Rheinisches Ärzteblatt 5/2023

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2023 Als 2004 die ersten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) an den Start gingen, versprach man sich davon eine bessere sektoren- und fachübergreifende Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie attraktivere Arbeitsbedingungen für die nachwachsende Medizinergeneration. Der Erfolg scheint dem Modell recht zu geben. Lag die Zahl der MVZ bundesweit im Jahr 2012 noch bei 1.938, waren es der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge im vergangenen Jahr bereits 4.179, ein Plus von gut 115 Prozent. Knapp 26.000 Ärztinnen und Ärzte arbeiten demnach inzwischen in MVZ, gut 24.000 von ihnen als Angestellte. Was Ärzteschaft und Politik jedoch aktuell besorgt, ist der zunehmende Einfluss von international agierenden Finanzinvestoren, die den „Markt“ der ambulanten Versorgung für sich entdeckt haben. Er ist wenig konjunkturanfällig, krisensicher und angesichts der gut 50 Milliarden Euro, die gesetzliche und private Krankenversicherungen 2021 allein für die ärztliche Behandlung ihrer Versicherten in Praxen und MVZ ausgegeben haben, lukrativ. Der Einstieg der Kapitalgeber in die ambulante Versorgung erfolgt dabei in der Regel über den Erwerb eines Krankenhauses, das als Vehikel für die Gründung von MVZ oder MVZ-Ketten dient. Üblich ist anschließend der Aufkauf weiterer Praxen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden die so entstandenen größeren Einrichtungen dann gewinnbringend weiterverkauft. Die deutsche Ärzteschaft kritisiert seit Jahren diese „Buy-and-Sell-Strategie“ der Kapitalgebergesellschaften (Private Equity) als wenig nachhaltig und als potenzielle Gefahr für die Qualität der Patientenversorgung – zuletzt auf dem 126. Deutschen Ärztetag im Mai 2022 in Bremen. Minister wettert gegen Heuschrecken Auf Wiederhall stoßen die ärztlichen Bedenken inzwischen auch in der Politik. Mit scharfen Worten kündigte Bundesgesundheitsminister Professor Dr. Karl Lauterbach Ende letzten Jahres in der Bild am Sonntag an, er werde einen Riegel davorschieben, dass Investoren „mit absoluter Profitgier“ in großem Stil Arztpraxen aufkauften. Er werde noch im ersten Quartal 2023 einen Gesetzentwurf vorlegen, der den Einstieg „dieser Heuschrecken“ in die Praxen unterbinde. Der Zeitplan ist zwar nicht mehr zu halten. Aber auch die Länder machen Druck. Erst Ende März sprach sich die Gesundheitsministerkonferenz der Länder dafür aus, vor allem investorengetragene MVZ (iMVZ) stärker zu regulieren. Die Länder Bayern und Rheinland-Pfalz haben in deren Auftrag inzwischen einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht, der wesentliche Forderungen der Ärzteschaft aufgreift. Dazu gehören beispielsweise ein MVZ-Register, das Transparenz über die Eigentumsverhältnisse schaffen soll, Höchstversorgungsanteile von iMVZ in einer Region, um Monopole zu verhindern, sowie eine Stärkung der Position von Ärztinnen und Foto: seewhatmitchsee/istockphoto.com MVZ: Zwischen Profit und Patientenwohl Neben dem Fachkräftemangel prägt zurzeit die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen die gesundheitspolitische Debatte. Befeuert wird sie insbesondere durch den wachsenden Einfluss privater Finanzinvestoren in der ambulanten Versorgung. Die Sorge: Die medizinische Versorgung könnte sich in Zukunft nicht mehr in erster Linie am Wohl der Patientinnen und Patienten orientieren, sondern an den Renditeerwartungen der Geldgeber. Die Ärzteschaft spricht sich für eine Regulierung „des Marktes“ mit Augenmaß aus. von Heike Korzilius

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