Rheinisches Ärzteblatt 5/2023

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 5 /2023 19 rer eine Vereinbarung, nach der jüdische Ärzte weitestgehend von der Abrechnung über Privatversicherer ausgeschlossen waren. Im Mai 1934 wurde auch denjenigen Ärzten die Kassenpraxis entzogen, die mit „nichtarischen“ Partnern verheiratet waren. Auch entfiel die Frontkämpferbestimmung, die vielen jüdischen Ärzten noch den Weiterbetrieb ihrer Kassenarztpraxis ermöglicht hatte. Nach der Reichsärzteordnung von 1935 konnten Juden de facto keine Approbation mehr erhalten. In der Folge wurden die Arbeitsmöglichkeiten der noch tätigen jüdischen Ärztinnen und Ärzte immer weiter beschränkt – sei es durch Ausschluss von noch bestehenden Versorgungsverträgen (etwa Ersatzkassen, Fürsorge) oder aber durch direkte repressive Maßnahmen. So nahm der Druck auf „arische“ Patienten befassten Ämter aus? Den meisten jüdischen Ärzten war wenig bis gar nichts von ihren Besitztümern auf dem Weg ins Exil geblieben. Eigentum war ihnen auf dem „Rechtswege“ auf behördliche Anordnung entwendet worden, oder sie hatten ihren Besitz gezwungenermaßen weit unter Wert verkaufen müssen. Ein entsprechender Nachweis wird für die Betroffenen sicher nicht immer leicht gewesen sein, insbesondere auch in Bezug auf entgangene Einkünfte nach Entlassung oder Verbot der Berufsausübung. Die Auswertung diesbezüglicher Aktenüberlieferungen in den öffentlichen Archiven könnte Aufschluss darüber geben, inwieweit sich die zuständigen Behörden in der Nachkriegszeit bemühten, den Auftrag zur Wiedergutmachung erlittenen Unrechts bereitwillig umzusetzen, oder aber in der Praxis eher danach strebten, den vorgebrachten Entschädigungsansprüchen möglichst restriktiv zu begegnen und so dem einmal begangenen Unrecht ein Weiteres hinzuzufügen. Angesichts der bewegenden Einzelschicksale sollte man auch die Profiteure der Ausgrenzung „nichtarischer“ Ärztinnen und Ärzte nicht aus dem Blick verlieren. Mit der Umsetzung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums und der Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen wurden seit April 1933 viele Stellen für diejenigen „arischen“ Ärzte frei, die sich zuvor vergeblich um eine Festanstellung oder Kassenarztpraxis bemüht hatten. Bei der Neuvergabe von Kassenarztsitzen sollten – neben „arischen“ Weltkriegsteilnehmern – Mitglieder der NSDAP, SS, SA oder des Stahlhelms bevorzugt werden, sofern sie der Organisation bereits vor dem 30. Januar 1933 angehört hatten. Zu Beginn des Jahres 1933 war der Anteil jüdischer Ärztinnen und Ärzte an der Gesamtärzteschaft (schätzungsweise 8.000 bis 9.000 von rund 52.500) mit rund 16 Prozent relativ hoch gewesen, wobei der Anteil in den Großstädten deutlich darüber lag. Willfährige Erfüllungsgehilfen Bereits bis Frühjahr 1934 war rund 1.700 jüdischen Ärztinnen und Ärzten die Kassenzulassung entzogen worden, wobei sich die ärztliche Selbstverwaltung mit einer resoluten Umsetzung der Verordnung über den Entzug der Kassenzulassung hervortat. In einer Vielzahl von Fällen erkannte das Reichsarbeitsministerium Beschwerden jüdischer Ärzte gegen den Entzug der Kassenzulassung durch die Kassenärztliche Vereinigung als berechtigt an. Dabei ging es vor allem um die Anerkennung eines Frontkämpfereinsatzes oder einer Tätigkeit in einem Seuchenlazarett im Verlauf des Ersten Weltkriegs; erbrachten jüdische Ärzte einen entsprechenden Nachweis, konnten sie zunächst ihre kassenärztliche Praxis behalten. In rascher Abfolge von Einzelbestimmungen wurde die Ausgrenzung jüdischer Ärzte jedoch bis hin zum Approbationsentzug 1938 forciert. Bereits zum September 1933 trafen der Hartmannbund und der Verband privater KrankenversicheSpezial Reisepass Dr. Arthur Samuel Quelle: Gedenkstätte und NS-Dokumentationszentrum Bonn Arthur Samuel gibt Tochter Erika Cellounterricht. Quelle: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn

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