weiter gefördert. Man habe nach langwierigen und komplexen Verhandlungen am Ende gemeinsam eine gute Lösung erzielt, kommentierte Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, dasVerhandlungsergebnis.Wichtig sei, dass bisherige Sonderförderungen im Rheinland auch im nächsten Jahr im Kern erhalten blieben. MatthiasMohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg, erklärte für die Kassen, insbesondere die fortgesetzte Förderung des Notdienstes und der Pflegeheimversorgung liefere sinnvolle Ansätze zur Weiterentwicklung der ambulanten Versorgungsstrukturen. HK Editorial Der Präsident wendet sich direkt an die Mitglieder Die erste Ausgabe des Jahres 1973 des Rheinischen Ärzteblattes wartete auf der ersten Seite mit einer Neuerung auf. Der damalige Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Friedrich-Wilhelm Koch, richtete einen berufspolitischen Neujahrsgruß direkt andie Kammermitglieder. Er beschwor diese in Abwehr zusammenzustehen, falls die Politik versuchen sollte, „die Freiheit des Arztes, die auch die Freiheit des Patienten ist, anzutasten.“ „Alle inzwischenmehr als 19.000Mitglieder unserer Ärztekammer zu dieser Einheit im politischen Wollen aufzurufen, sei ein Anliegen dieser Zeilen“, schrieb der Präsident. Der Hintergrund des eindringlichen Neujahrsgrußes war der deutliche Wahlsieg der sozial-liberalen Koalition Mitte November 1972. Die Diskussion um die zukünftige Ausrichtung des deutschen Gesundheitssystems wurde dadurch neu entfacht. In Bonnmüsse die Entscheidung getroffenwerden, „obman unser bisheriges System einer individuellen gesundheitlichen Betreuung der Mitbürger erhaltenundder Entwicklung sinnvoll anpassenoder obmanstattdessendenForderungen weltfremder ideologischer Eiferer zu einer ‚Systemüberwindung’ folgenwill.“DerWahlsieg habe „einige dieser Eiferer übermütig und siegessicher gemacht“. Hier gelte es als Ärzteschaft, aufmerksamzu bleiben und den Kurs der Gesprächsbereitschaft zur sinnvollen Weiterentwicklung aufrechtzuerhalten und Bestrebungen zur Systemänderung hin zu einer „entpersönlichten, institutionalisierten oder gar verstaatlichten Medizin“ entschieden entgegenzutreten, so Koch. bre Nach schwierigen Verhandlungen ein gutes Ergebnis erzielt – so beschrieben Ärztevertreter und Kassen das Ergebnis der diesjährigen Honorarrunde. Foto: zabanski/stock.adobe.com

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 7 Magazin Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und Zusatz-Weiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 17. April bis 5. Mai 2023. Anmeldeschluss: Dienstag, 28. Februar 2023 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Weiterbildung Online-Seminare Allgemeinmedizin Für Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung bietet das Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin Nordrhein im ersten Quartal 2023 erneut digitale Abendseminare an. Thematische Schwerpunkte sind laut Kompetenzzentrum der Umgang mit oraler Antikoagulation (25. Januar), akute Gelenkprobleme im Notdienst (1. März) und die Palliativ-Versorgung am Lebensende (8. März). Die Kurse richteten sich vor allem an Ärztinnen und Ärzte in stationärer Weiterbildung, da sie häufige Fragen im Übergang zwischen Praxis und Krankenhaus beantworteten. Weitere Informationen und die Anmeldung unter www.kompetenzzentrum- nordrhein.de MST Neuer Service Rheinisches Ärzteblatt als E-Paper lesen Ab der Ausgabe Januar 2023 stellt die Ärztekammer Nordrhein das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) auch als E-Paper zur Verfügung. Die E-Paper-Ausgabe wird die Print-, die elektronische sowie die in der App für Smartphone und Tablet zur Verfügung stehende Variante ergänzen. Das E-Paper, das den gesamten Umfang des RÄ beinhaltet, kann über die Seite der jeweiligen Monats-Ausgabe auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein aufgerufen werden. Im E-Paper kann wie in der Printausgabe geblättert werden, sämtliche Links ins Internet oder auch abgedruckte E-Mail-Adressen sind entsprechend verknüpft, sodass mit einem Klick die hinterlegte Funktion oder Internetseite aufgerufen werdenkann. Auch sinddieE-Papermit einer Volltext-SuchfunktionundweiterenMöglichkeiten ausgestattet, die den Lesegenuss am Bildschirm erhöhen und komfortabler machen. Die Seiten können vergrößert dargestellt oder in verkleinerter Darstellung rasch durchblättert werden. Ebenso besteht die Möglichkeit, Artikel mit Anmerkungen zu versehen, Seiten mit Kolleginnen und Kollegen zu teilen oder auszudrucken. Diese Funktionen werden über eine