Rheinisches Ärzteblatt 12/ 2022

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2022 13 „Krankenhäuser und ambulante Praxen sind Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und brauchen verlässliche Rahmenbedingungen“, mahnte er. Bestehende Versorgungsstrukturen müssten gestärkt werden. Man könne nicht wie die Ampelregierung im Koali- tionsvertrag schreiben: „Alle Menschen in Deutschland sollten gut versorgt und gepflegt werden – in der Stadt und auf dem Land“ und dann diejenigen im Regen stehen lassen, die für diese Versorgung geradestehen. Händeringend suchen Kollegen Nachfolger für ihre Praxen In ganz Nordrhein-Westfalen (NRW) sei es nachwie vor schwierig, insbesondere Hausärztinnen und -ärzte für die Niederlassung auf dem Land zu gewinnen. „Händeringend suchen Kolleginnen und Kollegen vor allem in strukturschwachen Regionen Praxisnachfolgerinnen und -nachfolger“, sagte der Kammerpräsident. 20Prozent der niedergelassenenÄrztinnenund Ärzte gingen in NRW in absehbarer Zukunft in Rente. „Und dann?“, so Henke. Er frage sich, wer den Weg in die Niederlassung wagen wolle, wenn Bundespolitik und Krankenkassenmit ihrer Gesetzgebung und ihren Verlautbarungen nicht die leiseste Wertschätzung gegenüber der ambulanten Versorgung zum Ausdruck brächten. Es sei eine Fehleinschätzung, wenn Politik und Kassen glaubten, die drohende Versorgungslücke mithilfe von Gesundheitskiosken, Gemeindeschwestern oder telemedizinischen Angeboten schließen zu können. Klug eingesetzt könnten solche neuen Strukturen sicher stellenweise für Entlastung sorgen. Ein Großteil der Menschen, vor allemÄltere und chronisch Kranke, wolle aber auch in Zukunft vor Ort von Ärztinnen und Ärzten ihres Vertrauens behandelt werden, zeigte sich Henke überzeugt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte imSommer angekündigt, langfristig bundesweit 1.000 Gesundheitskioske aufzubauen mit dem Ziel, insbesondere sozialen Randgruppen den Zugang zum Gesundheitssystem zu erleichtern. Ärztinnen und Ärzte seien in diesem Modell nicht vorgesehen, kritisierte Dr. Christiane Friedländer, Neuss. „Welches Arztbild hat eigentlich diese Regierung?“, fragte sie auch mit Blick darauf, dass Gesundheitsämter zunehmend von nicht Ärzten geleitet werden. „Das ist eine Infragestellung der ärztlichen Kompetenz“, so Friedländer. Dr. Lothar Rütz, Köln, wies darauf hin, dass nach § 64 d SGB V ab Januar 2023 in jedem Bundesland mindestens ein Modellversuch durchgeführt werden muss, bei dem heilkundliche Aufgaben auf nicht ärztliche Gesundheitsberufe übertragen werden. Für ihn werfe das die Frage auf, wie hier Delegation und Substitution voneinander abgegrenzt werden sollen, so Rütz. Angesichts dieser Entwicklungenmüsse die Ärzteschaft dringend ihre Kernkompetenzen definieren. Diagnostik, Indikationsstellung, die Feststellung des individuellen Behandlungsbedarfs sowie die Überwachung des Heilerfolgs, gehörten in ärztliche Hand, heißt es in einem entsprechenden Beschluss der Kammerversammlung. Mit Blick auf die Kooperation der Gesundheitsberufe sagte Henke: „Wir brauchen Lösungen für eine Gesellschaft des langen Lebens.“ Das gehe nicht ohne Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, die Pflege am Bett leisteten und dafür anständig bezahlt würden, sowie qualifizierte Medizinische Fachangestellte. Vor allem benötige man für die Versorgung von immer mehr älteren und multimorbiden Menschen eine starke wohnortnahe ambulante Versorgung. „Wir müssen deshalb alle zusammen viel dafür tun, die Niederlassung für junge Ärztinnen und Ärzte attraktiv zu halten“, mahnte Henke. Hier sei auch die Ärzteschaft selbst gefordert. „Kein Schönreden, aber auch kein Kaputtreden unsererseits gehören auch dazu“, so der Kammerpräsident. Henke wies erneut darauf hin, dass die zunehmende Bürokratie in Praxen und Krankenhäusern ein ernsthaftes Problem darstellt. So belege der von der KassenärztlichenBundesvereinigung herausgegebene Bürokratie-Index 2020 einen neuerlichen Anstieg der Bürokratiebelastung für Vertragsärzte und -psychotherapeuten gegenüber 2019 um 1,3 Prozent. Mit insgesamt 55,8 Millionen Arbeitsstunden schlugen die Informationspflichten der niedergelassenen ÄrztinKammerpräsident Rudolf Henke forderte verlässliche Rahmen- bedingungen für Krankenhäuser und Praxen, schließlich seien sie Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Foto: Jochen Rolfes

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=