Rheinisches Ärzteblatt 5/2023

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 /2023 13 wirtschaftlichen gesundheitlichen Versorgung aufzulösen, schreibt das Ministerium in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (Drucksache 20/5166). Zentrale Fragen bleiben: Wie wirkt sich die stärker werdende Orientierung an Renditeerwartungen schon jetzt auf die Arbeitsbedingungen und die berufliche Unabhängigkeit von Ärztinnen und Ärzten aus? Wo bleibt das Patientenwohl? Und wie kann das Gesundheitswesen im Sinne der Daseinsfürsorge zukunftsfest gestaltet werden? Darüber diskutierten am 7. März im Rahmen des Forums Gesundheit 2023 der Ärztekammer Nordrhein in Mülheim Expertinnen und Experten aus Medizin und Politik mit Ärztinnen und Ärzten vor Ort. Die Veranstaltung unter dem Titel „Kommerzialisierung der Medizin – Bleibt der Patient auf der Strecke?“, zu der die Kreisstelle Mülheim geladen hatte, war Teil des Rahmenprogramms des 127. Deutschen Ärztetages, der in diesem Jahr vom 16. bis 19. Mai in Essen stattfindet. Ärztliche Unabhängigkeit schützen Das Streben nach Gewinn und Rendite dürfe weder im Krankenhaus noch in der ambulanten Versorgung medizinische Entscheidungen dominieren und Ärztinnen und Ärzte in ihrer Unabhängigkeit einschränken, stellte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt, fest. Bei aller berechtigten Kritik insbesondere am Geschäftsmodell der von Investoren betriebenen Medizinischen Versorgungszentren plädierte Reinhardt jedoch für eine differenzierte Sichtweise. So gelte es, auf der einen Seite ökonomische Realitäten anzuerkennen und auf der anderen Seite zu verhindern, dass Renditeerwartungen das medizinische Handeln bestimmten – mit allen Folgen für das ärztliche Selbstverständnis und das Arzt-Patient-Verhältnis. MVZ böten jungen Ärztinnen und Ärzten vielfach attraktive Anstellungsbedingungen und zahlten höhere Ärzten in iMVZ, um diese vor dem Einfluss von Kapitalinteressen zu schützen. Glaubt man den Analysten einer der weltweit größten Unternehmensberatungen, Bain & Company, sind die Aussichten für Kapitalbeteiligungsgesellschaften auf dem Gesundheitsmarkt auch für 2023 „solide“. Das liege unter anderem an den seit Jahren überdurchschnittlichen Renditen, die mit diesen Investitionen erzielt würden. Schätzungen zufolge lag das Transaktionsvolumen der weltweiten Übernahmen im Gesundheitswesen im vergangenen Jahr zwischen 90 und 100 Milliarden US-Dollar – übertroffen nur von dem Rekordwert von 151 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, so Bain & Company. Unübersichtliches Marktgeschehen Systematische Übersichten über Transaktionen im deutschen Gesundheitswesen oder die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die sich in der Hand von Fremdinvestoren befinden, gibt es nicht. Von einem „unübersichtlichen Marktgeschehen“ schreibt der freie Journalist Rainer Bobsin, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, im Juli 2022. Nach seinen Recherchen befinden sich derzeit etwa 1.400 bis 1.500 medizinische und zahnmedizinische MVZ-Standorte im Besitz von Private Equity Gesellschaften. Das ist ein Anteil von gut einem Prozent an den insgesamt rund 141.000 Arzt- und Zahnarztpraxen in Deutschland. Ähnliche Zahlen liefert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit Blick auf den Anteil investorenbetriebener MVZ an der Versorgung. Dieser liegt zum Beispiel in Bayern zwischen 0,5 und einem Prozent. Das BMG hatte auf Bitten der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden einen Bericht über den Einfluss von iMVZ auf die ärztliche und zahnärztliche Versorgung angefertigt und dafür sieben Gutachten aus den Jahren 2020 bis 2022 ausgewertet (Drucksache 20/5166). Für die ärztliche Versorgung folgert das Ministerium, dass der Anteil der MVZ – ob mit oder ohne Fremdinvestor – gegenüber anderen Praxisformen mit drei Prozent noch immer gering ausfällt. Mit 78 Prozent dominierten weiterhin Einzelpraxen und klassische Berufsausübungsgemeinschaften (19 Prozent) die ambulante Versorgung. Eine „erhebliche Marktkonzentration auf iMVZ“ lasse sich nur für den Sonderbereich der Labormedizin feststellen. Diesen teilten sich etwa zur Hälfte fünf Laborketten untereinander auf, schreibt das Ministerium. Es kommt zu dem Schluss, dass die vorliegenden Gutachten zu iMVZ zwar keine nachweisbar negativen Zusammenhänge zwischen Inhaberschaft und Versorgungsqualität oder eine unsachgemäße Konzentration auf bestimmte Regionen erkennen lassen. Regelungsbedarf sieht das BMG gleichwohl. Denn es gelte, das bestehende Spannungsverhältnis zwischen einer ausgeprägten Renditeorientierung und den ihr übergeordneten Versorgungszielen, insbesondere einer am medizinischen Bedarf orientierten und „Das Streben nach Gewinn und Rendite darf weder im Krankenhaus noch in der ambulanten Versorgung medizinische Entscheidungen dominieren“. Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer Foto: Stella Scheibenzuber

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