Symbolleiste am unteren Rand des E-Paper aufgerufen. Die Nutzung des E-Papers ist kostenfrei. Die E-Paper-Ausgabe findet sich unter www.aekno.de/rheinisches-aerzteblatt auf der Seite des jeweiligen Monats. bre Mehr Transparenz bei Lieferengpässen Mehr Transparenz bei Lieferengpässen von Arzneimitteln hat der Hausärzteverband Nordrhein gefordert. Mehr als 1.000Medikamente seien aktuell nicht lieferbar, viele davon seien wichtig für chronisch kranke Patienten. Damit Hausärztinnen und Hausärzte rechtzeitig nach Alternativen suchen könnten, seienwöchentliche Übersichtenmöglicherweise durch die Apotheken wünschenswert, so der Verband. Zurzeit melden die Pharmaunternehmen im Rahmen einer Selbstverpflichtung Lieferengpässe an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Meldungen sind unter www. bfarm.de abrufbar. HK Kurz gemeldet Mehr Geld für die Prävention Die gesetzlichenKrankenkassenhaben2021 ihreAusgaben für Gesundheitsförderung und Prävention im Vergleich zumpandemiegeprägtenVorjahr um rund 30 Prozent erhöht und sich dem Niveau von vor der Coronapandemie wieder angenähert. Dies geht aus dem Präventionsbericht des GKV-Spitzenverbandes und des Medizinischen Dienstes Bund hervor. Danach flossen insgesamt 538 Millionen Euro in entsprechendeProgramme. Darunter fielen Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung, individuelle Präventionskurse und verschiedene Projekte in Schulen und Kitas, die beispielsweise Bewegung und Ausdauer der Kinder förderten. MST Register für Probanden aufgelegt Um Probanden und die Organisatoren klinischer Studien schneller zusammenzubringen, hat die Uniklinik Köln im Rahmen des europäischen Impfstudien-Netzwerks VACCELERATE eine Datenbank aufgelegt, in der sich Freiwillige registrieren können. Geforscht werde zum Beispiel zu Impfstoffen gegen COVID-19, Polio oder Grippe. Die Uniklinik Köln weist darauf hin, dass potenzielle Probanden sichmit der Registrierung nicht zu einer Studienteilnahme verpflichten. Derzeit seien europaweit rund 100.000 Teilnehmer in der Datenbank verzeichnet. Informationen: https://vacce lerate.eu/, E-Mail: volunteer-­ germany@vaccelerate.eu MST

8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 Magazin Coronainzidenz NRW veröffentlicht wöchentlich Messdaten aus Abwasser In Nordrhein-Westfalen werden seit Ende November wöchentlich die Messdaten zur Coronaviruslast im Abwasser veröffentlicht. Die Auswertung auf der Seite des Landeszentrums für Gesundheit (LZG.NRW) berücksichtige zunächst die Resultate von Proben aus zehn der insgesamt 16 Kläranlagen, die am wissenschaftlichen Pilotprojekt zum Abwassermonitoring teilnehmen, teilte das NRW-­ Gesundheitsministerium mit. Die Abwasserüberwachung ergänze denMix aus etablierten Indikatoren wie zum Beispiel der Krankenhausbelegung und der 7-Tage-Inzidenz, mit der dasMinisteriumdas Infektionsgeschehen fortlaufend beobachte. Das Abwassermonitoring in NRW ist Teil der bundesweiten Forschungs- und Pilotvorhaben „Dezentrales SARS-CoV-2 Monitoring im Abwasser – COVIDready“ und „Systematische Überwachung von SARS-CoV-2 im Abwasser – ESI-CorA“. In NRW fördert das Land vier Probenstandorte mit insgesamt 240.000 Euro. Die restlichen zwölf Standorte werden vom Bund unterstützt. In die aktuelle Auswertung fließen zurzeit die Ergebnisse aus Aachen-Soers, Bottrop, Dinslaken, Dortmund-­ Deusen, Dortmund-Scharnhorst, Duisburg Alte Emscher, Emschermündung, Eschweiler-­ Weisweiler, Mönchengladbach und Wuppertal-Buchenhofen ein, da dort bereits die notwendigen qualitativen Standards erfüllt würden, so das Ministerium. HK Das Monitoring von Coronaviren im Abwasser kann Indikatoren wie die 7-Tage-Inzidenz nicht ersetzen, aber ergänzen. Foto: Kim Brosien/ stock.adobe.com Weiterbildung Alles rund um Facharzt, Schwerpunkt und Co Die Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten ist eine der Hauptaufgaben der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) wie auch jeder anderen Landesärztekammer. Die Weiterbildung zur Fachärztin beziehungsweise zum Facharzt oder auch der Erwerb einer Zusatz-Weiterbildung sind in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein geregelt. Unter www.aekno.de/weiterbildung finden sich übersichtlich alle wesentlichen Informationen sowohl für Weiterzubildende als auch für Weiterbilder. Neben der aktuellen Weiterbildungsordnung und der bisherigen sind dort die Prüfungstermine für 2023 eingestellt. Auch finden sich dort sämtliche Anträge und Merkblätter wie zum Beispiel die Checklisten zur Auslandsanerkennung vonWeiterbildungsabschnitten in der