Rheinisches Ärzteblatt 5/2023

18 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 / 2023 Reihe deutscher Städte zu sehen – so auch im Jahr 2018 im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Viele Besucher und ehrenamtliche Mandatsträger waren von der Präsentation damals sehr beeindruckt. So entstand die Idee, die Ausstellung um Biografien jüdischer Ärzte aus dem Kammergebiet Nordrhein zu erweitern. Ab dem 15. Mai 2023 wird die so ergänzte Ausstellung anlässlich des 127. Deutschen Ärztetages in der Alten Synagoge in Essen gezeigt. Dort wird sie bis Mitte Juni 2023 und im September noch einmal im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf zu sehen sein. Mühsamer Neubeginn im Exil Es sind die Einzelschicksale, die das in den Jahren nach 1933 an den jüdischen Ärztinnen und Ärzten begangene Unrecht eindrücklich vermitteln. Das gilt auch für den Lebensweg des 1885 in Bonn geborenen Arztes Dr. Arthur Samuel. Als Oberarzt hatte er am Ersten Weltkrieg teilgenommen, war in dessen Verlauf mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse. Er ließ sich als praktischer Arzt in Bonn nieder und musste in den Jahren nach 1933 erleben, wie ihm nach und nach die Grundlagen seiner wirtschaftlichen Existenz entzogen wurden. 1938 machte der Verlust der Approbation auch den Weiterbetrieb der noch verbliebenen Privatpraxis unmöglich und Samuel bereitete die Emigration aus Deutschland vor. Nach zwei vorübergehenden Festnahmen gelang ihm im Frühjahr 1939 zusammen mit seiner Familie noch rechtzeitig vor Kriegsausbruch die Flucht über die Niederlande in die USA. Wie für andere jüdische Ärztinnen und Ärzte war es auch für Samuel ein mühsamer Neubeginn im Exil. Sprachkenntnisse mussten erworben, medizinische Examina erneut abgelegt werden. Mit der Eröffnung einer Praxis im Norden von Manhattan/New York gelang ihm 1942 der Neubeginn. Er starb 1974 im Alter von 89 Jahren in Seattle. Wiedergutmachung für wen? Die Lebenswege jüdischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland in der NS-Zeit wurden in der jüngeren Vergangenheit – nach längerem Stillschweigen in der Nachkriegszeit – vielfach erforscht. Über die eher abstrakten Zahlenangaben hinaus wird in den individuellen Schicksalen das Grauen jener Jahre konkreter fassbar. Nicht zuletzt aus der Ärzteschaft selbst sind vielerorts Initiativen zu verzeichnen, die Biografien jüdischer Ärzte insbesondere in der NS-Zeit und, sofern sie rechtzeitig die Gelegenheit zur Flucht aus Deutschland nutzten, im Exil zu erkunden. Mittlerweile liegen aus vielen deutschen Städten entsprechende Veröffentlichungen vor. Bisher nur ansatzweise untersucht wurde, wie mit den überlebenden jüdischen Ärztinnen und Ärzten im Zuge der von den Siegermächten angeordneten Wiedergutmachung in Nachkriegsdeutschland umgegangen wurde. Wie sah die Entschädigungspraxis der damit Spezial 1938“, hieß es in § 1 der 4. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. Juli 1938. Der verordnete Approbationsentzug für die noch in Deutschland verbliebenen rund 3.000 jüdischen Ärzte stand am Ende einer Kette repressiver Maßnahmen, mit denen ihnen das NS-­ Regime seit der Machtübernahme 1933 die Berufsausübung erschwerte oder unmöglich machte. So etwa auch dem Kinderarzt Dr. Karl Leven, der sich 1931 in seiner Heimatstadt Düren als Kinderarzt niedergelassen hatte. Im Zusammenhang mit dem inszenierten reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte am 1. April 1933 war Leven von SA-Angehörigen in seiner Wohnung überfallen worden. Im Jahr darauf wurde ihm die Kassenzulassung entzogen. Nach dem Erlöschen seiner Approbation 1938 wurde wenig später in der Pogromnacht Levens Praxiseinrichtung zerschlagen und verbrannt. Der Vernichtung der beruflichen Existenz folgte wenige Jahre später die der physischen. Leven wurde gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern nach der Deportation am 15. Juni 1942 im Vernichtungslager Sobibor getötet. Karl Leven ist einer von neun jüdischen Ärztinnen und Ärzten aus dem Kammergebiet Nordrhein, deren Lebenswege nunmehr in der Ausstellung „Fegt alle hinweg ...“ dargestellt werden. Auch sie gehörten zu denjenigen, gegen die der Vorsitzende des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes und spätere Reichsärzteführer Gerhard Wagner im März 1933 mit seinem Aufruf „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen!“ hetzte. Die Ausstellung, konzipiert als Wanderausstellung und entstanden im Jahr 2008 anlässlich des 70. Jahrestags des Approbationsentzugs für jüdische Ärzte, war bereits in einer Im Mai 1941 erfolgte die Ausweisung der Juden des Kreises und der Stadt Düren aus ihren Wohnungen und die Zentrierung in Lagern durch die Nationalsozialisten. Die Gerstenmühle (Foto) wurde als Sammellager bis zur Deportation in die Vernichtungslager benutzt. Quelle: Dürener Geschichtswerkstatt

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