Rheinisches Ärzteblatt 12/ 2022

Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2022 Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, leitete die Aussprache zum gesundheits- und berufspolitischen Bericht des Präsidenten. Foto: Jochen Rolfes Doch Hindernisse für die Niederlassung in eigener Praxis drohen Henke zufolge auch aus ganz anderer Richtung. Zunehmend drängten private Finanz- investoren in den ambulantenMarkt, die freiwerdende Arztsitze zu Höchstpreisen aufkauften und in Medi- zinische Versorgungszentren (MVZ) eingliederten. „Wenn Niederlassung für die meisten Ärztinnen und Ärzte nicht mehr bezahlbar ist, dann bedeutet das langfristig, dass die ambulante Versorgung komplett dem freien Markt und Wettbewerb überantwortet nen und Ärzte im Jahr 2020 zu Buche. Aktuell müssten etwa 61 Arbeitstage pro Jahr und Praxis für die Er- füllung von Informationspflichten aufgewendet werden. Ähnlich sei die Situation im Krankenhaus. Klinikärzte und Pflegekräfte verbrächten derzeit im Schnitt drei Stunden am Tag mit bürokratischen Pflichten, so Henke. „Was wäre es für unsere Patientinnen und Patienten für ein Gewinn, wenn ihnen diese Zeit zugutekäme?“, fragte er. „Das würde nichts kosten und hätte einen riesigen Effekt auf die Patientenversorgung und unsere eigene Berufszufriedenheit.“ GOÄ-Novelle zeitnah einführen Wenn man wolle, dass Ärztinnen und Ärzte auch in Zukunft den Schritt in die Niederlassung wagten, müsse man jedoch auch für eine angemessene Ver- gütung sowohl im EBM als auch in der GOÄ sorgen. Sobald die GOÄ-Novelle zwischen Privater Krankenversicherung und Bundesärztekammer Anfang nächsten Jahres konsentiert sei, müsse diese umgehend eingeführt werden, forderte der Kammerpräsident. wird“, warnte Henke. Er sehe eine Gefahr für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung, wenn sich Investoren mit Monopolstellung plötzlich aus der Versorgung zurückzögen, weil anderswo mehr Geld zu verdienen sei. Dieselben Monopole engten auch die freie Arztwahl und das Einholen von Zweitmeinungen ein. Denn am Ende sei es egal, an welche Tür ein Patient klopfe, weil immer derselbe Konzern hinter der Praxis oder demMVZ stehe. „EinWahlrecht setzt Pluralität voraus“, sagte der Kammerpräsident und forderte Politik, Krankenkassen und Patientenschützer auf, dem Thema endlich die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen. „Hier muss die Ampelkoalition im Sinne der Transparenz und zum Erhalt der freien Arztwahl gesetzgeberisch nachbessern“, so Henke. Mehr Transparenz bei Investoren-MVZ Die Kammerversammlung sprach sich in zwei Beschlüssen für mehr Transparenz bei den Eigen- tümerstrukturen von MVZ aus und forderte die Politik auf, die Ausbreitung von MVZ in Investorenhand zu stoppen. Den Investoren gehe es nicht in erster Linie um die Versorgung, sondern um Rendite, kritisierte Dr. Thorsten Hornung, Bonn. „Wir brauchen ein Fremdbesitzverbot. Versorgung gehört in ärztliche Hand und in ärztliche Verantwortung.“ Selbstkriti- sche Töne schlug Dr. Christiane Groß, Wuppertal, an. Sie forderte die Kolleginnen und Kollegen auf, mehr für die Selbstständigkeit in eigener Praxis zu werben, gerade auch bei jungen Ärztinnen und mahnte diejenigen, die ihre Praxen abgeben wollen: „Warum müssen Sie immer so optimiert verkaufen?“ Das DRG-System hat zu einem ruinösen Wettbewerb geführt Doch nicht nur im ambulanten Bereich gibt es Fehlentwicklungen zu beklagen. Auch im stationären Sektor sind die Baustellen zahlreich. „Viele Kliniken sind nicht nur aufgrund von Coronapandemie, Inflation und Energiekrise geschwächt, sondern auch, weil die Bundesländer seit Jahren ihrer Verpflichtung zur Investitionsfinanzierung nicht ausreichend nach- kommen und das DRG-System zu einem ruinösen Wettbewerb zwischen den Kliniken geführt hat“, beschrieb Kammerpräsident Henke die Lage. Die Mitglieder der Kammerversammlung bekräftigten mithin ihre Forderung an die Bundesregierung, die Vergütung nach Fallpauschalen in ihrer jetzigen Form abzuschaffen. Das System schaffe für die Kliniken Anreize, vermehrt insbesondere gut bezahlte Leistungen zu erbringen und bilde deren Vorhaltekosten für die medizinische Personal- und Infrastruktur nur unzureichend ab, heißt es in einem Beschluss des Ärzteparlaments. Die Folgen seien Wettbewerbs- verzerrungen, Personalabbau, ein hoher bürokratischer Aufwand und Qualitätsverluste bei der medizi-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=