EU oder auch in Drittstaaten. Aber auch der Antrag auf Weiterbildung in Teilzeit oder auf Anerkennung einer Bezeichnung sind als beschreibbare PDF-Dokumente abrufbar. Unter dem Punkt „Hinweise und Informationen“ stehen Ergänzungen zu bestimmtenWeiterbildungsgängenwie beispielsweise zum Anforderungsprofil zur Zusatz-­ Weiterbildung „Spezielle Kinder- und Jugendurologie“. Die in Nordrhein zugelassenenWeiterbildungsbefugten sind in einer permanent aktualisierten Datenbank hinterlegt und können über eine Suchmaske ausgewählt werden. Weiterzubildenden ist zu empfehlen, sich gründlich mit den online von der ÄkNo zur Verfügung gestellten Inhalten vertraut zu machen, was oftmals hilft, viele Fragen rund um die eigene Weiterbildungssituation zu beantworten. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail-­ Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre Freie Berufe Bernd Zimmer im Amt bestätigt Die Mitgliederversammlung des Verbandes Freier Berufe NRW hat Bernd Zimmer Mitte November einstimmig in seinem Amt als Vorsitzender bestätigt. Zimmer ist seit 2009 auch Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein und steht dort dem Ausschuss Berufsordnung, Allgemeine Seit 2018 steht der Hausarzt den Freien Berufen NRW vor. Rechtsfragen und Europa vor. Er wolle seine zweite Amtszeit im Verband Freier Berufe nutzen, um neben der Digitalisierung Themen wie Bildung und die Gewinnung von Fachkräften in den Fokus zu rücken, sagte der Hausarzt aus Wuppertal nach seiner Wiederwahl. HK Ehrenamt Ärzte als Richter gesucht Ärztinnen und Ärzte, die sich beim Finanzgericht Köln als ehrenamtliche Richter engagieren wollen, können bis zum 10. Februar 2023 ihre Kandidatur zur Wahl bei der Ärztekammer Nordrhein einreichen (www.aekno.de). Die Amtsperiode beträgt fünf Jahre. Zur Wahl stellen können sich deutsche Staatsangehörige, die während des letzten Jahres vor der Wahl ihren Wohnsitz im Regierungsbezirk Köln hatten oder dort tätig waren. Informationen: saskia.haloschan- better@aekno.de MST Foto: Jochen Rolfes

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 9 Magazin Für denmedizinischen Fachkundeunterricht sucht das Kölner Barbara-von-Sell-Berufskolleg für eine Lehrtätigkeit ab August 2023 Ärztinnen und Ärzte als nebenberufliche Lehrerinnen und Lehrer. Sie sollen die Auszubildenden zurMedizinischenFachangestellten (MFA) unterrichten. Der Umfang der Lehrtätigkeit beträgt maximal zwölf Stunden je Woche und bezieht sich auf die Fächer „Behandlungsassistenz und Patientenbetreuung“, mit den Inhalten Hygiene, Grundlagen der allgemeinen Anatomie, Physiologie und Pathologie sowie Diagnostik, Therapie und Prävention. Außerdem gehört die Erstellung und Korrektur von Klassenarbeiten, die Aufarbeitung vonUnterrichtsmaterialien sowie Bildungsgangarbeit zum Aufgabenspektrum. Die schulische Ausbildung vonMFA erfolgt in Nordrhein an insgesamt 24 kaufmännischen Berufskollegs. Die Ärztekammer Nordrhein unterstützt die berufsbildenden Schulen bei der Suche nach geeigneten Lehrerinnen und Lehrern. Zuständig für die Stellenfreigabe, die Stellenbesetzung und Besoldung sind inNordrhein die Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf. Ärztinnen und Ärzte, die an einer Lehrtätigkeit am Kölner Barbara-von-Sell-Berufskolleg interessiert sind, können sichdirekt bei der SchulleiterinRenateHartenstein melden. E-Mail: renate.hartenstein@bvs-bk.de bre Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten Ärztinnen und Ärzte für Kölner Berufskolleg gesucht Das Plakat „Die bunte Lebensmittelwahl“ soll Patientinnen und Patienten ermutigen, ihren Arzt auf eine ausgewogene Ernährung anzusprechen. Foto: Alexander Raths/ stock.adobe.com Nachhaltige Ernährung Praxisplakat: Die bunte Lebensmittelwahl Um Patientinnen und Patienten zu ermutigen, ihren Arzt oder ihre Ärztin auf eine gesunde und klimafreundliche Ernährung anzusprechen, stellt die Ärztekammer Nordrhein ein Plakat für das Wartezimmer zur Verfügung. Das Plakat weist auf die gesundheitlichen Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung hin und bietet über einen QR-Code weiterführende Informationen. Der Code leitet Interessierte auf die Homepage der Kammer, wo sich unter www.aekno.de/ nachhaltige-ernaehrung zahlreiche alltagstaugliche Tipps für eine nachhaltige Ernährung finden. „Wir wissen, dass eine pflanzenbasierte und ausgewogene Ernährung das Risiko für bestimmte Krebsarten, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen senken kann. Wer sich vorwiegend pflanzenbasiert ernährt, kann gleichzeitig seinen ökologischen Fußabdruck verbessern. Ärztinnen und Ärzte stehen ihren Patientinnen und Patienten als Ansprechpartner zumThema nachhaltige Ernährung zur Verfügung“, erklärte Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Ausschusses „Prävention und Gesundheitsförderung“ der Ärztekammer Nordrhein, auf dessen Anregung das Plakat erstellt wurde. Bei Interesse kann das Plakat über Snezana Marijan per E-Mail bestellt werden: snezana.marijan@aekno.de MST Köbesse Martin Schopps Guido Cantz Medizinersitzung 2023 in der Flora Köln Am Botanischen Garten 1a, 50735 Köln am Mittwoch, dem 8. Februar 2023 Beginn: 19.11 Uhr Karten: € 45,- Kartenbestellung beim Festausschuss Medizinerball e.V. Frau Leowald, Telefon 0170 / 8 16 66 25 oder E-Mail: sitzung@festausschuss-medizinerball.de oder online unter www.festausschuss-medizinerball.de Der Medizinerball 2023 findet am Karnevalsfreitag, 17.02.2023, im Kölner Gürzenich statt. Veranstalter: Festausschuss Medizinerball e.V. • Änderungen vorbehalten Dreigestirn Bläck Fööss Kasalla

10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 Magazin – Studium und Berufseinstieg Statistik Rückgang bei Studierenden Im laufenden Wintersemester 2022/2023 sind an den Hochschulen in Nordrhein-­ Westfalen rund 743.400 Studierende eingeschrieben. Das sind 1,7 Prozent weniger als im Vergleichssemester vor einem Jahr. Das teilte das statistische Landesamt NRW kürzlich mit. Auch die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger sei im Jahresvergleich geringfügig um 500 auf rund 88.900 gesunken. Das bedeutet ein Minus um 0,6 Prozent. Bei den 16 Universitäten in NRW fiel der Rückgang der Studierenden um rund 10.750 auf 473.475 oder 2,2 Prozent höher aus als im Gesamtdurchschnitt. Die Zahl der universitären Studienanfänger fiel um knapp 390 auf aktuell 48.724. Auch hier ist der Rückgang mit 0,8 Prozent etwas deutlicher als im Vergleich zu allen Hochschulen im Lande. Der Rückgang der Studierenden ist bei allen fünf nordrheinischen Universitäten mit einer medizinischen Fakultät zu beobachten. Einzig die Universität Köln konnte bei den Erstsemestern einen leichten Zuwachs von knapp 120 verzeichnen, was einer Zunahme von 2,4 Prozent im Jahresvergleich entspricht. Dennoch ist die Zahl der insgesamt in Köln eingeschriebenen Studierenden im aktuellen Wintersemester auf unter 50.000 gesunken. Ungeachtet dessen bleibt die Uni der Dommetropole mit knapp 49.650 Studierenden die größte Präsenzhochschule in NRW, gefolgt von der Rheinisch-­ Westfälischen Technischen Hochschule Aachen mit derzeit knapp 47.100 Studierenden. bre Die größten Durchbrüche der Medizin in den letzten Jahrzehnten sind das Ergebnis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. DieMedizin erfordert seit jeher Fähigkeiten, die wir als empirischeMethoden kennen: Ärztinnenund Ärzte sammelnBeobachtungen, zeichnen ihre Ergebnisse auf, formulieren Hypothesen und führen Experimente durch, um ihre Theorien zu überprüfen. Mit Blick auf die – sicherlich berechtigte – klinisch-praktische Ausbildung im Studium sollte deshalb die wissenschaftliche Komponente nicht zu kurz kommen. Denn nur wenn esÄrztengelingt, BrückenzwischenForschung und Klinik zu bauen und evidenzbasierte Medizin in ihrer Praxis zu leben, können Patientinnen und Patienten von einer besseren Versorgung profitieren. Dafür sollten die Grundlagen bereits während des Studiums gelegt werden, beispielsweise durch Kurse zum wissenschaftlichen Arbeiten, Journal Clubs oder durch forschungsorientierte Famulaturen in Wissenschaftsorganisationen. Um akademische Nachwuchskräfte für dieWissenschaft zu gewinnen und zu begeistern, bedarf es nicht nur finanzieller Ressourcen, sondern auch Möglichkeiten desMentorings und der persönlichen Förderung. Nur so kann sichergestellt werden, dass Deutschland als Forschungsland in der Medizin attraktiv und kompetitiv bleibt. Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir anmedizinstudium@ aekno.de. Hartmannbund Junge Mediziner in Sorge um das Gesundheitssystem Die JungenÄrztinnenundÄrzte imHartmannbund fordern von der Politik eine ehrliche Debatteüber die zukünftigeLeistungsfähigkeit des Gesundheitssystems. Sie warnen davor, leere Zukunftsversprechen zu machen. Der Anlass für die Kritik ist, dass Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach Leistungskürzungen in der gesetzlichenKrankenversicherung im Zusammenhang mit der Verabschiedung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes eine kategorische Absage er- teilt hatte. Dazu sagte Dr. Moritz Völker, Vorsitzender der Jungen Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund: „Vor dem Hintergrund eines 17-Milliarden-Euro-Defizits im kommenden Jahr und voraussichtlich weiteren 20 Milliarden im Jahr 2024 unterstreicht diese Aussage das unverantwortliche politische Denken im Rhythmus von Legislaturperioden“. Solche Versprechenwürden auf den Schultern der künftigen Generationen ausgetragen, weil dahinter eine langfristige Perspektive fehle. „Wer indiesenZeiten solcheVersprechen macht, verschweigt den Versicherten, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Leistungsversprechen und Kosten gibt. Eine ehrliche Politik würde das den Bürgern und Beitragszahlern vermitteln”, kritisierte Völker. Der Vorsitzende wies auf einweiteres Problemhin, das in Zukunft das deutsche Gesundheitswesen zunehmend belasten werde. „Die Zahlen und Faktenmit Blick auf das, wasuns angesichts der demografischen Entwicklung und des Mangels an Fachkräften bereits in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren erwartet, liegen auf demTisch. Wir vermissen einen Plan und eine klare Perspektive, wiewir das lösen sollen, ohne Leistungen zu kürzen. Und es gehört zur politischen Ehrlichkeit, genau darauf alle Beteiligten vorzubereiten”. Die Jungen Ärztinnen und Ärzte plädieren vor diesem Hintergrund für eine gesellschaftliche Debatte, die „besser heute als morgen beginnt“, um Perspektiven auszuleuchten. „Es ist ähnlichdemKampf gegenden Klimawandel. Früher anzufangen ist klüger, sozial verträglicher undamEnde günstiger und gesünder für alle“, so Völker. bre Mail aus Düsseldorf Damon Mohebbi Foto: privat Der Vorsitzende der Jungen Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund, Dr. Moritz Völker, fordert von der Bundesregierung eine ehrliche Debatte über die zukünftige Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems. Foto: Hartmannbund

Wege in die Niederlassung Online-Veranstaltungen der Niederlassungsberatung der KV Nordrhein Sie möchten in nächster Zeit eine Praxis eröffnen oder eine Anstellung beginnen? In dieser Veranstaltung erfahren Sie, was Sie von den ersten Überlegungen bis zum erfolgreichen Start in die ambulante Tätigkeit beachten müssen. Die verschiedenen Möglichkeiten der Mitarbeit im KV System werden ebenso betrachtet wie Übergangsmodelle, die eine Zusammenarbeit mit der Praxisabgeberin oder dem Praxisabgeber ermöglichen. Das formale Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren wird Schritt für Schritt erläutert. Wichtig ist uns dabei, Ihnen hilfreiche Tipps an die Hand zu geben. Sie haben außerdem die Gelegenheit Ihre Fragen direkt mit unseren Expertinnen und Experten zu klären. Referierende: Joelle Bourbon | Niederlassungsberaterin | KV Nordrhein Alexander Konrad | Niederlassungsberater | KV Nordrhein Oliver Pellarin | Niederlassungsberater | KV Nordrhein Termine für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Anmeldung erforderlich Zertifizierung beantragt Weitere Informationen sowie die Online-Anmeldung finden Sie unter: kvno.de/termine Arzt sein in Ein Service der KV Nordrhein. NORDRHEIN 29. März 2023 27. Oktober 2023 6. März 2023 18. September 2023 Termine für Ärztinnen und Ärzte

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 Zweimal zwang das Coronavirus das Land in den Lockdown. Im Frühjahr 2020 und im Winter 2021 blieben bundesweit nicht nur Geschäfte, Gaststätten und Hotels, sondern auch Schulen undKindertagesstätten geschlossen. Die Beschränkung zwischenmenschlicher Kontakte auf das Notwendigste sollte dabei helfen, SARS-CoV-2 einzudämmen. Inzwischenmehren sich jedochdie Stimmenderer, die fragen, ob nicht insbesondere Kinder und Jugendliche unter den Kontaktbeschränkungen über Gebühr gelitten haben. Zumal eine Coronainfektion bei ihnenmeist milde verläuft. Gesunde Kinder mit akuter COVID-19-Erkrankung hätten in der Regel eine geringe Krankheitslast. Vor allem Kinder im Kindergartenalter wiesen nur wenige Symptome auf, erklärte Professor Dr. Stefan Wirth, bis vor Kurzem Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin amHelios UniversitätsklinikumWuppertal. Er sprach beim 9. Kammerkolloquium Kindergesundheit, das am19. November imHaus der Ärzteschaft in Düsseldorf stattfand und sich mit den Folgen der COVID-19-Pandemie für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen befasste. Wirth betonte, dass auch die Mortalitätsrate bei Kindern niedrig sei. Angesichts vonmehr als 7,3Millionen Infektionen – bei hoher Dunkelziffer – habe es dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge in der Altersgruppe bis 19 Jahre bislang circa 100 Todesfälle gegeben. Dabei hätten viele der verstorbenen Kinder unter zum Teil schweren Vorerkrankungen gelitten. Die indirekten Folgen der Pandemie für die körperliche und psychische Gesundheit vieler Kinder und Jugendlicher seien dagegen zum Teil dramatisch. Ein Lockdown verlängere zwangsläufig die Zeit, die diese zu Hause verbringen, weil Schulen und Kitas ebenso geschlossen seien wie Sportstätten und Spielplätze. Statt Fußball zu spielen oder sich anderweitig zu bewegen, hätten viele Kinder die Zeit vor demFernseher oder dem Computer verbracht mit der Folge, dass die Zahl der adipösen Kinder deutlich zugenommen habe. Effekt von Schulschließungen ungewiss Auch die Kleineren hätten unter der sozialen Isolation gelitten. „Ein Jahr reicht aus, damit bei Kindern im Vorschulalter der Förderbedarf mit Blick auf die sprachliche, motorische und sozio-emotionale Entwicklung steigt“, so Wirth. Das gelte insbesondere für Kinder aus bildungsfernen Familien in schwierigen sozialen Verhältnissen. In allen Altersgruppen habe sich zudem gezeigt, dass sich vor allem der Gesundheitszustand bereits vorbelasteter Kinder und Jugendlicher in der Pandemie weiter verschlechtert habe. Grundschulenwarenwährendder Coronapandemie im Schnitt 64 Tage vollständig geschlossen, Sekundarschulen 84 Tage. Das geht aus dem Bericht des Sachverständigenausschusses der Bundesregierung zur Evaluation der Pandemiemaßnahmen hervor, den dieser Ende Juni vorgelegt hat. Damit liegt Deutschland den Experten zufolge im internationalen Vergleich im Vergessene Kinder Depressionen, Angststörungen, Übergewicht: Kontaktbeschränkungen sowie Schul- und Kitaschließungen haben dazu geführt, dass sich die gesundheitliche Situation und die Lebensqualität vieler Kinder und Jugendlicher seit Beginn der Coronapandemie verschlechtert haben. Experten fordern, dass sich Maßnahmen zur Krisenbewältigung in Zukunft deutlicher am Kindeswohl orientieren müssen. von Heike Korzilius und Martin Bornemeier Foto: mauritius images/fStop/Isabella Ståhl

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 13 Mittelfeld. Kitas seien hingegen mit 61 Tagen häufiger komplett geschlossen gewesen als imSchnitt der untersuchten OECD- und Partnerländer mit 55 Tagen. Dabei lässt sich der Beitrag, den die Schul- und Kitaschließungen zur Eindämmungder Pandemie geleistet haben, nachAnsicht der Sachverständigen – trotz biologischer Plausibilität – nicht exakt beziffern. Die Datenlage reiche nicht aus, umdie genaueWirksamkeit zubemessen. Zumeinen fehle ganz grundsätzlich eine systematische Begleitforschung zu einmal getroffenen Maßnahmen. Zum anderen sei neben den Schließungen in den Schulen und Kitas eine ganze Reihe von Instrumenten zur Pandemiebekämpfung gleichzeitig zum Einsatz gekommen, darunter Maskenpflicht, Abstandsregeln und Lüftungskonzepte, was eine Evaluation von Einzelmaßnahmen unmöglich mache. Eigenes Laptop, Tablet? Fehlanzeige Die nicht-intendierten Auswirkungen der Schul- und Kitaschließungen auf das körperliche und seelische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen seien jedoch „nicht von der Hand zuweisen“, heißt es in demBericht. Der Distanzunterricht über digitale Plattformen habe insbesondere jüngere Kinder überfordert sowie Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Verhältnissen benachteiligt, die zumTeil nicht über eineigenes Zimmer, über WLAN, Laptop oder Tablet verfügten. Das habe soziale Ungleichheiten verschärft. Der Sachverständigenausschuss rät deshalb, beim zukünftigen Umgang mit PandemiendasKinderwohl vorrangig zuberücksichtigen. Bereits im Februar dieses Jahres hatte der Expertenrat der Bundesregierung zu COVID-19 darauf hingewiesen, dass insbesondere mit Blick auf die sekundäre Krankheitslast bei Kindern und Jugendlichen infolge der Lockdowns Infektionsschutz und soziale Teilhabe sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssten. Schul- und Kitaschließungen sollten in Zukunft allenfalls als ultima ratio in Betracht gezogen werden. Zu einem ähnlichen Schluss kamAnfang November Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf der Grundlage der Corona-Kita-Studie des Deutschen Jugendinstituts und des RKI. Die Kita-Schließungen zu Beginn der Pandemie seien „definitivmedizinischnicht angemessen“ und in demUmfang „nach heutigemWissen nicht nötig“ gewesen, zitiert ihn die Süddeutsche Zeitung. Die Kita-Kinder seien keine wichtigen Treiber der Pandemie gewesen, so Lauterbach. Die Ansteckungsrate habe in den Kitas selbst etwa fünfmal niedriger gelegen als in denHaushalten der betroffenen Familien. Zudem hätten Maßnahmen wie die Bildung von Kleingruppen, das Tragen von Masken durch das Personal sowie regelmäßiges Lüften Wirkung gezeigt. Pädiater hatten bereits imMai 2020 nach demersten Lockdown vor erheblichen psychischen und sozialen Konsequenzen durch Schul- und Kitaschließungen gewarnt. „Vor demHintergrund dieser Kollateralschäden sollten Schulschließungen, insbesondere über einen längeren Zeitraum, wissenschaftlich gut und nachvollziehbar begründet werden“, schrieben sie im Deutschen Ärzteblatt. Unter anderem verstärkten sich in Phasen ohne Beschulung bereits bestehende Unterschiede im Hinblick auf mathematische und sprachliche Fähigkeiten zwischen Kindern aus niedrigeren und höheren sozioökonomischen Schichten deutlich. Über eine Zunahme von psychischen Auffälligkeiten, depressiven Symptomen und Ängsten bei Kindern und Jugendlichen infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie berichtete jetzt in Düsseldorf Professor Dr. phil. Ulrike Ravens-Sieberer, Forschungsdirektorin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik amUniklinikumHamburg-Eppendorf. Sie ist Mitautorin der COPSY-Studie (Corona undPsyche), die inmittlerweile fünf Befragungswellen, von denen drei ausgewertet sind, die Auswirkungen der Coronapandemie auf die psychische Gesundheit undLebensqualität vonKindernund Jugendlichenuntersucht. Befragt wurdenmehr als 1.500 Elternmit Kindern im Alter von sieben bis 17 Jahren sowie mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche im Alter von elf bis 17 Jahren. Im Ergebnis fühle sich die Mehrheit der befragten Kinder und Jugendlichen auch eineinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie noch belastet. So habe durch die Kontaktbeschränkungen beispielsweise das Verhältnis zu Freunden gelitten, viele empfänden das Lernen als anstrengender als vor der Pandemie und ein Viertel der Kinder berichte über häufigere Streitigkeiten zu Hause. „Die Lebensqualität der Kinder hat sich im Laufe der Pandemie verschlechtert – psychisch, physisch und sozial“, sagte Ravens-Sieberer. Angstsymptome, von denen 30 Prozent der Befragten berichteten, psychische Auffälligkeiten (48 Prozent) und depressive Symptome (24Prozent) hätten sich imWinter 2020/2021 imVergleich zu vor der Pandemie zumTeil verdoppelt. Danach seien die Werte ein wenig gesunken, lägen aber immer noch deutlich über dem vorpandemischen Niveau, wobei Mädchen häufiger betroffen seien als Jungen. Die „Statt Fußball zu spielen oder sich anderweitig zu bewegen, haben viele Kinder die Zeit vor dem Fernseher oder dem Computer verbracht.“ Professor Dr. Stefan Wirth, ehemaliger Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Universitätsklinikum Wuppertal Foto: privat „Kinder und Jugendliche, die Halt in der Familie finden und eine feste Alltagsstruktur haben, leiden weniger häufig an psychischen Auffälligkeiten.“ Professor Dr. phil. Ulrike Ravens-Sieberer, Forschungsdirektorin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf Foto: UKE

Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 1 / 2023 Inanspruchnahme vonPsychotherapie bewege sichhingegen über die Zeit relativ stabil bei sechs Prozent – ein Ergebnis, das im Widerspruch zum Belastungsempfinden stehe. Ravens-Sieberer macht dafür in erster Linie die begrenztenBehandlungskapazitäten verantwortlich. Wie die Kinder- und Jugendpsychiaterin betonte, hat auch die Zahl der psychosomatischen Beschwerden zugenommen, darunter Einschlafprobleme, Kopfschmerzen sowie Bauch- undRückenschmerzen. Selbst imVerlauf dieses Jahres sei einAnstiegder Beschwerden zu verzeichnen gewesen, obwohl zahlreiche Coronamaßnahmen gelockert worden seien. Wie zuvor der Pädiater Wirth stellte auch Ravens-­ Sieberer die besondere Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen aus ärmeren Familien heraus. Kinder und Jugendliche erlebten die Veränderungen durch die Coronapandemie als besonders belastend, wenn ihre Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss oder einen Migrationshintergrund hätten, sie auf engem Raum lebten oder die Eltern selbst psychisch belastet seien. Diese Risikogruppe habe in den verschiedenen Befragungen eine zwei- bis dreifach so hohe Wahrscheinlichkeit gehabt, psychische Auffälligkeiten, Ängste und depressive Symptome zu entwickeln. Umgekehrt litten Kinder und Jugendliche, die Halt in der Familie fänden und eine feste Alltagsstruktur hätten, weniger häufig an psychischen Auffälligkeiten. Man tue deshalb gut daran, auch das Befinden der Eltern in den Blick zu nehmen, so Ravens-Sieberer. Ihr Fazit: In zukünftigenKrisenmüssten sich dieMaßnahmen zu deren Bewältigung – wie auch vom Expertenrat der Bundesregierung gefordert – am Kindeswohl orientieren. „Das haben wir diesmal nicht geschafft“, so Ravens-Sieberer. Für belastete Kinder und Jugendliche forderte sie rechtzeitige und umfassende Hilfen. Aber sie betonte auch: „Die meisten Kinder werden diese Krise gut überstehen und sich gesund entwickeln.“ Schulsozialarbeit ausbauen Die Ergebnisse der COPSY-Studie umRavens-Sieberer nahm die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag zumAnlass, die Landesregierung aufzufordern, die Schulsozialarbeit und die Schulpsychologie auszubauen und dauerhaft zu fördern. Zurzeit erfolgt die Zuweisung der Mittel immer nur für ein Schuljahr und auch nur befristet bis zum31. Juli 2025. Der entsprechende Antrag wurde Mitte November in den Ausschüssen für Gesundheit und Familie beraten. Die SPD-Abgeordneten sprechen sich darin auch dafür aus, Gesundheitsfachkräfte an den Schulen zu beschäftigen, die Schüler und deren Eltern niederschwellig in Fragen der psychosozialen Gesundheit beraten. In der Sachverständigenanhörung erklärte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in einer schriftlichen Stellungnahme, der Verband unterstütze „ausdrücklich jede Form von Maßnahmen zur gezielten Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“. Insbesondere Kinder mit Therapie- oder Förderbedarf hätten in der Hochzeit der Pandemie lange auf Angebote wie Frühförderung verzichten müssen. Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie seien nicht oder nicht mit der üblichen Frequenz angeboten worden. Weil in den Gesundheitsämtern die Kapazitäten für Routineaufgaben fehlten, seien Schuluntersuchungen zur Feststellung von Defiziten oder Förderbedarf in zwei Jahrgängen nur zumTeil oder gar nicht durchgeführt worden. „Alle diese verpasstenDingewirken sich bei Kindern auch jetzt häufig noch auf den Entwicklungsstand aus und erfordern aus ärztlicher Sicht häufig eine Intensivierung von Förder- und Therapiemaßnahmen“, heißt es in der Stellungnahme. In eine ähnliche Richtung zielt die jüngste Ad-hoc-­ Empfehlung des Deutschen Ethikrats zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie, die der Rat am 28. November vorgelegt hat. Neben dem Ausbau niedrigschwelliger und flächendeckender schulpsychologischer und psychosozialer Unterstützungsangebote forderte er darin auch, „die Forschung über die Folgen vonMaßnahmen zur Bewältigung gesellschaftlicher Krisen (nicht nur von Pandemien)“ zu fördern. Esmüsse sichergestellt werden, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in künftigen Krisen mit allen Kräften geschützt würden, so der Ethikrat. Während der COVID-19-Pandemie sei nicht hinreichend gewürdigt worden, welchen psychischen Belastungen diese durch die Pandemie selbst und die zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen ausgesetzt waren. Über die Ursachen und die Prävalenz von Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen weiß man noch wenig. Insgesamt gehe man davon aus, dass ein Viertel der Kinder nach einer Coronainfektion „in irgendeiner Form“ von Long-COVID betroffen sei, sagte Dr. Lynn Eitner, Fachärztin für pädiatrische Neurologie an der Universitätsklinik für Kinder und Jugendmedizin in Bochum beim 9. Kammerkolloquium Kindergesundheit am 19. November in Düsseldorf. Dabei sei das Spektrum der Beschwerden breit und Diagnostik und Therapie entsprechend kompliziert. Umso wichtiger sei es, dass die unterschiedlichen Fachdisziplinen gut zusammenarbeiteten. Dr. Folke Brinkmann, kommissarische Leiterin der Abteilung für pädiatrische Pneumologie am Universitätsklinikum Bochum, wies darauf hin, dass für Long-COVID typische Beschwerden wie zum Beispiel Fatigue, Kopfschmerzen oder verminderte Belastbarkeit auch als reine Pandemieeffekte bei nicht coronainfizierten Kindern und Jugendlichen auftreten (Post-Lockdown-Syndrom). Das treffe allerdings nicht auf Beschwerden wie Dyspnoe sowie Geruchs- und Geschmacksverlust zu. Auch somatosensorische Funktionsstörungen des peripheren Nervensystems seien in einer Studie von Eitner an 81 Kindern und Jugendlichen bei 30 Prozent der Coronainfizierten und nur bei fünf Prozent der Kontrollgruppe nachweisbar gewesen. Brinkmann verwies allerdings auch darauf, dass die Selbstheilungsrate bei Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen hoch sei. Nur selten benötigten Betroffene eine spezialisierte somatische, psychologische oder psychiatrische Behandlung. Long-COVID bei Kindern: Noch viele Fragen offen

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